Seit drei Jahren sind Wiebke und Ralf Gerking mit ihrer SY Flora, einer Hallberg-Rassy 43 MK II, unterwegs. Von Griechenland ging es damals durchs Mittelmeer und dann über den Atlantik. Die Bahamas und dort besonders ein kleiner versteckter Fleck im weiten Türkis waren eines ihrer Lieblingsziele, bevor sie den nächsten Ozean ansteuerten. Eine Faszination in Blau.
Was für ein Abschied von den US Virgin Islands. Wir setzen die Passatsegel, gleiten durch den Sund zwischen St. Thomas und Hans-Lollik-Island. Der Inselname erinnert an die bis ins letzte Jahrhundert reichende dänische Geschichte der heute zu den USA gehörenden Inseln. Nach einer bewegten Geschichte wurde 1666 auf St. Thomas der Dannebrog gehisst, die Insel gehörte von nun an als Kolonie Dänisch-Westindien zu Dänemark-Norwegen. 1672 wurde auf St Thomas als erste Insel von dänischen Auswanderern besiedelt. Erst 1917 wurden die Inseln von Dänemark an die USA verkauft, die hier im ersten Weltkrieg einen Flottenstützpunkt benötigten.
Für uns als alte Ostseesegler ist besonders der Export von Zucker und Rho-Rum (“Killdevil” genannt) in die damals zu Dänemark gehörende Stadt Flensburg, wo er verschnitten und gelagert wurde. Über 20 Rum-Häuser soll es zur Blütezeit im 18. Jahrhundert in Flensburg gegeben haben, ein oder zwei gibt es noch heute und so bleibt die heute norddeutsche Stadt dem Rum verbunden (und wir mit ihr).
Ein Katamaran kreuzt uns entgegen, es ist die Vairea mit unseren Schweizer TO-Vereinskameraden Martina und Daniel, von denen wir uns also doch noch winkend und rufend verabschieden können.
Den ganzen Tag und auch die Nacht hindurch haben wir ruhiges Segeln bei achterlichem Wind und nur mäßiger Welle. Wir brauchen die Schoten der Passatbesegelung (backbord Code 0 ausgebaumt, steuerbord Fock ausgebaumt) nicht ein einziges Mal anzufassen.
Am Morgen dann ein Aufreger: unser IridiumGo funktioniert nicht. Unsere gesamte Offshore-Kommunikation läuft darüber: Gribfile-Wetterberichte ebenso wie Positionsmeldungen und Textnachtrichten oder Textmails. Grrr. Als IT-technischer Laie mache ich das einzige, was ich kann. Ich starte das Programm neu. Nichts. Ich checke die Kabelverbindungen zum IridiumGo. Nichts. Ich schalte das IridiumGo aus, indem ich seine Antenne einklappe. Nichts. Häh? Es geht nicht mal aus? Ich trenne es vom Strom. Nichts. Also baue ich es aus, öffne es und nehme die interne Batterie raus. Wieder eingelegt, Neustart: Funktioniert. Große Erleichterung.
Ansonsten segeln wir weiter unter unserer unangetasteten Passatbesegelung. Etmal 159 Seemeilen laut Logge, zusammen mit den 29 von gestern Vormittag haben wir also bisher 188 Seemeilen zurückgelegt.
Die neuen Wetterberichte zeigen immer deutlicher, dass wir auf keinen Fall direkt bis zur US-Ostküste durchgehen können. Ende der Woche soll eine Kaltfront aus dem Norden die Wetterlage ziemlich aufmischen. Wir planen also jetzt etwas konkreter einen Abstecher zu den Bahamas (leider ohne Landgang) und freuen uns darauf. Außerdem keimt etwas Hoffnung auf, vielleicht doch noch ein ganz besonderes Sehnsuchtsziel anlaufen zu können.
Da gibt es noch einen Wunsch
Unser Weg nach Norden Richtung USA hängt ja unter anderem eng damit zusammen, dass wir die Hurrikansaison nicht in der Karibik verbringen wollen. Es ist Ende Mai, der erste tropische Sturm dieser Saison (Arthur) war bereits unter­wegs, andererseits sind für diese Jahreszeit auch noch untypisch viele „Norder“ an der US-Ostküste aktiv, starke Nordwinde, die eigentlich nach Ende April nicht mehr so häufig und so heftig vorkommen sollten. Zum Wochenende ist wieder ein kräftiger Norder angesagt. Norder gegen Golfstrom, das ist ein echtes NoGo. Wir beschäftigen uns wieder einmal ziemlich intensiv mit dem Wetter. Und zwar mit den Prognosen, aber auch live. Das bringt eine Passage fast unweigerlich mit sich.
Wie schon gestern sehen wir auch heute Nacht eine Unmenge wetterleuchtender Blitze über Puerto Rico und Hispaniola, der Insel, die sich die Dominikanische Republik und Haiti teilen. Wir segeln in einiger Entfernung an den Inseln vorbei, um einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu den ausgedehnten Flachwassergebieten nördlich dieser Küsten halten zu können. Die Navidad Bank und insbesondere die Silver Bank sind berüchtigte Schiffsfriedhöfe und sorgen durch den steilen Anstieg des unterseeischen Bodens aus großer Tiefe auch bei mäßigem Seegang schon für ein chaotisches Wellenbild. Aber unser Kurs ist weit genug nördlich gesetzt, wir spüren davon nichts, sondern haben eine ruhige See bei allerdings auch nachlassendem Wind. Nach fast 50 Stunden Passatbesegelung wechseln wir auf Groß und Code 0. Der Wind schralt und nimmt ab, die wahre Windgeschwindigkeit liegt immer wieder unter 10 Knoten, scheinbar aus 110°. Wir pendeln zwischen 4 und 5 Knoten Fahrt, da ist Geduld gefragt. Unser Etmal liegt bei 139 Seemeilen. Uns geht´s gut, wir kommen voran und die Sonne scheint.
Am dritten Tag der Passage genießen wir weiterhin traumhaftes karibisches Segeln, auch wenn der Wind in Stärke und Richtung jetzt etwas mehr variiert. Etmal 160 Seemeilen. Fast kein Schiffsverkehr, nur ein Frachter in der Nacht auf Gegenkurs, er passiert uns in 3 Seemeilen Abstand. Blöd ist nur, dass er auf dem AIS wegen der verbauten Mini-Antenne erst in etwa 6 Seemeilen Entfernung auftaucht, ich muss dringend einen Splitter einbauen oder gleich das AIS tauschen. Das war schon für St. Martin geplant, aber wegen Corona konnten wir die Insel leider nicht anlaufen. Die Lichter des Frachters kann ich aber in der klaren Nacht schon Sehr viel früher erkennen und auch auf dem Radar erscheint er natürlich viel früher, also kein Grund zur Sorge.
Interessant ist, dass wir um uns herum nur tiefblaues Wasser sehen, im wahrsten Sinne übrigens. Auf diesem Törn hatten wir bisher fast nur Tiefen, die das Echolot weit überfordern. Es kann nur bis knapp über 100 Meter präzise anzeigen. In der Spitze waren es über 8 000 Meter Wassertiefe im Puerto Rico Graben.
Nur tiefblaues Wasser heißt auch, dass wir selbst die Turks- und Caicoinseln nicht sehen können, obwohl wir nur in gut 12 Seemeilen Entfernung an ihnen vorbeisegeln. In der Nachterkennen wir allerdings den Lichtschein von Grand Turk und am Tag – da sehen wir ein besonderes Phänomen. Wir biegen gegen Mittag an der Nordspitze der Caicoinseln nach Backbord in die Caicos Passage ab. Südlich der Inseln erstreckt sich über rund 50 Kilometer in Nord-Süd- und in Ost-West-Richtung die nur 2 bis 5 Meter tiefe Caicos Bank. Wohlgemerkt: rundherum ist es überall über 2 000 Meter tief! Über diesem Flachwassergebiet heizt sich die Luft so auf, dass sie schnell aufsteigt und ein imposantes Wolkengebilde entstehen lässt. Das beeindruckendste daran ist aber, dass die Wolken an der Unterseite türkisblau erscheinen, weil das Leuchten des Flachwassers sich an ihnen spiegelt. Ein unglaublicher Anblick.
Kaum zu fassen auch, wie oft ich die ausgeworfene Angel einholen muss. Wirklich alle naselang biegt sie sich und ich darf ein weiteres Mal Sargassum-Seetang vom Haken entfernen. Würde ich ihn nicht wieder in unser Kielwasser werfen, Flora würde inzwischen aussehen wie eines der tanggedeckten Laeso-Häuser. Wer die nicht kennt: unbedingt googlen. Sie scheinen der Phantasie von J.R.R. Tolkien entsprungen zu sein und eigentlich nach Mittelerde zu gehören. Tatsächlich aber haben die Fischer auf der dänischen Kattegat-Insel früher ihre Fachwerk-Häuser mit Seetang gedeckt. Einige wenige dieser Hütten mit dem wulstigen Dach sind noch erhalten. In den Look-Alike-Contest wollen wir mit Flora dann doch nicht einsteigen.
Ein kleiner Punkt im weiten Ozean
Warum wir nun nach West-Süd-Westen abgebogen sind? Weil in gut 100 Seemeilen Entfernung etwas auf uns wartet. Schon seit langer Zeit steckt in meiner elektronischen Seekarte auf dem iPad eine virtuelle Stecknadel. Da geht’s jetzt hin. Noch den Tag Tag heute und die anschließende Nachtfahrt, dann sollten wir da sein. Wir sind sooooo gespannt!
Nach etwas über vier Tagen fällt der Anker am Hogsty Reef ! Der Sehnsuchtsort, die virtuelle Stecknadel, ist erreicht: Zwei unbewohnte Sandflecken auf dem nicht ganz vollständigen Ring eines ansonsten zumeist überspülten Korallenriffes. Drumherum tiefes blaues Wasser, im Inneren der etwa 5 Kilometer breiten und 9 Kilometer langen Lagune ist es dagegen nur 2 bis 7 Meter tief. Es ist genauso, wie es Steven J. Pavlidis in seinem Revierführer beschreibt: „The closest thing that you will find to a true coral atoll in the North Atlantic Ocean“. Ein ziemlich perfektes Korallen-Atoll im Nordatlantik. Eines von nur fünf! Drei davon liegen in Belize, wohin wir gerne im nächsten Winter segeln wollen. Es sind das Glover Reef, das Lighthouse Reef und das Turneffe-Atoll. Die riesige Cay Sal Bank gehört wie das Hogsty Reef zu den Bahamas, liegt aber in deren Südwesten nahe an Kuba und hat als absinkendes Atoll ein Riff, das nicht schnell genug dagegen anwächst und somit zumeist nicht mehr bis an die Oberfläche reicht. Insgesamt also kein Vergleich mit den über 400 Atollen im Pazifik und im Indischen Ozean.
Das flache Riff von Hogsty Reef ist aus der Entfernung kaum auszumachen. Als erstes fallen noch die Reste der beiden großen Schiffswracks auf dem Riff auf. Wir nähern uns von Nordosten und sehen etwas, was zunächst wie ein Schiff in Fahrt wirkt, sich beim Näherkommen und in einem anderen Blickwinkel als ein zusammengefallenes rostiges Überbleibsel eines 1963 im Hurrikan auf dem Riff gestrandeten Frachters entpuppt.
Trotz gut ein Meter hoher See können wir die Brandung auf dem Riff erst spät erkennen. Unser Tiefenmesser zeigt da noch drei Striche an – das Echolot kann keinen Grund finden. Erst etwa 100 Meter vor der Einfahrt ändert sich das, der Grund steigt rapide an und wir ankern in Lee des Sandfleckchens Northwest Cay auf 5 Metern Wassertiefe und sandigem Grund. Die aktuelle Seekarte weist hier ein Leuchtfeuer auf, allerdings ergänzt mit dem Hinweis “Not working 10/07”. Ein Blick auf das halb verfallene Steintürmchen zeigt, das dieses Feuer vermutlich nie wieder leuchten wird. Die Idee in die Lagune einzufahren verwerfen wir. Zwar reicht die Tiefe aus, aber die überall verstreuten Korallenköpfe können wir jetzt am Morgen noch nicht gut erkennen, weil wir die Sonne nicht im Rücken haben und sie noch nicht sehr hoch steht. Außerdem baut sich in der großen Lagune bei den 14 Knoten Wind doch schon wieder eine spürbare Windsee auf.
Traumziel erreicht
Auf früheren Seekarten findet sich für das Hogsty Reef der Name „Les Etoiles“ und so feiern wir diese kleine Sternstunde für uns mit einem französischen Frühstück mit Croissants frisch aus dem Ofen und einer Schale Café au Lait. Danach geht’s in die Koje, noch ein bisschen Schlaf nachholen.
Mit einem breiten Grinsen machen wir uns vom Hogsty Reef aus, über dessen Riff sich die Wellen jetzt doch ordentlich brechen, wieder auf den Weg. Was für ein Geschenk, dieses Juwel ganz für uns allein gehabt zu haben, nach vier Tagen und Nächten Nonstop-Anreise wussten wir es vielleicht auch besonders zu schätzen. Trotzdem, nachdem wir noch ausgiebig im kristallklaren Wasser geschnorchel und gut gegessen haben, ziehen wir den Anker wieder aus dem Sandgrund und machen uns auf zur nächsten Nachtfahrt.
Nach Clarence Town auf Long Island, Bahamas, soll es gehen. Dort wollen wir in der Flying Fish Marina tanken, hauptsächlich deshalb, damit notwendigerweise das Ein- und Ausklarieren in den Bahamas verbunden ist. Das Klarieren würde das Cruising Permit für die USA erleichtern.
Nur – heute ist Samstag. Vielleicht sollten wir uns doch lieber noch einmal nach den Öffnungszeiten erkundigen. Internet haben wir ja leider nicht an Bord, aber über Iridium geht eine Mail an Ken, den Koordinator bei Salty Dawg, gleich mit der Frage verbunden, ob die Übersendung des Permits an die Tankstelle schon erfolgt ist. Schnelle Antwort: Permit ja, Öffnungszeiten: momentan samstags und sonntags geschlossen. Und noch eine zweite Mail kurz danach: Man habe leider eben bemerkt, dass Montag wegen Feiertag auch zu sei.
Na gut, beim Segeln ist Flexibilität gefragt. Einmal mehr disponieren wir um und Kurs auf Conception Island, noch einmal 40 Seemeilen weiter. Unterwegs erfolgt die Absprache mit Ken wegen der Änderung hinsichtlich unseres Tank- und Klarierungsstops. Er ist jetzt für die Ramora Bay Marina auf Harbour Island im Norden von Eleuther geplant. Mittwoch oder Donnerstag, Freitag ist schon wieder Feiertag.
Um 16 Uhr fällt schließlich der Anker in der Rocky Bay auf 4 Metern Wassertiefe vor dem unbewohnten Conception Island. Vor uns liegt ein zwei Kilometer langer traumhafter Sandstrand, unter uns so unverschämt klares Wasser, dass Schnorcheln zum Pflichtprogramm wird.
Es folgt allerdings eine törnplanerische Rolle rückwärts. Die Ramora Bay Marina sieht bei näherer Betrachtung doch, sagen wir mal, schwierig aus. Es gibt zwei Einfahrten. Eine an der Nordküste, nur mit viel Umweg zu erreichen, die dann an dem berüchtigeten Riff „Devils Backbone“ in einer Art und Weise entlangführt, dass der Revierführer ihr und dem Riff nicht nur mehrere Seiten widmet, sondern zudem auch ausführt, dass man unbedingt (jedenfalls die ersten paar Male) einen Lotsen an Bord nehmen sollte. Das Ganze gespickt mit historischen Schiffsunglücken auf diesem Riff und dem Beispiel einer Yacht, deren Besitzer meinte nach dem ersten Mal mit einem Lotsen bei der nächsten Passage keinen mehr zu benötigen (was natürlich übel schief ging).
An der Ostküste gibt es zwischen Eleuthera und Harbour Island. eine zweite Einfahrt. Die sieht auf den ersten Blick gut aus, bis auf den Hinweis auf die starke Strömung in der Seekarte und dem Vermerk „E.N.A.“. Schaut man genauer nach, bedeutet das „Eye Navigation Area“. Gutes Licht und ruhige bis moderate Winde sowie Seegangsbedingungen seien erforderlich, um in diesem Bereich sicher zu navigieren. Hm. Von der Einfahrt bis in den Hafen ginge es auf einer überwiegend unmarkierten bogenförmigen Dreiviertelkreis-Strecke, die uns meistens nur wenige Dezimeter Wasser unter dem Kiel verspricht, zwischen den Riffen hindurch. Schaut man zur Abwechslung in die Sonarcharts von Navionics, würden wir dagegen eine halbmetertiefe Furche in den Grund pflügen müssen. Das Risiko möchten wir dann doch nicht eingehen.
Wohin denn nun?
Mit Helena und Steve von der Amalia diskutieren wir die Möglichkeiten. Wir könnten auch in Nassau oder Freeport den Papierkram erledigen, bräuchten dafür allerdings wieder eine neue Ausnahmegenehmigung. Oder wir verzichten ganz auf den Klarierungsstop, nutzen nur die „Innocent Passage“ durch die Bahamas und fahren direkt in die USA. Je nach Ankunftshafen würde das (laut Salty Dawg) ein nur geringes oder aber sehr hohes Risiko hinsichtlich des Cruising Permits bedeuten.
Letztlich entscheiden wir uns, die 40 Seemeilen wieder zurück nach Süden zur Flying Fish Marina zu segeln, der Wind scheint günstig dafür zu sein und die Erlaubnis für diese Marina haben wir ja schon.
Am Ende heißt das zwar, dass wir quasi auf unserer alten Kurslinie zurücksegeln, obwohl genau dieser Abschnitt der einzige etwas rumpelige auf der insgesamt wunderbar angenehmen Passage von den USVI bis hier in die Bahamas war. Dafür haben wir aber zwei wunderbar ruhige Tage in dieser erneuten Traumbucht verbracht. Noch eine Traumbucht, benutze ich das etwa inflationär?
Na ja, sagen wir mal so: Das Wasser ist hier so klar, dass man vom Anker aus an 30 Metern Ankerkette entlang zum Schiff sehen kann. So durchsichtig, dass wir im Mondlicht bei Windstille die Riffe im Sandgrund in 4,20 Metern Wassertiefe erkennen können. So transparent, dass wir von Deck aus die Kofferfische beobachten können, die an der Ankerkette den Sand wegpusten, um ihre Beute aufzuspüren. Sogar die Haie, die es sich in Floras Schatten auf dem Grund bequem gemacht haben, können wir leicht ausmachen.
Einmal erspähen wir sogar zwei Zitronenhaie (die werden etwa gut 3 Meter lang) und einen Ammenhai (wird über 4 Meter lang) gleichzeitig, aber vor die Kamera kriegen wir sie bisher nur einzeln. Wir schätzen, dass „unsere“ Haie noch nicht ganz ausgewachsen sind.
Außerdem gibt es in der Bucht noch ein vom Boot aus schnorchelnd gut zu erreichendes Riff, an dem wir neben vielen anderen Fischen auch einen imposanten Nassau-Zackenbarsch und mehrere bunte Königin-Drückerfische vor die Linse bekommen.
Den herrlichen hellen Sandstrand vor der leicht hügeligen und grünen Küste dürfen wir ja leider nicht betreten. Obwohl das hier wohl kaum jemand bemerken würde, halten wir uns natürlich daran. Toll anzusehen ist er allemal.
Ein paar Squalls gehen durch und sorgen neben der dramatischen Licht / Schatten-Kulisse auch für das bekannte Fenster auf – Fenster zu Spiel. Fenster zu heißt es auch in der ersten Nacht hier: tatsächlich ein Mückenangriff zur Dämmerung – nach Italien zum ersten Mal wieder. Wir sind verwöhnt.
Früh um 6 Uhr geht’s wieder los, wir sind zum Sonnenaufgang unterwegs, um rechtzeitig in der Flying Fish Marina anzukommen. Aus dem Flachwasser vor Conception Island raus, Segel getrimmt und Angel ausgeworfen. Als ich mich umdrehe, um ins Cockpit zurückzukommen, rauscht sie schon aus. Das ging schnell. Wir versuchen, etwas Fahrt aus dem Schiff zu nehmen, aber die Fock lässt sich nicht einrollen. O.k., da kümmern wir uns dann später drum. Ersteinmal den schönen Tunfisch reinholen, der da so vorschnell angebissen hat. Dann muss er noch auf dem in der Welle schwankenden Achterdeck ausgenommen und filetiert werden, aber auch das bekomme ich inzwischen immer besser hin (selbst vor dem Frühstück).
Der Rest der Fahrt verläuft angenehm ereignislos, Bei etwa 17 Knoten Wind rauschen wir dahin und haben die 40 Seemeilen schon am Mittag hinter uns.
Nur: die Fock lässt sich leider immer noch nicht einrollen. Also muss sie runter und das würden wir gerne vor dem flachen und mit Korallen gespickten Gebiet um die Flying Fish Marina erledigen. Das heißt allerdings, dass wir gegen einen knappen Meter Welle motoren müssen, um die Fock aus der Vorstagsnut auf das Vorschiff herunterzuzerren. Dort wird sie erstmal an der Reling befestigt und wir motoren zur Tankstelle.
Alles anders
Wir sind überrascht, dass wir nicht wie erwartet und von den Salty Dawg angekündigt einklarieren und ausklarieren können beziehungsweise müssen. Die Marinamitarbeiter erkären uns, die Behörden wären informiert und das würde jetzt in Covid-Zeiten so vollkommen ausreichen.
Ob ein Tankbeleg als Ein- und Ausklarierungsnachweis der Bahamas für den Immigration-Officer in den USA wirklich ausreicht? Wir werden sehen, fragen aber vorsichtshalber noch einmal bei Salty Dawg an. Die erste Spontanantwort ist nicht sehr befriedigend, möglicherweise hätten wir uns den Tankstop auch sparen können. Ist aber egal, für eine Passage hatte sich sowieso kein ausreichendes Wetterfenster aufgetan.
Weiter geht’s zum Ankerplatz östlich des Hafens, direkt hinter dem Riff. Er entpuppt sich als mehr mit Felsen durchsetzt als von uns erwartet, aber wir finden einen Sandflecken und der Anker hält sofort. Widmen wir uns also wieder unserem an die Reling gelaschten Vorsegel.
Ob wir durch den Tankstop in Clarence Town nun ausklariert sind oder nie einklariert haben, ist egal.
Nordwärts Richtung USA
Eine nochmalige Rückfrage bei Salty Dawg zeigt, dass in den beiden von uns angestrebten Häfen Beaufort und Norfolk das Cruising Permit auch bei direkter Anreise aus den USVI bisher nie ein Problem war. Gut.
Helena und Steve von der Amalia entnehmen ihrem PredictWind-Wetterbericht, dass morgen ein Wetterfenster für die Passage aufgeht. Nach unserem Bericht von Wetterwelt hätten wir dagegen zwar erst guten Wind, dann aber Montag 35 Knoten auf die Nase. Mal sehen, welche der Entwicklungen sich bewahrheitet. Wir werden morgen jedenfalls erst einmal weiter Richtung Norden gehen, glauben aber nicht, dass das schon der Absprung sein wird.
Für alle Fälle backen wir mal wieder Brot und füllen den Wassertank und die Batterien.
Wir sind uns einig: Das Wetterfenster sieht derzeit nicht nach einer Nonstop-Passage in die USA aus. Die verschiedenen Wettermodelle ergeben ziemlich unterschiedliche Vorhersagen. Aber es sieht zumindest schon mal nach einer guten Passage vorbei an den langgestreckten Inseln Cat Island und Eleuthera hinauf in die Abacos, im Nordosten der Bahamas. Die Inselgruppe bietet zum einen den Vorteil, dass von dort die Strecke hinauf zur Chesapeake Bay am kürzesten ist. Außerdem kennen Wiebke und ich die Inseln von einem Charterurlaub vor 13 Jahren her, damals haben sie uns absolut begeistert. Allerdings sindsie vor nicht allzu langer Zeit von einem Hurrikan schwer getroffen worden. Es ist kaum abzuschätzen, wieviel bereits wiederaufgebaut wurde und wieviel noch immer in Mitleidenschaft gezogen ist. Jedenfalls sind wir sehr gespannt.
Spannend gestaltet sich auch die Besuchsfahrt hinüber zur Amalia, wo wir zum Mahi-Mahi eingeladen sind. Helena hat den unterwegs gefangenen Fisch am Abend in der Pantry noch mal abgespült. Das reicht um Steve schnell von seiner Reinigungsarbeit am Propeller wieder ins Cockpit zu scheuchen, denn sogleich leisten ihm drei Zitronenhaie unter dem Schiff Gesellschaft (und sie wirken ein bisschen aufgeregt). Auch unser Bad fällt dadurch ziemlich kurz aus. Aber: eine gute Stunde später scheinen die nun schon wieder sehr ruhigen Haie gemeinsam unter der Flora nachzuschauen, ob hier nicht auch Fischabfälle entsorgt werden. Verständlich, sehen die beiden Schiffe doch von unten identisch aus.
Diesmal möchte ich die Haie dann doch nicht (wie beim letzten Mal den einzelnen) schnorchelnd fotografieren, lieber halte ich die GoPro ins Wasser und bekomme dadurch ein paar Aufnahmen der drei. Ganz gemütlich ziehen sie ihre Runden. Allerdings haben sie sich noch nicht verzogen, als wir zu zweit auf dem SUP-Board zum Essen hinüber zur Amalia paddeln – das Dinghy ist für die Überfahrt fest verzurrt in den Davits mit Bellybands, festgebändselten Fendern drin und Persenning drüber. Wir geben uns besonders viel Mühe, nicht ins Wasser zu fallen.
Wir brechen erst gegen 9 Uhr auf. Der Wind sollte passen, uns stehen etwa 200 Seemeilen bevor. Bei 6 bis 7 Knoten Fahrt, sollten wir im Laufe des nächsten Tages ankommen.
Zweimal rauscht heute bei uns die Angel aus, beide Male ziehen wir aber einen großen Barrakuda an Bord, fummeln den Haken aus seinem mit beeindruckenden Zähnen bewehrten Maul und werfen ihn wegen der Ciguateragefahr wieder ins Meer.
Steve auf der im Buddyboating parallel zu uns segelnden Amalia hat mehr Glück und fängt einen schönen Thunfisch. Am Abend ist unsere Angel eingeholt, falls wir morgen nicht mehr Glück haben, dürfen wir einmal mehr die Gastfreundschaft auf der Amalia of London genießen. Dann wohl schon in den Abacos.
Und so kommt es auch.
Nach 29 Stunden schönen Segelns und einer Stunde motoren durch die Riffpassage und über das leuchtend türkisfarbene 3 Meter-Flach sind wir bei Marsh Harbour in den Abacos an unserem Ankerplatz angekommen. Wegen der Nordost-Südwest-Ausrichtung der vorgelagerten Cays ist er einer der wenigen hier, die bei dem jetzt herrschenden Südwind guten Schutz bieten. Pittoresk geht allerdings anders.Mit Blick an Land und auch auf den Schrott unter Wasser wird überdeutlich, mit welcher Wucht und welchen Schäden der Hurrikan Dorian 2019 die nördlichen Bahamas verwüstet hat. Es ist herzzerreißend.
Auf die Schönheit des Ankerplatzes kommt es uns allerdings auch nicht so an, daes morgen schon weitergehen soll. Dann folgt der lange Schlag (690 Seemeilen kalkuliert) nach Norfolk am Eingang der Chesapeake Bay.
Das Wetterfenster für die Passage sieht gut aus. Einen Teil der Strecke werden wir wahrscheinlich motoren müssen, aber dafür wird am berüchtigten Kap Hatteras kein widrig gegen den Golfstrom stehender Wind prognostiziert.
Das wollen wir nutzen.
Ralf Gerking (Text und Fotos), www.syflora.blog