Er ist DAS Symboltier für die Folgen des Klimawandels, ergo das Schmelzen des Eises: der Eisbär. Die deutsche Fotografin Melissa Schäfer und der schwedische Produzent Fredrik Granath haben die Eisbären und ihren Lebensraum zu ihremArbeitsschwerpunkt gemacht. Das Paar lebt in Stockholm und mehrere Monate des Jahres in Longyearbyen, dem größten Ort auf der arktischen Inselgruppe Spitzbergen. Diese wurde 1596 vom niederländischen Seefahrer Willem Barents knapp südlich des 80. Nördlichen Breitengrades entdeckt und besteht aus hunderten Inseln. Zwischen 2000 und 3000 Eisbären, und damit ein Zehntel der weltweiten Gesamtpopulation, leben hier, wo die Polarnacht von November bis Februar dauert und die Sonne von April bis August nicht untergeht.
Granath hat seit 2001 als Produzent und Berater für Film- und Fotoprojekte in der Arktis umfangreiche Expertisen für die Arbeit unter Extrembedingungen gesammelt. Vor allem auf Eisbären hat er sich dabei spezialisiert. Gemeinsam mit seiner Partnerin Melissa Schäfer
ist er inzwischen mehrmals im Jahr mit Gästen zu Expeditionskreuzfahrten auf der MS „Freya“ unterwegs.
Zum Fotografieren ziehen Schäfer und Granath aber auch nach wie vor alleine mit Schneemobilen los und übernachten in kleinen Hütten oder auch mal im Zelt – am liebsten im langen arktischen Winter.
Book of the Year
Von allen Reisen bringen sie umfangreiches Bildmaterial mit. Das erschien 2019 in einem gewichtigen, großformatigen Buch in Schweden und erhielt den „Panda Book of the year“-Award des World Wildlife Fund (WWF). Neben einer englischen gibt es nun auch eine deutsche Ausgabe.
Die Hälfte der rund 130 Bilder (die meisten von Melissa Schäfer) zeigt Eisbären oder Spuren von Eisbären wie Tatzenabdrücke oder blutverschmierten Schnee nach dem Fressen. Auch Ringelrobbe, Walross, Polarfuchs, Schwertwal oder Spitzbergen-Rentier werden gezeigt. Und immer wieder die beeindruckenden Eislandschaften Spitzbergens. Viele der Aufnahmen sind brilliant, die Zahl der qualitativ schwachen Ausreißer gering.
Fredrik Granath berichtet in seinen persönlichen (teils etwas pathetischen) Texten von den Expeditionen mit seiner Partnerin auf der Suche nach Eisbären. Auch verrät er in einem guten Maß Wissenswertes über die größten Landraubtiere.
Männliche Eisbären können bis zu drei Meter groß und 700 Kilogramm schwer werden. Ursus maritimus ernährt sich hauptsächlich vonRingelrobben. 19 verschiedene Eisbär-Populationen leben in der Arktis und es gibt drei bevorzugte Gebiete, in denen in Wurfhöhlen meist zwei Jungtiere zur Welt gebracht werden. Bedingt durch den Eisverlust blieben die Geburtshöhlen im König-Karl-Land auf Spitzbergen im Jahr 2019 alle leer.
Wissenschaftler sagen voraus, dass die Arktis in 15 Jahren im Sommer völlig eisfrei sein wird. Das würde die nun schon dramatischen Konsequenzen des Klimawandels für die Eisbären weiter verstärken. „Verlust des Meereises und damit des Lebensraums, Verschlechterung der Physis und damit Rückgang der Fortpflanzungsrate – und der Überlebensrate.“
Granath weist auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse hin und nennt die Quellen dazu. Sehr gut. So entstand ein lohnendes Buch.
Die Mischung aus guter Tierfotografie, Einblicken in die Fotoexpeditionen des Autorenduos auf dem Eis und wissenschaftlichen Fakten soll insgesamt zum Nachdenken anregen. Was kann jeder von uns im Kleinen tun, um etwas gegen den Klimawandeln zu unternehmen? „Wir möchten, dass die Menschen sich mit der Natur und unserem Planeten verbunden fühlen. Denn mit Herzblut kämpfen wir nur für das, was wir lieben“, schreiben Melissa Schäfer und Fredrik Granath. Die Mission ist gelungen!
Stefan Schorr
Melissa Schäfer, Fredrik Granath: „Das Königreich der Eisbären. Die Zukunft der Arktis“. Frederking & Thaler Verlag, ISBN: 978- 3954163175, 49,99 Euro