Für sie vollkommen überraschend und für uns mehr als verdient wurde die zweifache TO-Preisträgerin Susanne Huber-Curphey vom britischen Ocean Cruising Club (OCC) jetzt zum Ehrenmitglied ernannt. Trans-Ocean gratuliert von ganzem Herzen!
Momentan ist die unermüdliche Solo-Weltumseglerin im Atlantik unterwegs. Zurzeit steuert sie die Azoren an und berichtet währenddessen von ihrem letzten Highlight, der abgelegenen Insel St. Helena:
Strahlender Sonnenschein, tiefblaues Meer und vereinzelte Schäfchenwolken sind nun fast selbstverständlich, denn der Passat im Südatlantik ist der beständigste der Welt. Wirklich einmalig ist jedoch, dass es die Geißel der Hurrikans hier nicht gibt, kein anderes tropisches Meer der Welt wird vom Wettergott so verwöhnt.
Wir segeln Kurs Nordwest in Richtung Äquator, etwas über Tausend Seemeilen voraus. Nehaj rauscht mit voller Besegelung von Großsegel und ausgebaumter Genua im beständigen Südostwind, dabei torkelt sie ein wenig im Schwell und manchmal schlägt das Groß, wenn der Wind etwas schwächer wird. Es sind geschenkte Meilen und ich weiß es zu schätzen, denn der zweite Teil dieser Reise wird volle zweitausend Meilen lang hoch am Wind verlaufen. Unter diesen idealen Bedingungen könnte ich King Neptun bereits in einer Woche an der Null-Linie zum dreizehnten Mal treffen.
Auf der Atlantik-Seekarte liegt der jetzige Kurs nur wenige Millimeter entfernt von den drei vergangenen Linien hoch zum Äquator und weiter zu den Azoren. Ich kann es kaum glauben, dass eine davon erst vor zwei Jahren war. Damals kämpfte sich die schwer verletzte Nehaj mit dem eingedrückten Rumpf tapfer bis nach Europa, wo 'Koopmans Kaskos' in Rekordzeit und absoluter Perfektion neun Spanten und fünf Quadratmeter Aluminium unter der Wasserlinie komplett erneuerten und ihr das zweite Leben gab.
Bei meiner Abfahrt am Montagnachmittag herrschte Bilderbuchwetter und tatsächlich hat es auch zu Beginn dieser Reise wieder ein wenig gekribbelt. Es ist dieses eigenartige Gefühl in der Realität zu träumen und die Schmetterlinge im Bauch zu spüren. Bei all den Abschiedsumarmungen hätte ich am Ende beinahe vergessen, mich beim Zoll abzumelden und den Zettel der 'Clearance for the next Port' zu bekommen. Port Captain Steve hatte ohnehin gescherzt, dass er mich nicht lossegeln lassen wird. Als mich das tiefe Wasser begrüßte bat ich Neptun um eine gute Reise. Natürlich mit dem edlen Tropfen, der auf St. Helena angebautem Kaffee destilliert wird. Aber keine Sorge, im Fläschchen vom 'Spirt Of The Saints' sind nur 200 ml.
Nach fast drei Monaten in St. Helena hatte ich fast vergessen, dass wir noch immer in einer Pandemie leben. Auf dieser Insel gibt keine Masken und keinerlei Einschränkungen im täglichen Leben, allerdings wird bei der Einreise die Quarantäne strikt gehandhabt. Einmal im Monat kommt der Flieger aus London und das Versorgungsschiff aus Kapstadt, aber außer den Seglern gibt es keine Besucher. Einreisende Yachten wurden jeweils am Donnerstag mit einem Schnelltest eingecheckt, wenn blau vermummte Personen zu uns rauskamen. Zweimal gab es wegen der kurzen Seestrecke aus Namibia ein positives Ergebnis, deshalb mussten diese Crews 'unter gelber Flagge' zehn Tage lang an Bord bleiben.
Man könnte seitenlang über diese außergewöhnliche und weit abgelegene Insel schreiben. Die unglaubliche Herzlichkeit der Menschen besticht insbesondere in Corona-Zeiten, wo an manchen Orten Segler mit Steinen beworfen wurden und in sehr vielen Ländern der Welt nicht willkommen sind.
Die Insel wurde erst vor 520 Jahren von den Portugiesen entdeckt, wo sie einen sicheren Ankerplatz und fruchtbare grüne Täler aber keine Menschen vorfanden. Bald darauf wurde St. Helena zum Zankapfel der Nationen, weil es bis zum Bau des Suezkanal der ideale Platz für die Versorgung von Schiffen mit Wasser, Gemüse und den mittlerweile verwilderten Haustieren war. Mal haben die Holländer, dann wieder die Engländer die Insel eingenommen und noch heute zeugen die vielen Wehranlagen von der lebhaften Geschichte. Napoléon wurde dorthin verbannt und Generationen von Sträflingen und Sklaven wurden zur Insel gebracht. Geht man heute durch den Ort Jamestown, wird man schnell merken, wie herzlich die Stimmung dieser Menschen in den unterschiedlichsten Hautfarben ist, sie nennen sich 'Saints'. Man sieht sich immer in die Augen und jeder grüßt jeden, natürlich auch oft mit einer Umarmung.
Neben vier guten Tagen einer Tour ins grüne und fruchtbare Innere der Insel hat mich vor allem das Schwimmen mit den 'Whale Sharks' beeindruckt. Diese bis zu 18 Meter langen Giganten kommen jedes Jahr im Februar nach St. Helena. Vor der Ostküste gibt es im tiefen Wasser eine steile vulkanische Felsnadel, die oben in zehn Meter Tiefe ein kleines Riff bildet. Dort kreisen diese Haie stundenlang zwischen 20 Metern Tiefe und der Wasseroberfläche, um im aufsteigenden nährstoffreichen Wasser Plankton zu fressen. Von den gelegentlichen Schwimmern lassen sich gar nicht stören und sind nicht aggressiv.
Jonny ist einer der Männer, die das kleine Fährboot steuern, um Segler von ihren Booten an Land und später wieder zurückzubringen. Er besitzt ein Ausflugsboot und gelegentlich bietet er kleine Touren an. Einmal hatte er eine ganze Schulklasse an Bord und lud mich zu dieser 'Whale Shark Tour' ein. Flugs wurde ich zur Aufsichtsperson befördert und hielt ein Auge auf die Kinder, die jeweils in kleinen Gruppen im Wasser waren, um diese größten Fische der Welt zu bestaunen. Während die Kinder wechselten, durfte ich im Wasser bleiben und hatte deshalb volle zwei Stunden mit den Haien.
Als einige dieser Giganten knapp unter mir langsam vorbei zogen musste ich zur Seite schwimmen und hätte mühelos die riesige vertikale Schwanzflosse berühren können. Für mich war diese Zeit im lauwarmen und glasklaren Wasser ein einmaliges Ereignis. Als Nebendarsteller sah ich einige Thunfische, gewaltige Rochen und eine Schildkröte. Auf der Rückfahrt musste ich recht energisch darauf bestehen, dass Jonny wenigstens ein Trinkgeld akzeptierte.
Bei jeder Tour an Land mit dem Fährboot füllte ich zwei kleine Kanister mit Trinkwasser, denn im Lee der Insel gibt es so gut wie keinen Regen, den ich auffangen konnte. Viele 'Saints' trinken das Leitungswasser nicht, aber für mich war dieser Wasserhahn an der Pier ein Segen. Als ich das erwähnte, wurde mir geantwortet, es sei wohl das einzige auf der Insel das nichts kostet. Es stimmt, die Kosten für Lebensmittel und allem anderen, was importiert wird, sind wegen der langen Anlieferungsdistanz sehr hoch und die Löhne relativ gering.
Dennoch hatte ich manchmal den Eindruck meine St. Helena-Pfund kaum loszuwerden. Die beiden langen Tagestouren mit einem Freund konnte ich kaum kompensieren, meine dritte Impfung war kostenlos und die Konsultation beim Inselzahnarzt schlug mit 3,60 £ zu buche. Die Gebühr, zwischen den zwei enorm schweren Bojen sicher zu liegen, war moderat und auf der Insel gekelterter Wein ist billiger als jeder Import.
Diese insgesamt 20 Moorings waren während meiner Zeit nie komplett belegt und alle Yachten, die ich traf, kamen aus Südafrika. Viele davon hatten auf ihrer Weltumsegelung in Coronazeiten erschwerte Bedingungen und oft besonders lange Segelstrecken, um ein Land zu finden, in das sie einreisen durften. Am Morgen des 24. Februars war ich gemeinsam mit Seglern von Booten unter russischer und unter ukrainischer Flagge im Fährboot, es war eine eigenartige Situation und die Stimmung war zum Schneiden. Schließlich sagte Einhandsegler Igor, dass dies 'gute Russen' seien und alle lachten, hier hatte die friedliche Inselstimmung gesiegt.
Es ist mir klar, dass viele von Euch denken ich hätte nicht alle Tassen im Schrank und bei mir sei eine Schraube locker. Beides stimmt, aber auf St. Helena gab es gute Abhilfe. Im kleinen Museum kaufte ich eine Tasse mit dem Aufdruck 'I had a whale of a time in St. Helena' und der Zahnarzt konnte in seiner Minipraxis mit Erfindungsgeist die sich gelockerte winzige Schraube im neuen Zahnimplantat wieder fest drehen. Den passenden kleinen 'Torx'-Schraubendreher werde ich bei nächster Gelegenheit in meine Werkzeugkiste ergänzen.
Nach den letzten Wochen mit intensiven Hören und Sehen der Nachrichten ist jetzt Funkstille, denn ich kann die BBC auf Kurzwelle nicht empfangen und das Radioprogramm der 'Deutsche Welle' sendet schon seit Jahren nicht mehr.
Also hoffe ich für uns alle, dass es bei meiner Ankunft eine bessere Welt ist.
Mit lieben Grüßen aus dem Südatlantik,
Nehaj und Susanne
Spätestens durch ihre Ehrenmitgliedschaft im OCC gehört Susanne Huber-Curphey nun zum engen Kreis ganz besonderer Segler wie Sir Robin Knox-Johnson oder Jon Sanders, Les Powels und J. Cunnane, die ebenfalls Ehrenmitglieder des Ocean Cruising Clubs sind.
Daria Blackwell, Vice Commodore des OCC, schickte folgende Worte an unser TO-Mitglied auf See:
„Susanne, you join an accomplished group of distance sailors recognised for their extraordinary achievements and embodiment of the OCC ethos. Your bio will be posted on the OCC website.“
Die Ehrenmitglieder des OCC sind hier aufgeführt. Susanne Huber-Curpheys Biografie wird noch eingefügt.