Man könnte meinen, „La Longue Route“ sei die langweiligste Regatta der Welt. Sieben Boote auf dem Weg um den Planeten, nonstop, einhand, und es geht um nichts. Oder eben doch gerade um das Wesentliche beim Segeln: „Wir sind einfach nur eine kleine Gruppe Einhandsegler die lange Zeit auf See verbringen wollen, in Einheit mit der Natur, mit unserem Boot und mit sich selbst“, schreibt Susanne Huber-Curphey, die als einzige Frau am Start ist.
Es ist nach 2018 die zweite Auflage in Erinnerung an Bernard Moitessiers Teilnahme am Golden Globe Race 1968/69: Nachdem der damals fast die Welt umsegelte und seine Aussicht auf einen sicheren Sieg viele andere zu kompetitiven Höchstleistungen angetrieben hätte, dreht er ab und segelt allein eine weitere halbe Weltumsegelung. Sechs Monate später erreicht er Tahiti und erklärt, dass der Rummel um ihn als Gewinner zu viel gewesen wäre.
Diesen Geist wollen die Teilnehmer der, eigentlich erst im nächsten Monat startenden – man könnte es kaum falscher nennen – Regatta, wieder aufleben lassen. Die Regeln der langen Route sind dabei ähnlich leicht zu beschreiben, wie die Klassifizierung des Segelevents fällt. „La Longue Route“ kennt keinen Gewinner, hat keine Preise und nur minimale Vorgaben an die Ausrüstung. „Ort und Zeit von Start, der Zielhafen, sowie die gesamte Route sind frei wählbar“, schreibt Susanne, die ihren Start knapp einen Monat vor dem offiziellen Beginn von den Azoren aus am vergangenen Wochenende unternommen hat.
Der hätte eigentlich erst am 10. August 2024 gemeinsam im französischen Hafenstädtchen Lorient stattfinden sollen, aber auch das ist jedem Teilnehmenden selbst überlassen.
Die Route an sich orientiert sich an Motessiers Reise, die wiederum schlicht die logische Strecke für jede Weltumsegelung auf halbwegs kurzem Weg war und bis heute den Prototypen für Hochleistungsrennen wie das Vendee Globe darstellt: den Atlantik entlang nach Süden und mit den vorherrschenden Winden um Afrika, südlich von Australien, um Kap Hoorn und zurück nach Lorient.
Doch alle Kontrahenten – wobei Einhand Mitsegler es hier vielleicht besser beschreibt – können selbst entscheiden, wie ihre persönliche Lange Route aussehen soll.
Damit wirft die Fahrt auch eine wesentliche Frage zum Event auf: Wenn alles individuell ist, es nicht um Platzierungen geht, Zeiten und selbst ein Ankommen keine Rolle spielen, ist es dann überhaupt eine gemeinsame Veranstaltung?
Die Antwort darauf erfordert Abstand vom Rummel um große Events. Auch Einhandsegler und Einhandseglerinnen suchen Gemeinschaft. Und hier haben sie eine perfekte Form gefunden, zusammen ein großes Abenteuer zu bestehen. – Jeder und jede für sich.
Hinnerk Weiler