Im vergangenen Jahr sind wir, Rebecca und Sönke Weisner, unsere Tochter Lea (7) und unser 11 Jahre alter Weimeraner Rüde, mit unserer 55-Fuß-Yacht Pamina zur gemeinsamen Weltumsegelung aufgebrochen. Start war in Heiligenhafen, von dort aus ging es nach Teneriffa und dann Ende Januar über den Atlantik in die Karibik. Unser erstes Ziel war dort die Insel St. Lucia. Seitdem erkunden wir die Windward Islands und sind insbesondere in dem paradiesischen Sankt Vincent und die Grenadinen unterwegs. Insgesamt haben wir für unsere Reise, die uns Ende Mai in den Pazifik führen soll, zwei bis drei Jahre Zeit. In der Regel begleiten uns auch immer noch ein bis zwei Freunde auf den einzelnen Etappen. Zurzeit ist Julia Hirt noch mit an Bord auf unserer Reise Richtung Panama und in den Pazifik.
Am 9. April lagen wir in der traumhaft schönen Blue Lagoon im äußersten Süden von St. Vincent am Steg der dortigen Marina. Geplant war, dass ich am 10. April für eine Woche über Barbados und London nach Hamburg fliegen sollte. Der weibliche Teil der Crew wollte an Bord bleiben und das Schiff verproviantieren und für den Trip nach Panama klarieren. Dazu muss neben der normalen Prozedur des Auscheckens des Schiffes insbesondere auch unser Hund Charly der Amtstierärztin vorgestellt werden, um ein offizielles Gesundheitszertifikat zu erhalten, das dann auf der nächsten Insel gebraucht wird.
Die Berichte über die zunehmende Aktivität des La Soufrière hatten wir schon bei unserem ersten Besuch in St. Vincent Anfang März erhalten. Aber zu der Zeit schien niemand wirklich besorgt zu sein. Man rechnete zwar mit einem Ausbruch, aber die älteren Einheimischen berichteten, dass beim letzten Ausbruch 1979 zwischen den ersten Anzeichen und Aktivitäten bis zum eigentlichen Ausbruch Monate vergangen wären. Also waren wir nicht allzu besorgt und haben eine längere Zeit in der Blue Lagoon verbracht.
Als wir jetzt am Dienstag, den 6. April, wieder in der Blue Lagoon ankamen, war eine deutlich höhere Anspannung zu bemerken. Die Insel war mittlerweile von der Regierung in drei Zonen (rot, gelb, grün) aufgeteilt worden und mit dem Ausbruch wurde in der näheren Zeit gerechnet. Trotzdem und nach Rücksprache mit den lokalen Behörden hatte ich meine Flüge gebucht und am Mittwoch meinen Ausreise-Covid-Test gemacht. Danach war Daumendrücken angesagt.
Am Donnerstagnachmittag wurde es dann urplötzlich richtig hektisch in der Marina. Etliche Schiffe verließen die Marina. Mit dem Ausbruch wurde auf einmal innerhalb der nächsten Stunden gerechnet und so passierte es dann auch.
Plötzlich war eine riesige Aschewolke zu sehen und wir bekamen Bilder von befreundeten Yachten vom Ausbruch zugeschickt. In der Marina wurden der Betrieb eingestellt und die Restaurants geschlossen. Zeitgleich hatte die Evakuierung der roten Zone begonnen.
Hierzu wurden auch einige Kreuzfahrtschiffe eingesetzt. Die meisten Yachten haben sich zunächst auf die nächste Insel nach Bequia verlegt. Wir hatten kurzzeitig überlegt, nach Barbados zu segeln, damit ich dort meinen Flug nach London erreichen könnte. Die Idee haben wir dann aber zum Glück verworfen – 100 Meilen gegenan waren nicht besonders reizvoll. Zumal dann später der Flughafen in Barbados zeitgleich mit dem auf St. Vincent geschlossen wurde.
Donnerstagnacht und Freitag tagsüber passierte zunächst nicht viel, außer dass sich der Himmel immer mehr verdunkelte und einige völlig mit Lavaasche bedeckte Schiff aus dem Norden reinkamen. Interessant war auch, dass plötzlich das Wasser aus den Wasserhähnen braun verfärbt und nicht mehr genießbar war.
Wir haben dann lange hin und her überlegt und uns entschieden, die Lagune noch bei Tageslicht zu verlassen. Ohne einen lokalen Guide ist das während der Nacht wirklich nicht zu empfehlen. Obwohl die Flughäfen auf St. Vincent und auch auf den Nachbarinseln mittlerweile ihren Betrieb eingestellt hatten, wollten wir uns eine Restchance erhalten, dass ich am Sonnabendmorgen mein Flugzeug bekommen könnte. Wir entschieden uns daher, an eine Mooring außerhalb der Lagune zwischen St. Vincent und Young Island zu gehen. In der Nacht begann dann der starke Ascheregen und die Luft war so von Asche geschwängert, dass man kaum atmen konnte. Aus den Aschewolken entluden sich so viele Blitze, wie wir es vorher noch nie erlebt hatten. Während der Nacht nahm der Ascheregen an Dichte und Heftigkeit immer weiter zu. Wie schon erwartet wurden nun offiziell alle Flüge storniert.
Am nächsten Morgen war das gesamte Boot von einer 10 Zentimeter dicken Ascheschicht bedeckt und auch im Schiff hatte sich überall Asche breitgemacht. Wir haben zunächst versucht, das Schiff sauberzumachen, doch war das völlig aussichtslos, da die Asche schneller vom Himmel fiel, als wir sie beseitigen konnten.
Meine Fahrt zum Einkaufen nach Kingston war wirklich erschreckend. Man konnte kaum weiter als 25 Meter sehen und es sah aus, als ob es frisch geschneit hätte. Die meisten Geschäfte waren geschlossen und der Supermarkt war gestopft voll. Die Leute haben alles leer gekauft, insbesondere Wasser war überhaupt nicht mehr zu bekommen. Aufgrund der Verschmutzung des Trinkwassers ist die Versorgung mit Trinkwasser zurzeit auf St. Vincent wahrscheinlich auch das größte Problem - neben den Zerstörungen, die der Vulkan im Norden direkt verursacht hat.
Wir haben einiges an Vorräten ergänzen können und uns dann für eine Nacht vor die Insel Mustique verholt. Aber auch hier waren Ascheniederschlag und der Schwell so heftig, dass wir uns dann final am Sonntag entschlossen haben, nach Canouan zu segeln und in die Gloussy Bay Marina zu gehen. Hier haben wir dann einen ganzen Tag lang zu dritt versucht, das Boot von außen mit Hilfe eines Hochdruckreinigers und innen mit zwei fleißigen Bienchen wieder in einen akzeptablen Zustand zu versetzen.
Man glaubt nicht, in welche Ritzen der Staub vorgedrungen ist.
Wir werden sicher durch diese Asche noch eine Weile an diese Zeit in St. Vincent erinnert werden.
Aber alles in allem haben wir Glück gehabt, auf einem Schiff zu sein mit genügend großen Wasservorräten und einem Watermaker, den wir allerdings aufgrund der Ascheniederschläge dort nicht eingesetzt haben. Den Bewohnern von St. Vincent geht es da bei weitem nicht so gut und gerade die Wasserknappheit ist für die Evakuierten aus dem Nordteil der Insel ein großes Problem.
Heute Morgen, am Dienstag, 13. April, ist der La Soufrière nochmal ausgebrochen und laut Auskunft der lokalen Behörden ist ein Ende der Aktivitäten nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Es wird damit gerechnet, dass der wirklich große Ausbruch noch bevorsteht.
Wir von der Pamina werden jedenfalls morgen oder übermorgen unsere Reise in Richtung Panama fortsetzen und das Paradies der Grenadinen verlassen.
Sönke Weisner, Canouan 13. April 2021, www.sy-pamina.com