Mit ihrer Marisol, einer Contest 35, sind Inga Hinrichsen und Norbert Damm seit August 2016 unterwegs. 2018 haben sie fünf Wochen in Suriname verbracht. Später hat Corona sie ausgebremst. Marisol blieb in Neuseeland, eine Rückkehr zu ihre Yacht war nicht möglich. Jetzt aber öffnen sich die Grenzen und wenn das Magazin erscheint, sind sie endlich wieder bei ihrer Marisol in Neuseeland und bereit für neue Segelabenteuer.
Nach sechs Wochen in Französisch Guayana lassen wir uns vom Strom den Fleuve Maroni hinuntertragen. Eine mit 140 Seemeilen überschaubare Reise soll uns nach Suriname bringen. Wir stellen uns auf eine entspannte Etappe und eine ruhige Nachtfahrt ein, war die letzte Nachtfahrt in Französisch Guayana von einem Fluss in den anderen doch wunderbar ereignislos. Zunächst motoren wir, später können wir glücklicherweise segeln. Die Sonne geht unter und der Sternenhimmel präsentiert sich in seiner ganzen Schönheit. Als ich um zehn Uhr die Wache übernehme, sagt Nobbi ich solle mein Fernglas mitbringen, wir bräuchten bei Wachübergabe jeder eins. Aus der Traum von der entspannten Nachtfahrt, Fischerboote überall. Es handelt sich nicht um kleine Fischerboote, sondern um ausgewachsene Trawler. Überall um uns herum tauchen Lichter auf, dazwischen blinken die Bojen, die die Enden der Netze markieren. Doch welches Netz gehört zu welchem Schiff? Nachdem der erste Schreck verdaut ist, klappt es ganz gut. Im Zweifelsfall hilft das Radar den Überblick zu behalten.
Nach einer kurzweiligen Nacht erreichen wir die Ansteuerung des Suriname Rivers pünktlich mit Niedrigwasser. Die Einfahrt in den Fluss zieht sich, die Sonne brennt auf uns nieder, 36 Grad und kein Wind. Der Fluss ist schlammig braun und wirkt nicht sehr einladend.
Erst einmal wird kontrolliert
Kurz bevor wir Paramaribo, die Hauptstadt Surinames, erreichen, werden wir von der MAS, der Maritime Authority Suriname, kontrolliert. Die Beamten kommen mit einem schnellen Schlauchboot längsseits und möchten unsere Papiere sehen. Unsere laminierten Kopien werden akzeptiert, ungern möchten wir die Originale von Boot zu Boot weitergeben. Sie wünschen uns einen schönen Aufenthalt und düsen davon. Vor uns liegen noch ein paar Meilen Motorfahrt.
Wir passieren die Fischtrawler, die wir bereits kennen, einige kleinere Containerschiffe, Tanker und viele kleine Schlepper. Hier herrscht richtig viel Verkehr. Nachmittags erreichen wir endlich Domburg. Hier gibt es eine kleine Marina, genauer gesagt eine Handvoll Bojen, einen Dinghysteg und ein kleines Restaurant mit Pool. Wir fischen eine freie Boje und sind einfach froh angekommen zu sein.
Zehn Boote liegen hier im Fluss, die meisten kennen wir schon aus Brasilien. Schnell etabliert sich der Pool als Treffpunkt. Nachmittags ab 16 Uhr finden sich alle, denen der Sinn nach Abkühlung und Gesellschaft steht, im Pool ein. Meistens stehen wir in kleinen Grüppchen im Wasser bis die Sonne untergegangen ist und wir auf ein Bier in die Bar umziehen.
Suriname ist uns auf Anhieb sympathisch. Das liegt nicht zuletzt an Arwin, der uns zum Einklarieren begleitet. Er unterhält sich bereitwillig mit uns, beantwortet unsere Fragen, fährt Umwege, um uns interessante Gebäude zu zeigen, und hilft uns beim Kauf einer SIM Karte. Die Häuser sind bunt, viele Gärten liebevoll gepflegt. Mangobäume und Lotusblüten am Wegrand - neben südamerikanischem Müll. Hinduistische Tempel, Synagogen, Moscheen und Kirchen. Verzierte Zäune, abenteuerliche Hauskonstruktionen und wunderschöne Holzhäuser.
Eine bunte Mischung
Wir fühlen uns an Indonesien erinnert, in Südamerika, mit holländischer Sprache. Suriname ist das kleinste Land Südamerikas und seit 1975 unabhängig. Niederländisch ist Amtssprache, außerdem sprechen fast alle Bewohner Sranan-Tongo, eine Kreolsprache. Ein Drittel der nur 600 000 Einwohner haben afrikanische Wurzeln, ihre Vorfahren kamen als Sklaven nach Suriname. Später folgten Inder und Javaner als Arbeitskräfte. Wie in Französisch Guayana sind die Supermärkte in chinesischer Hand, das Baugewerbe wird von indischen Familien dominiert. Die gemischte Bevölkerung hat nicht zu einer religiösen Vielfalt, sondern auch zu einer kulinarischen geführt. Roti, Bami, Saté und Poffertjes sind typisch surinamische Gerichte. Trotz (oder wegen?) seiner Einwanderungsgeschichte, ist Suriname heute ein Auswanderungsland. 30 Prozent der Bevölkerung sucht sein Glück im Ausland.
Wir sehen uns zunächst die Hauptstadt Paramaribo an. Die weißen Holzhäuser mit ihren grünen Fensterläden gefallen uns sehr. Die meisten von ihnen sind in sehr gutem Zustand, was sicherlich auch daran liegt, dass die Regierungsstellen viele der alten Häuser bewohnen.
Zusammen erkunden wir das Land
In den nächsten Tagen etabliert sich eine holländisch-deutsche Reisegruppe. Gemeinsam mit Anne-Mieke und Gerrit mieten wir ein Auto und erkunden die Umgebung.
Ein kleines Boot bringt uns zur Plantage Fredriksdorp, die heute eine Mischung aus Hotel und Freilichtmuseum ist. Die Plantage wurde im 18. Jahrhundert gegründet und baute Kaffee und Kakao an. Hier machen wir einen Rundgang und genießen ein leckeres Mittagessen.
Wir besuchen eine ehemalige Zuckerfabrik, beziehungsweise die Ruine einer Zuckerfabrik, und baden im colafarbenden Wasser des Cola Creeks. Im Fort Niew Amsterdam sehen wir uns eine Ausstellung über die Geschichte Surinames, die Einwanderungswellen und die Sklavenzeit an und im kleinen Koto-Museum lernen wir die traditionelle Kleidung kennen. Ein absolutes Highlight ist der Schmetterlingspark. Von hier werden Schmetterlinge exportiert. Abnehmer sind Zoos aus der ganzen Welt. Super spannend! Wir bekommen eine Führung und lernen ganz viel über Schmetterlinge, ihre Haltung und über das Schmetterlingsgeschäft, aber auch über Schlangen, Schildkröten und Fledermäuse. Einen weiteren tierischen Höhepunkt bildet das Faultier, das über die Landstraße „rennt“ und sich von Norbert retten lässt.
Wir sind überrascht, wie viele Sehenswürdigkeiten das kleine Land bietet. Außerdem interessiert sich unsere fröhliche Reisegruppe auch für Orte, die nicht auf der klassischen Liste der Sehenswürdigkeiten stehen. Wir sehen uns ein geschlossenes Aluminiumwerk an, besichtigen eine neu eröffnete Reisverladeeinrichtung und wir besuchen die Zentralbank (eigentlich wollten wir nur Geld wechseln). Die fröhlichen Holländer an unserer Seite öffnen viele Türen. Mit anderen Marina-Bewohnern besuchen wir die Fischfabrik, deren Besitzer gerne mal einen Abstecher an die Marina Bar macht. Dort hat er sich überreden lassen, uns eine private Führung zugeben. Das ist spannend, der Fisch wird in die ganze Welt exportiert und wann sieht man schon mal eine Fischwaschmaschine?
Beim nachmittäglichen Pooltreffen ist die Idee entstanden, dass wir nach Bigi Pan fahren. In diesem Naturreservat soll man Ibisse und Flamingos beobachten können. Zu acht machen wir uns auf den Weg in den Westen Surinames, unternehmen eine etwas chaotische Tour, übernachten in einem sehr rustikalen Haus auf Stelzen, sehen viele spannende Vögel und haben eine lustige Zeit zusammen.
Nach drei Wochen in Domburg und vielen Ausflügen wird es Zeit für einen Tapetenwechsel. Unser „floating Village“ löst sich langsam auf. Fünf der verbliebenen sieben Boote wollen Suriname jetzt verlassen. Der Abschied fällt uns allen schwer, wir hatten eine schöne Zeit zusammen und wir werden uns (erst einmal) nicht wieder sehen, planen wir doch ganz unterschiedliche Routen.
Und ab in den Fluss
Wir sind eines der zwei Boote, die noch bleiben und entscheiden uns für eine Flusskreuzfahrt. Schon in Französisch Guayana hat uns der Abstecher in den Regenwald gefallen.
Mit dem Ebbstrom fahren wir den Suriname River hinab, biegen kurz vor der Mündung in den Commewijne River ab und folgen dann dem Cottica River. Wir ankern an verschiedenen Plätzen in den Flüssen, doch die Suche nach einem Ankerplatz gestaltet sich schwieriger als angenommen. Der Flusslauf wird bald schmaler ist aber sehr tief. Wir trauen uns nicht mitten im Cottica River zu ankern, hier soll es gelegentlich Schiffsverkehr geben. Zusätzlich suchen wir einen schönen Platz mit artenreicher Vegetation und vielen Tieren. Nachts hören wir unsere Ankerkette über den steinigen Grund schleifen. Abends sehen wir sehr viele Papageien. Paarweise fliegen sie zu ihren Schlafbäumen und schnattern ununterbrochen. Sehr romantisch wie mindestens hundert Paare dicht zusammen über den Fluss fliegen.
Am nächsten Morgen biegen wir in den Perica River ab. Als ein umgefallener Baum die Hälfte der Durchfahrt versperrt, sind wir sicher, dass es hier keinen Schiffsverkehr gibt. So einen Platz haben wir gesucht. Wir genießen das Mitten-im-Wald-Gefühl. Die Stille, die Geräusche der Insekten, die bunten Schmetterlinge, die vielen Vögel und gelegentlich ein Affe. Nachts sitzen wir unter dem Moskitonetz, lauschen den fremden Geräuschen und beobachten die Glühwürmchen. Am nächsten Morgen erleben wir die schönste Affenbegegnung unserer Reise. Das charakteristische Schütteln der Bäume kündigt Affenbesuch an. Eine Affenfamilie frühstückt auf den Bäumen neben unserem Boot, über eine Stunde lang beobachten wir sie und sie uns.
An unserem Traumplatz wird es uns bald zu heiß und wir suchen uns einen Ankerplatz mit mehr Wind. Die Geier kreisen, Reiher begleiten uns, Bussarde halten nach Beute Ausschau. Auch hier gibt es viel zu sehen. Die Flussfahrt hat sich gelohnt.
Zurück an der Marina lernen wir, „Mexican Train Dominos“ zu spielen. und sind damit perfekt vorbereitet auf die Weiterreise zu den Kleinen Antillen. Wir machen noch einige Einkäufe, nutzen ausgiebig die Möglichkeit des nahezu unbegrenzten Frischwassers am Dinghysteg und erledigen kleine Bootsarbeiten. Auch dieser normale Bootsalltag bietet immer wieder Überraschungen: Ein Schwimmwettbewerb findet neben unserem Boot statt und eine Taufzeremonie im Pool der Marina.
Schließlich ist es so weit, mit ablaufendem Wasser geht es vorbei an Paramaribo und hinaus aufs Meer. Delfine begleiten uns in der Flussmündung und sorgen für einen schönen Auftakt der Überfahrt nach Grenada, die anstrengend und ereignisreich wird. Doch das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Text: Inga Hinrichsen
Fotos: Norbert Damm
www.sy-marisol.net