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Reisebericht

Italien - Einmal alles, bitte!



Italien - Einmal alles, bitte!

15. Januar 2022
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Auf der Landkarte ähnelt Italien verblüffend einem Cowboystiefel mit langen Küsten auf der West-, Ost- und Südseite, wobei man überaschenderweise über die südliche Landeshälfte wenig Segelbeschreibungen findet. Der italienische Stiefel wird im Zuge von Yachtüberstellungen meist mit nur zwei bis drei Zwischenstopps umsegelt. Auch wir hatten in den letzten Jahren auf unserem  Weg von  Kroatien nach Griechenland und umgekehrt nur Kurzstopps in Apulien eingelegt.

Jedes Mal waren wir aber von dem nostalgisch wirkenden süditalienischen Flair begeistert: Gemütliche alte Stadthäfen, eindrucksvolle Landschaften, wenig internationale Touristen, meist italienische Besucher und ein wirklich gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. So nahmen wir uns jedes Mal vor, wiederzukommen. Im Herbst 2018 war es dann soweit: Wir segelten mit unserem Katamaran Doucema (Lagoon 380) von der Insel Murter in Kroatien nach Apulien und retour. Doch wir hatten immer noch nicht genug von der traumhaften Gegend. Deswegen ging es im Herbst 2019 von Kroatien aus wieder in die italienische Südadria, nach Brindisi, und von dort aus weiter um den italienischen Stiefel nach Sardinien.

Der Herbst ist eine sehr gute Reisezeit, das Wasser ist noch warm und das Wetter recht stabil. Zudem ist die Touristensaison ab September vorbei. Die vornehmlich italienischen Touristen sind abgereist - nicht ganz verständlich, ist doch die Witterung im Herbst bis Oktober noch zumindest spätsommerlich.

Windtechnisch sind die einzelnen Etappen der Reise sehr unterschiedlich. In der Adria hatten wir Tramontana (Nordwind) Perioden mit 2 bis 6 Beaufort, wechselnd mit Schirokko (Südwind), der störungsbedingt auch stürmisch wurde (bis 9 Beaufort). An der Stiefelsohle, im Ionischen Meer, konnte der Wind sehr heftig werden; sowohl bei Nordwest also auch bei Südlagen erzeugt die Topografie regional sehr heftige und böige Fallwinde im Lee der Bergketten. Das Tyrrhenische Meer haben wir als eher windschwach erlebt.

Charteryachten findet man am Weg nur wenige, einige dann im Raum der Liparischen Inseln und Capri. So sind die Häfen nicht wirklich auf Besucheryachten eingerichtet und auch gut geschützte Ankerplätze sind rar bis nicht existent. Somit entfällt das Buchthüpfen, wie man es zum Beispiel von Kroatien kennt. Aber es wäre nicht Italien, wenn man nicht in vollen Häfen noch ein Platzerl (auch für den Katamaran) finden würde. Es empfiehlt sich aber trotzdem, vor allem bei angekündigtem Schlechtwetter zu reservieren. 

Da man sich nicht auf die Englischkenntnisse der Italiener verlassen kann - diese reichen von Null bis exzellent – sollte man sich ein paar relevante Sätze auf Italienisch aneignen.

Generell besteht diese Route aus drei Teilen (Ost-, Süd- und Westküste), die alle drei sehr verschieden sind. Für alle aber gilt, dass sie großartige Reiseziele darstellen. Landausflüge sind ein Muss, am besten mit Mietauto und/oder Fahrrad. Auch die größeren Städte, wie etwa Manfredonia, Bari, Brindisi haben Flair und eignen sich perfekt sowohl zum Verproviantieren als auch als Basis für Exkursionen mit einem Mietwagen.

Adria – Italienische Ostküste

Die Tremiti Inseln zu besuchen ist ein oft geäußerter Wunsch. So haben wir, nachdem wir in Kroatien auf der Insel Vis ausklariert hatten, Kurs Südost auf die 65 Seemeilen entfernten Inseln genommen. Sie liegen etwas abseits und es gibt nicht allzu viel Information über sie. Ihnen wird nachgesagt, sie seien ein nicht ganz einfaches Revier mit eher schlechten Ankerplätzen (tief, felsig). Trotzdem war es verwunderlich, dass eine italienische Yacht und wir die einzigen zwei Besucherboote waren. Aufgrund des Mangels an guten Ankerplätzen kam es nicht ungelegen, dass wir nördlich der Insel San Niocola ein Bojenfeld vorfanden, in dem wir gegen die Südostwinde geschützt liegen konnten. Von dort erkundeten wir die nördlichen Inseln mit dem Beiboot. Später verlegten wir uns - nachdem der Wind gedreht hatte und ruppig wurde - auf die Südostseite der Isola San Domino. Unser Fazit: großartige Landschaft mit einer wilden, fesselnden Felslandschaft (gelber Sandstein - roter Kalk). Unterwasser dürfte es ähnlich sein und so sind die Inseln auch ein beliebtes Tauchziel.  

Unsere Reise ging weiter entlang der abwechslungsreichen Küste der Halbinsel Gargano: helle Steilküsten, grüne Wälder, Höhlen und Grotten. Leider fehlten genaue Karten und der Wind war auflandig, so konnten wir uns nicht in eine der nach Süden offenen Traumbuchten zurückziehen.

Unser nächster Stopp Manfredonia erwies sich als perfekter Ausgangspunkt, um das Landesinnere von Nordapulien zu bereisen. Dort wurden wir vom Trans-Ocean Stützpunktleiter Luigi Olivieri bestens unterstützt. Wir hatten uns schon eine Woche vorher bei ihm gemeldet und ab diesem Zeitpunkt half er uns großartig bei der Liegeplatzsuche, dem Einkauf, der Organisation eines (günstigen) Mietautos, der Anmeldung in Marinas für die Weiterreise und vielem mehr. Danke Luigi!

Wir mieteten in Manfredonia einen kleinen Fiat und fuhren damit in alle möglichen Ecken in der Gegend. Beeindruckende Highlights waren das Castell del Monte und der ‚Mega‘ Wallfahrtsort San Giovanni Rotondo mit seiner gewaltigen Kirche San Pio da Pietrelcina des Architekten Renzo Piano - ein architektonischer Leckerbissen. 

Auf unserer Weiterreise nach Süden besuchten wir eine Reihe wunderbarer Häfen und Hafenstädtchen, die saisonunabhängig vor italienischem Leben strotzten. Unsere vier Favoriten waren: Trani, mit der großen, aber schlicht bestechenden Kathedrale und dem abendlichen Fischmarkt am Stadthafen; Polignano, die Künstlerstadt über den Felsen; Monopoli, mit seiner wunderbar restaurierten Altstadt und unserem Liegeplatz an der Molo Margherita und letztendlich Otranto, das Tor zum Ionischen Meer, zwar etwas touristisch, aber mit einem wunderbaren Kastell und einer Abendpromenade mit Flair. Wir liefen wetterbedingt auch die Städte Bari (empfehle die Marina Ranieri www.ranieri-bari.com) und Brindisi an. Von beiden kann man sehr gut das Landesinnere des südlichen Apuliens beziehungsweise östlichen Kalabriens besuchen. Die dort gelegene Felshöhlenstadt Matera ist gewaltig und ein Leckerbissen für Fotografen. Wer solche Höhlen etwas stiller, jedoch kleiner, erleben will, dem sei ein Besuch in Massafra empfohlen. Unbedingt sollte man auch die klassischen Touristenorte des Trulli Tales (Cisternino, Longorotondo oder Alberobello) besuchen.

Ionisches Meer – Italienische Südküste

Die kalabrische Südküste, die Sohle und der Absatz des italienischen Stiefels, wurde ihrem schlechten Ruf gerecht und wir hatten zwei Frontdurchgänge abzuwettern. So haben wir diese wilde Gegend etwas zügiger bereist, auch um mehr Zeit für die Liparischen Inseln zu haben. Unser erster Stopp war in Santa Maria di Leuca - nicht nur geografisch ein Meilenstein. Der gewaltige Leuchtturm hoch oben neben dem Kloster am Berg, die monumentalen, leicht verfallenen Fels-Kaskadenstiege und leider auch all die Bootswracks im Hafen (konfiszierte Yachten) erzeugen eine etwas eigenwillige Atmosphäre in diesem Ort.

Eine angesagte Schlechtwetterperiode ließ uns früh am Morgen von Santa Maria di Leuca über den Golf von Tarent nach Crotone starten, wo man bei westlichen Winden sicherer liegt. In älteren Beschreibungen wird von einem Besuch dort vor allem aus Sicherheits- und Sauberkeitsgründen abgeraten. Diese Stadt hat uns aber positiv überrascht - der Yachting Kroton Club (www.YKC.it) nahm uns freundlichst auf, die Anlagen waren modern und sauber. Ebenso war auch die Stadt sauber, freundlich und teils frisch renoviert. Wieder ging es mit einem Mietwagen ins Landesinnere, das uns mit anmutig hügeligem bis wild romantisch, bergigem Terrain überraschte und wo wir uns plötzlich in einem Skiressort auf 1500 Metern Höhe wiederfanden.

Die Überquerung des Golfs von Squillace von Crotone nach Rocella Ionica wurde fordernd. Der italienische Wetterbericht lag leider richtig und der Wind drehte planmäßig von Nord nach West und legte zu - so wurde es eine recht ruppige und nasse Fahrt. Danach nutzten wir eine Windpause, um in Lee von Cap Spartivento vor der Ortschaft Galati zu ankern und von dort am nächsten Morgen zur perfekten Zeit die Durchfahrt durch die Straße von Messina zu starten. So flogen wir am nächsten Tag mit 10 Knoten über Grund durch den Stretto di Messina. Bei der Ausfahrt erwischte uns allerdings die nächste Gewitterfront. Unser geplanter Stopp in Scilla fiel deshalb aus und wir suchten weiter im Norden Schutz. Der Segelklub von Porto di Palmi (www.costaviolayachtclub.it) nahm uns sehr freundlich auf, obwohl nur wenig Platz war.

Tyrrenisches Meer – italienische Westküste

Nach zwei Tagen in Porto di Palmi beruhigte sich das Wetter und unter Spinnaker ging es bei Sonnenschein zu den Liparischen Inseln. Schon von weitem erkennt man die charakteristischen Vulkankegel als Silhouette der Inseln. Dort trafen wir das erste Mal wieder auf Urlaubsyachten, die meist von Sizilien herüber gesegelt waren. Trotz Nachsaison waren die Buchten teils gut belegt, aber bei weitem nicht voll. Wir blieben fast eine Woche in diesem beeindruckenden Inselrevier. Eines unserer Highlights war sicher die Besteigung des Vulkankraters auf der Insel Vulcano. Es lohnt sich zeitig aufzubrechen, um die Stille und die Fernsicht mit der klaren Morgenluft zu genießen. 
Unser nächstes Ziel war die Insel Capri. Gleich vorweg: Capri ist anders, eine Diva - schön, teuer, begehrt und sehenswert. Die absoluten Highlights waren die Inselrundfahrt mit unserem Schiff, das abendliche Schlendern durch das Städtchen Anacapri, der Besuch des Axel Munthe Hauses und die Fahrt mit dem Sessellift auf den Monte Solaro mit einer grandiosen Aussicht … so blieben wir drei Tage. Das hatte allerdings alles seinen Preis - so zahlten wir für einen Kaffee mehr als für die Pizza in Palmi und die Marinagebühr machte das Vierfache des regional üblichen Preises aus. Nach dem Trubel in Capri, ließen wir die zweite Berühmtheit der Gegend, die Insel Ischia, unbesucht und segelten stattdessen zur Insel Procida. Diese war die perfekte Alternative - wir ankerten allein südlich der pittoresken bunten Altstadt mit den Kirchen und dem gewaltigen Kastell. Was für ein Unterschied zum so nahe gelegenen Capri: relaxed, keine Touristen, freundlich und italienisch. Gut verständlich, dass in diesem Städtchen der Film ‚Der talentierte Mr. Ripley‘ mit Matt Damon gedreht wurde. Ein Abendessen am Kai bildete den Abschluss unserer Reise um den italienischen Stiefel und am nächsten Tag setzten wir Segel in Richtung Sardinien.

Zum Abschluss eine italienische Geschichte:

Wir melden uns per WhatsApp bei einem Segelclub an - in der Karte sehen wir im Hafen zwei Steganlagen, eine im Westen, eine im Osten - ich frage beim Segelclub nach, welche Steganlage wir anlaufen sollen. Antwort: „Fahre einfach in den Hafen, dann wirst du schon sehen.“ Wir fahren hinein und sehen sowohl im Westen als auch im Osten einen Segelclub??? Wir entscheiden uns nach dem Zufallsprinzip für den östlichen Club und fahren hin - dort winkt uns auch schon freundlich ein auf uns wartender Marinero zu - also, wo lag unser Problem?

Gerald Winkler (Text und Fotos)
 


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  Kommentare

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sehr schöner Bericht, sehr schöne Fotos, vielen Dank
Ingrid Hoffmann

super

By Gert Hoffmann on 04.02.2022 09:42:41

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