Seit inzwischen sechs Jahren segeln Birgit Fernengel und Andreas Neumann mit ihrer Segelyacht Muktuk um die Welt. Fuer Trans-Ocean berichten sie von ihrer Reise rund Neuseeland mit viel Zeit und nicht nur fuer sie eindrucksvollen Erlebnissen:
Im Sommer 2014 haben wir in Spanien die Leinen losgeworfen, um ein paar Jahre mit unserer Muktuk, einem Schoner aus Stahl mit Schwenkkiel, 1989 von einer kleinen französischen Werft gebaut, auf See zu verbringen. Unsere ersten Ziele waren Madeira, die Kanarischen Inseln, dann die Karibik mit Dominica, Guadeloupe, Kuba und Mexiko. Während der Hurrikansaison parkten wir die Muktuk im Rio Dulce in Guatemala, fuhren mit dem Bus zu den Pyramiden der Maya nach Tikal und lernten Spanisch am Lago de Atitlán. Bevor wir durch den Panama-Kanal gingen, verbrachten wir einen Monat bei den Kuna Indianern auf den San-Blas-Inseln. Von Panama aus ging es ab März 2016 die Barfußroute weiter zu den Marquesas, den Tuamotus, Tahiti und Tonga bis wir schließlich Ende Oktober 2016 in Neuseeland ankamen.
Hier blieben wir rund 18 Monate. In der ersten Saison haben wir die beiden Inseln umrundet, in der zweiten Saison nahmen wir uns mehr Zeit für die Ostküste der Nordinsel und die Marlborough Sounds im Nordosten der Südinsel.
Kia ora! Hello, how are you?
Als wir von Tonga aus nach 16 Tagen auf See die neuseeländischen Gewässer erreichten und in die Bay of Islands hinein segelten, empfing uns ein unglaublich intensiver Duft, eine Mischung aus gemähter Wiese, einem blühenden Rapsfeld, dazu eine Prise nasser Wald – Frühling in Neuseeland! Dieser würzige Duft, der von den berühmten Manuka-Sträuchern stammt, sollte uns die nächsten Monate überallhin begleiten.
Die Neuseeländer, die wir treffen, sind alle so offen und freundlich und immer für einen Scherz aufgelegt. Wir müssen uns allerdings etwas an die ungewohnte englische Aussprache gewöhnen. Jede Begrüßung beginnt mit „Hello, how are you?“ Diese Höflichkeiten und ein paar Worte übers Wetter müssen unbedingt ausgetauscht werden, bevor man ein Gespräch beginnen beziehungsweise seine Frage loswerden kann. Auch daran müssen wir uns gewöhnen!
Opua in der Bay of Islands und das etwas weiter südlich gelegene Whangarei sind die beiden Orte, an denen die meisten Segler einklarieren, ihre Boote zur Werft bringen, die Schäden der langen Überfahrten reparieren und sich dann oft ein Auto mieten, um Neuseeland über Land zu bereisen. Das passt auch bei uns hervorragend, denn auf der Südhalbkugel beginnt gerade die warme Jahreszeit mit Temperaturen, wie wir sie aus Europa kennen.
Freunde hatte uns so viel von den abgelegenen Regionen der Südinsel vorgeschwärmt, von der rauen wilden Natur, sodass wir ihrem Beispiel folgen und es auch wagen wollen, unseren Kurs weiter nach Süden abzusetzen. Doch können wir uns noch etwas Zeit lassen, denn die Wettervorhersage spricht regelmäßig von Starkwind und Stürmen auf der Südinsel. Erst ab Februar soll das Wetter wieder freundlicher und stabiler werden. Manchmal fragen uns Segelfreunde – und wir uns auch selbst - ob wir uns das wirklich antun wollen?
Aber wir bleiben im Januar 2017 erst noch einmal in der Bay of Islands, die neben den vielen malerischen Buchten und ruhigen geschützten Ankerplätzen einige für Neuseeland historisch bedeutsame Orte bietet: Russell beispielsweise, der erste Ort, an dem sich europäische Einwandererniederließen. Hier steht auch die älteste Kirche des Landes. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kamen Walfänger, erste Handelsschiffe, ehemalige Sträflinge aus Australien und Missionare hierher. Russell muss zu der Zeit ein ziemlich heißes und gefährliches Pflaster gewesen sein, Kneipen rund um die Uhr geöffnet, eine rechtsfreie Zone. Heute ist es ein schmuckes kleines Dorf. Die Uferpromenade könnte als Filmkulisse für einen Badeortes zu Beginn Ende des 19., Angang des 20. Jahrhunderts durchgehen mit seinen viktorianischen Holzhäusern, die mit allerlei Holzschnitzereien verziert sind.
Waitangi Treaty Ground
Gegenüber von Russell, in der Nähe des kleinen Örtchen Paihia liegt der der „Waitangi Treaty Ground“. Hier wurde neuseeländische Geschichte geschrieben: Durch den „Waitangi Treaty“, den Vertrag von Waitangi, wurde Neuseeland 1840 zu einer britischen Kolonie.
Viele Jahre zuvor hatte die britische Krone noch wenig Interesse an Neuseeland gezeigt, dann aber erschien ein französisches Kriegsschiff in der Bay of Islands. Es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen innerhalb der Maori-Stämme, sowie zwischen den europäischen Einwanderern, den „Pakehas“, und den Maori, sodass Maori und Missionare gleichermaßen Großbritannien um Hilfe in einer von Gesetzlosigkeit geprägten Region ansuchten.
James Busby, seines Zeichens Weinbauer und Politiker, wurde ausgesandt, um britische Präsenz zu zeigen, hatte aber keinerlei rechtliche Befugnisse und auch keinerlei militärische Unterstützung. Er schien allerdings ein guter Vermittler gewesen zu sein und schaltete sich mäßigend in die Konflikte ein.
Anfang 1840 erreichte William Hobson als Abgesandter Königin Victorias Neuseeland und setzte zusammen mit James Busby einen Vertragsentwurf auf, der wenige Tage später einer Versammlung von Maori-Chiefs vorgelegt werden sollte. Die Fassung in englischer Sprache unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von der Fassung in Maori – entweder weil die beiden Übersetzer nur wenig Zeit hatten oder aber glaubten, einige Formulierungen verändern und abmildern zu müssen, da sonst die Gefahr bestünde, dass die Maori-Chiefs nicht unterschreiben würden. Mit diesem Vertrag begaben sich die Maori nicht nur unter den Schutz der Königin, sondern sie traten zu großen Teilen auch ihre Souveränität an Großbritannien ab. In Bezug auf den Besitz des Landes gab es, und gibt es noch immer, unterschiedliche Auffassungen. Die Maori glauben, dass Mutter Erde die darauf wohnenden Menschen „in Besitz“ nimmt und nicht umgekehrt. Zudem verwalten und bearbeiten die Maori auch heute noch Grundbesitz gemeinschaftlich als Großfamilie beziehungsweise Stamm.
Am 5. Februar 1840, nach nur einem Verhandlungstag, unterzeichneten die ersten Häuptlinge den Vertrag, im Vertrauen auf die mündlich zugesicherten Landrechte, allerdings ohne dessen wahre Tragweite zu verstehen. Das Vertragsdokument wurde in mehreren Ausfertigungen durch ganz Neuseeland versandt, bis hinunter zur Südinsel. Nicht alle aber doch die Mehrheit der Maori-Chiefs setzten ihre Unterschrift darunter.
In den folgenden Jahrzehnten verstärkte sich die Macht der Pakehas, der Weißen. Erlasse machten es einfacher, den Maori Land unter Wert abzukaufen, es zu enteignen oder die Maori aus nichtigen Gründen von ihrem Land zu vertreiben. Erst weit über hundert Jahre später wurde versucht, das begangene Unrecht wieder gut zu machen, das zum wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Niedergang der Maori geführt hatte. Dem Vertrag sollte wieder seine ursprüngliche Bedeutung zurückgeben werden: 1975 wurde ein Tribunal eingerichtet, dem Verstöße gegen den Vertrag von Waitangi vorgetragen werden können.
Im neuen Museum auf dem Treaty Ground lässt es sich anschaulich in die Geschichte des Landes eintauchen.
Nur einige Schritte weiter befindet sich ein Begegnungshaus der Maori, Te Whare Runanga, mit schönen Schnitzereien. Hier konnten wir auf dem Platz vor dem Haus eine Vorführung des traditionellen Begrüßungszeremoniells erleben und drinnen ein paar schöne Tänze sehen, alles von einer jungen begeisternden Truppe vorgeführt.
Leinen los
Wir segeln weiter in Tagesetappen die Küste entlang bis Whangarei. Hier bleiben wir ein paar Tage, nutzen die guten Einkaufsmöglichkeitender örtlichen Baumärkte und Supermärkte und zuletzt decken wir uns auf dem großen Farmers Market, dem Bauernmarkt, mit reichlich Obst und Gemüse ein.
Zwar wollten wir auf der Nordinsel noch pünktlich zum jährlichen Art-Deco-Festival in Napier Halt machen und auch in Wellington, der Hauptstadt Neuseelands. Unterwegs allerdings ändern wir unsere Pläne und segeln in einem Rutsch weiter zur Südinsel. Das Wetterfenster ist gerade perfekt, um die Cookstraße zu passieren. Meistens bläst es hier zwischen der Nord- und der Südinsel so heftig, dass man längere Zeit in Wellington auf ruhigeres Wetter warten muss. Acht Tage auf See brauchen wir insgesamt von Whangarei bis zur Banks-Halbinsel, wo wir vor Akaroa den Anker werfen.
Auf der Seekarte sieht die Banks-Halbinsel aus wie ein grinsender Dinosaurier-Kopf mit allerlei Furchen – den vielen kleinen Buchten. Die geschwungene Linie seines Lächelns ist der lange Fjord, der sich fast bis zur Mitte ins Innere der Halbinsel hineinzieht. Gut geschützt liegt im Fjord das Örtchen Akaroa, umgeben von sanften grünen Hügeln mit weidenden Kühen.
Es ist Sonntagnachmittag, wir machen einen ersten Spaziergang an Land und klopfen beim örtlichen Segelclub an. Ein kleines gemütliches Clubhaus steht da, ein schmaler Anlegesteg davor, mehr nicht. Die Boote liegen alle an Bojen, wenn sie nicht gerade an ihrer sonntäglichen Regatta teilnehmen. Der Kommodore heißt uns herzlich willkommen und gibt uns gleich einen Schlüssel, damit wir auch während der Woche Dusche und Waschmaschine nutzen können.
In den folgenden Tagen treffen wir ständig auf freundliche und hilfsbereite Menschen, die uns neugierig fragen, woher wir kommen und wie es uns auf der Südinsel gefällt. An der Tankstelle legt ein Fischerboot neben uns an. Wir kommen ins Gespräch und Andreas wird eingeladen, mitzufahren, die Langustenkörbe sollen geleert und mit neuen Ködern bestückt werden. Doch der Fischer will gleich los und wir müssen wieder zurück zum Ankerplatz, denn der Tanksteg muss frei gemacht werden. Kein Problem, er würde später mal bei uns vorbeischauen, tröstet uns der Fischer. Und tatsächlich, am späten Nachmittag klopft es am Boot und der Fischer wirft uns einen riesigen Hummer rüber! Wir sind überwältigt und sprachlos – und bedanken uns später mit Bier und Apfelkuchen.
Die ersten Siedler aus Europa landeten 1840 mit einem französischen Boot in Akaroa an, später kamen auch ein paar Briten dazu, die sich etwa 300 Meter weiter niederließen. Diese Aufteilung des Ortes in einen französischen und einen englischen Teil ist bis heute so geblieben, dazwischen liegt ein etwa 100 Meter langes Stück Strand, unbesiedelt. Hier englische Straßennamen, dort französische, hier Pubs mit Fish and Chips, dort Bistros und französische Restaurants. Cafés überall und der Metzger bietet für alle was, gut gewürzte Würstchen, Pasteten, dunkles und helles Brot.
Akaroa hat seinen ganz eigenen Charme – die alten, hell und freundlich gestrichenen Holzhäuschen mit ihren Holzschnitzereien an den Giebeln sind gut erhalten. Davor liebevoll gepflegte Blumengärten, an denen man sich nicht satt sehen kann.
Die Woche verfliegt im Nu - mit Putzarbeiten, der Suche nach potentiellen Salzwasserlecks, dem Zuschneiden und Nähen einer neuen Persenning für das Schiebeluk und natürlich Wäsche waschen. Dazwischen nehmen wir uns Zeit, in der Stadt zu bummeln, den Botanischen Park zu erkunden, Kaffee zu trinken, leckere Fish-Chowder zu probieren. Viel zu früh müssen wir wieder los, solange noch etwas Wind da ist, der uns weiter nach Süden bringt.
Delfine und mehr…Oder: Muktuks Tierleben
Während wir aus dem Fjord hinaus tuckern, begleiten uns wieder ein paar Hektor-Delfine. Sie sind eine der kleinsten Delfinarten und man kann sie gut an der runden, schwarz gefärbten Rückenflosse erkennen, die wie ein Micky-Maus-Ohr aussieht. Auch sehen wir immer mal wieder zwei kleine blaue Pinguine nebeneinander schwimmen.
Bevor wir nach Süden abdrehen, geht es erst einmal außen herum, zwei Buchten weiter nördlich zur Pohatu Bay. Dort soll ein Farmer Nistkästen für die kleinen blauen Zwergpinguine aufgestellt haben. Wir ankern und fahren mit dem Dinghi zum felsigen Ufer, an dem wir schon bei der Einfahrt ein paar Pelzrobben gesehen haben. Sie liegen entspannt in der Sonne und sind in ihrer Tarnfarbe kaum vom Felsen zu unterscheiden. Auf dem nächsten Felsen liegen viele kleine Robben zusammen mit ein paar großen Aufpassern– der Kindergarten. So pelzig und putzig sind sie mit ihrem aufgeplusterten Fell. Eineinhalb bis drei Monate alt dürften sie erst sein.
Aber wir scheinen sie zu stören, die Gruppe wird etwas unruhig, die Mütter stoßen aufgeregte Warnrufe aus und so fahren wir lieber weiter.
Pinguine sehen wir dieses Mal nicht, die kommen erst zur Abenddämmerung wieder an Land und bis dahin sind wir schon wieder draußen auf dem Meer.
Unterwegs folgt uns eines Tages eine Gruppe Schwarzbrauenalbatrosse, Mollymauks. Sie sind etwas kleiner als die Königsalbatrosse und haben überwiegend grau gefärbte Köpfe und die charakteristische Zeichnung über den Augen, die ihnen das strenge Aussehen eines Oberlehrers gibt. Wir sind von vielen vorwurfsvoll schauenden Vögeln umringt – und sie haben auch alles Recht dazu, denn sie glauben, ein Fischerboot vor sich zu haben, von dem sie in der Regel Fischabfälle zugeworfen bekommen. Irgendwann wird ihre Geduld belohnt, wir haben einen Fisch an unserer Schleppleine und sie stürzen sich alle gleichzeitig auf die Innereien, die über Bord gehen.
Dunedin und die Otago-Halbinsel
Nach weiteren drei Tagen auf See erreichen wir Dunedin, neben Christchurch die größte Stadt der Südinsel. Auch hier, weit im Süden Neuseelands, in der geschützten Bucht der Otago-Halbinsel lebten vor der Ankunft der ersten Europäer Maori-Stämme.
Eine richtige Stadt wurde es erst, als im Jahr 1848 zwei schottische Schiffe hier ankamen. Sie gehörten der presbyterianischen Kirche an, hatten sich aber als eine puritanische Gruppe abgespalten und gemeinsam das Heimatland verlassen. Zwanzig Jahre später wurde im Hinterland Gold gefunden und die Stadt wuchs rasant, wurde reicher und reicher, Banken wurden gegründet, Firmen siedelten sich an.
Das sieht man ihr heute noch an – in der Innenstadt findet man viele schöne alte Steinhäuser im Stil der Gründerzeit und Industriebauten mit Art-Deco-Fassaden. Der Bahnhof ist ein beliebtes Fotomotiv, herrschaftlich und beeindruckend, mit wunderschönem Mosaikfußboden.
Schon 1871 wurde die Universität gegründet. Sie nimmt heute mit ihren alten und neuen Gebäuden einen ganzen Stadtteil in Anspruch.
Dunedin gefällt uns auf Anhieb, es ist lebendig und gemütlich zugleich. Im Stadtzentrum zwischen dem Bahnhof, dem Oktagon und dem Studentenviertel gibt es viele rustikale oder hippe Cafés, viele gute Restaurants, Antiquariate, Geschäfte mit Kunsthandwerk oder Designerstücken. Dazu kommt viel Kunst und Kultur - Museen, Galerien, Bibliotheken, Theater, Kinos.
An der Spitze der Otago-Halbinsel an einem Steilhang lebt eine Kolonie Königsalbatrosse. Hier brüten sie in einem großen eingezäunten Areal, füttern ihren Nachwuchs, bis er soweit ist, aufs Meer hinaus zu fliegen. Unweit davon wirbt der „Penguin Place“ mit einer Tour zu den Gelbaugenpinguinen. Eine Farmerfamilie, hat einen Teil ihres Landes mit Zugang zum Ozean abgesperrt und zum Schutzgebiet für Pinguine erklärt. Gelbaugenpinguine kommen nur an der Südostküste von Neuseeland, auf Stewart Island und den weiter südlich gelegenen unbesiedelten Auckland-Inseln vor. Insgesamt gibt es nur noch etwa 4 000 Exemplare. Am meisten gefährdet sind sie am neuseeländischen Festland von Neuseeland. Die Menschen machen ihnen die Strände und das Buschland auf den Hügeln dahinter streitig. Nur noch etwa 800 Exemplare leben hier und es werden stetig weniger, obwohl viel unternommen wird, um sie zu schützen. Der Hoiho, wie der Gelbaugenpinguin in der Maori-Sprache heißt, ist nicht größer als 60 Zentimeter und er ist nicht sehr gesellig. Die einzelnen Paare nisten so weit auseinander, dass sie sich möglichst nicht sehen und in die Quere kommen müssen. Sie haben zudem extrem menschenscheu. Gerade während der Fütterungszeit der Jungen müssen sie tagsüber häufig an Land, um ihnen den halbverdauten Fisch zu bringen. Sitzt aber jemand am Strand auf ihrem Weg zum Nest, so schwimmen sie so lange hin und her, bis der Strand wieder leer ist. Oftmals dauert das zu lange und so laufen ihre Küken Gefahr, nicht ausreichend ernährt zu werden. Darum ist es so wichtig, zumindest einzelne Strandabschnitte zu sperren.
Damit wir als Besucher doch einen Blick auf die Pinguine werfen können, hat man am Penguin Place ein an ein Labyrinth erinnerndes System von Schützengräben gebaut und alles mit Tarnnetzen bedeckt. An einigen Stellen ist der Graben nicht ganz so tief. Dort gibt es Holzzäune mit einem schmalen Sehschlitz. So ist man auf Augenhöhe mit den Pinguinen.
Als wir mit der Muktuk den Victoria Channel hoch getuckert sind, auf der einen Seite das Festland auf der anderen die Otago-Halbinsel, hatten wir uns per Funk bei der Otago Harbour Control angemeldet. Für das letzte schmale Stück ist es wichtig, dass man keinem Frachter in die Quere kommt. Wir wollten eigentlich irgendwo im Fluss ankern, aber das sei nicht erlaubt, sagte uns die Harbour Control. Mit unserer Muktuk können wir auch nicht in den kleinen Yachthafen, die Einfahrt ist zu eng und bei weitem nicht tief genug. So machen wir im „Steamer Basin“, dem zentralen Hafenbecken, an einem alten Schlepper fest. Barry, der Manager des Yachtclubs fühlt sich trotzdem für uns verantwortlich und organisiert uns einen Schlüssel für das Gittertor, damit wir Landzugang haben, eine zehn Minuten sind es von dort zum Stadtzentrum, und bietet uns an, mit uns zur Wäscherei und zum Supermarkt zu fahren. Wunderbar!
Auch Dunedin hat einen Farmers Market, und was für einen! Es brummt und summt am Samstagvormittag um die vielen Stände herum, Obst, Gemüse, Käse, Brot, Fisch und Fleisch und wie auf fast jedem Markt im Lande gibt es eine Gruppe, die Musik macht. Eine tolle Stimmung herrscht hier. Unseren Trolley und unsere Rucksäcke haben wir mit all den guten Sachen vollgeladen. Immerhin werden wir nun ein paar Wochen lang in der Wildnis sein, ohne Supermarkt.
Stewart Island
Wir haben es geschafft, nach einer kurzen und gar nicht anstrengenden Überfahrt haben wir unser erstes großes Ziel erreicht. Stewart Island empfängt uns von seiner besten Seite: Sonniges Wetter, ruhiges Wasser. Wir können unsere neue Umgebung nach Herzenslust erkunden. Tagsüber heizt die Sonne das Boot auf, nur morgens und abends wird es frisch. Die Wassertemperatur bewegt sich zwischen 10 und 12 Grad Celsius. Aber wir haben ja unseren Holzofen. Also unternehmen wir den ersten Ausflug mit Säge und Axt bewaffnet und besorgen erst einmal Brennholz. Schön, wenn es unter Deck dann kuschelig warm ist und wie auf einer Almhütte riecht. Auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln gestaltet sich ortsgerecht. Von Bord aus angeln wir Blue Cod, die lokale Kabeljau-Spezialität. Die Tiere müssen mit den Lemmingen verwandt sein - in selbstmörderischer Gier stürzen sie sich auf den Haken. Bei Niedrigwasser fahren wir mit dem Beiboot zum nächsten Felsen und pflücken Miesmuscheln und Green Lipp Shells. Am Strand finden wir an der Niedrigwasserlinie Cockles (dreimal so groß wie Venusmuscheln, aber ähnlich im Geschmack). Unser Jagdeifer ist geweckt, wir kommen uns vor wie beim Pilzesammeln, nur eben maritimer.
Weiter geht‘s mit den Getränken. Im Wald finden wir Manuka-Sträucher, die pflücken wir für einen aromatischen Tee. Für die nächste Charge selbstgebrautes Bier (in Neuseeland gibt es Bierbrau-Kits zu kaufen) holen wir uns Wasser aus einem kleinen Bach, es ist vom Tannin der Waldbäume rötlich gefärbt und hat einen würzigen Geschmack. Mal sehen, wie bayerisches Hefeweizen, aus Stewart Island Wasser gebraut, schmecken wird. Und weil wir Zeit und Fisch haben und sowieso einen Holzofen befeuern, können wir auch unserer Räucherlust nachgehen. An Land finden wir einiges Material und bauen einen improvisierten Räucherofen, den wir auf unseren Schornstein setzen können.
Mitten im Tierparadies
Tiere gibt es freilich nicht nur zum Essen. Wir beobachten Seelöwen am Strand, die Oktopus fangen und fressen. Einer dieser Kolosse verfolgt uns, als wir mit dem Dinghi unterwegs sind. Wahrscheinlich ist er nur neugierig, aber wer weiß? Wir versuchen ihm zu erklären, dass das Dinghi unser Platz und er nicht willkommen ist, aber dann nehmen wir lieber Reißaus. Auch Kiwis, diese scheuen nachtaktiven bodenbrütenden Vögel, leben hier. Nur leider bekommen wir keinen zu sehen, dafür aber erfreuen uns tagsüber einige der Vögel mit ihrem schönen melodischen Gesang.
Aber natürlich hat Stewart Island auch andere Seiten. Zwei Tage liegen wir bei Regen und Sturm in einer kleinen Bucht, Böen von 8 Beaufort rauschen übers Deck. Wir hoffen, dass der Anker hält. Der starke Wind drückt immer wieder den Rauch durch den Kamin herein, bald riechen Messe und Kabine auch wie ein Räucherofen. Sichtweite unter Deck: zwei Meter. Zum Glück ist der Regen gerade nicht so stark, wir können alle Luken aufreißen und lüften. In der Nacht ist freilich nicht viel mit Schlafen: Muktuk zerrt am Anker, legt sich in den Böen! Wir hoffen nur, dass wir im Stockdunkeln nicht den Anker neu setzen müssen. Aber er hält prima, hat sich in den festen Sandboden tief eingegraben und ruckt keinen Meter. Glück gehabt!
Wir treffen Arthur White mit seinem Boot in einer der Buchten. Er fährt hier schon seit vielen Jahren Chartergäste und Schüler herum. Wir laden ihn zu Kaffee und Kuchen ein und verbringen einen spannenden Nachmittag mit ihm. Er gibt uns viele wertvolle Tipps zu weiteren schönen Ankerbuchten für Stewart Island und die Fiordlands.
Einmal noch ankern wir in der Golden Bay neben Oban, dem einzigen Ort auf Stewart Island. Wir laden den neuesten Wetterbericht herunter und machen ein paar letzte Einkäufe im kleinen Supermarkt. Hier leben die etwa 300 Einwohner und hier landen auch die Wanderer sowie die Hobbyjäger und -angler, die in den kleinen Fährbooten der Fischer vom Festland herüberkommen.
In zwei Tagesetappen fahren wir die Küste von Stewart Island entlang zu der großen verzweigten Bucht namens Port Pegasus. Fischer haben an vielen gut geschützten Stellen Festmacherleinen angebracht, entweder an einem besonders starken Baum oder aber quer übers Wasser gespannt. Da wenig Platz zum Schwojen ist, bringen wir unsere Heckleinen aus und sind ganz dankbar für diese Festmacherleinen. Port Pegasus ist so abgelegen, dass wir in den zwei Wochen, die wir hier bleiben, kein einziges Boot treffen. Selbst der gut ausgebaute Wanderweg reicht nicht bis hierher.
Am 4. April verlassen wir schweren Herzens Stewart Island. Wanderungen durch Manuka-Büsche, Gesteinsformationen wie vom Bildhauer gemeißelt, Seelöwen und Robben als Gefährten, hin und wieder ein scheuer Pinguin, der tägliche Blue Cod, an dem wir uns immer noch nicht sattgegessen haben, es ist einfach wunderschön und für uns der bisherige Höhepunkt unserer Reise. Stewart Island hat uns regelrecht verzaubert.
Zugegeben, es ist nicht Kap Horn. Aber zumindest das zweitsüdlichste Kap der Welt. Das South Cape, die Südspitze von Stewart Island, liegt auf 47°18' Süd und schlägt damit sowohl Tasmanien als auch das Kap der guten Hoffnung locker. Nur Kap Ho-orn liegt mit 55°59' Süd noch 520 Seemeilen weiter südlich. Aber wie auch immer: wir sind drum herum gefahren und haben damit den vorerst südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Ab jetzt geht es aufwärts, das heißt nach Norden, erst zu den Fiord-lands und dann zurück ins Warme.
Die Fiordlands – auf den Spuren von James Cook
„Nach einer Fahrt von einhundert und zwei und zwanzig Tagen, auf welcher wir ohngefähr dreitausend fünfhundert Seemeilen in ofner See zurückgelegt hatten, kamen wir endlich am 26ten März zu Mittag in Dusky-Bay an. … Sanft wehende Winde führten uns nach und nach bey vielen felsichten Inseln vorbei, die alle mit Bäumen und Buschwerk überwachsen waren, deren mannigfaltiges dunkleres Immergrün, (evergreen) mit dem Grün des übrigen Laubes, welches die Herbstzeit verschiedentlich schattirt hatte, malerisch vermischt war und sehr angenehm von einander abstach. Ganze Schaaren von Waßervögeln belebten die felsigten Küsten und das Land ertönte überall vom wilden Gesang der gefiederten Waldbewohner.“
„Um drei Uhr Nachmittags kamen wir endlich unter der Spitze einer Insel vor Anker… Kaum war das Schif in Sicherheit, als unsre Matrosen ihre Angeln auswarfen und in wenig Augenblicken sahe man an allen Seiten des Schifs eine Menge vortreflicher Fische aus dem Wasser ziehen, deren viel versprechender Anblick die Freude über unsere glückliche Ankunft in der Bay ungemein vermehrte. Wir fanden sie von vortreflichen Geschmack und da wir zumahl so lange darauf gefastet hatten, so war es kein Wunder daß uns diese erste Neu-Seeländische Mahlzeit als die herrlichste in unserm ganzen Leben vorkam.“ (Georg Forster: Reise um die Welt. Insel Tb 757, 1967. S. 136ff)
Mehr als fünf Wochen sollte James Cook mit seinem Schiff, der Resolution, in der Dusky-Bay bleiben. Er kämpfte sich mit seiner Mannschaft durchs Dickicht, sie fällten Bäume, errichteten eine Sternwarte, die Schiffszimmerleute und der Schmied bauten an Land eine Werkstatt auf. Das Schiff hatte in den südlichen Breitengraden auf der Suche nach neuem Land in stürmischer See sehr gelitten und benötigte dringende Reparaturen. Die Matrosen, Schiffsoffiziere, der Maler Hodges und die Naturwissenschaftler, Vater und Sohn Forster, erkundeten die umliegenden Buchten und Seitenarme des Dusky-Sound mit den Beibooten. Ab und zu kamen ein paar Maori-Familien an den Strand und tauschten mit der Schiffsbesatzung Fisch und Wildgeflügel gegen Beile, Nägel, Schaumünzen und Glasperlen. Seite um Seite füllt Forster mit Beschreibungen dieser für ihn neuen und interessanten Gegend.
Für uns, die wir nach einer nur zweitägigen Überfahrt von Stewart Island im Dusky-Sound ankommen, ist es spannend und vergnüglich zugleich, in dem Buch zu lesen und zu vergleichen: Die Namen der Buchten und einzelner Berge und Seen sind die, die ihnen Cook gegeben hat: Pickersgill Cove, wo die Resolution wochenlang in einer geschützten Bucht lag; Cascade Cove, wo ein beeindruckender Wasserfall entdeckt wurde; Anchorage Island, vor der die Resolution das erste Mal ankerte; Wet-Jacket-Arm, wo ein paar Matrosen und Offiziere von der einbrechenden Nacht überrascht und vom Regen durchnässt wurden; Luncheon Cove, in der Cook während eines Ausflugs zu Mittag gegessen hatte …
Bei unserer Einfahrt in den Dusky-Sound ist es erst einmal mit der Einsamkeit vorbei. Gleich vier Boote sehen wir - Fischer, Segler, Angler. Wir binden die Muktuk in der Cascade-Cove an einer großen Boje fest und der leckere Blue Cod, den die Matrosen einst auf der Resolution wegen seiner Farbe „Kohlefisch“ nannten, beißt auch hier sofort an, sobald wir die Angel ins Wasser hielten. Wir ziehen so viele raus, dass wir räuchern und den Nachbarn von diesen Filets auch noch einige anbieten können, nette Segler aus den USA, die mit uns an der Boje im Päckchen liegen.
Sandfliegen verderben die Wäsche
Die Zahl der Waldvögel, die Forster noch hören konnte, hat in den darauffolgenden Jahrzehnten rapide abgenommen. Ratten und Wiesel wurden eingeschleppt, gegen die diese meist flugunfähigen Vögel sich nicht schützen konnten. Heute gibt es ein paar vereinzelte Inseln in den Fiordlands und Reservate in den Bergen, die mit viel Mühe „pestfree“, also schädlingsfrei, gemacht wurden und wo man noch das eine oder andere kleine Vögelchen zutraulich umher hüpfen sehen kann.
Auch Cooks Leute klagten über die vielen Sandfliegen, die sich nur von starkem Wind vertreiben lassen. Angeln, Holz und Wasser holen oder gar Wäsche waschen ist bei Windstille kaum möglich. Darum verlegen wir nach zwei Tagen das Boot nach Luncheon Cove. Laut Revierführer sei es dort besser auszuhalten. Tatsächlich werden wir dort kaum von Sandfliegen belästigt. Wir teilen uns die Bucht mit einer Robbenkolonie, die in dem dichten Wald am Ufer lebt. Die kleinen Robben spielen tagsüber meistens in kleinen Gruppen im Wasser, tauchen und jagen einander. Gegen Abend kommen die Mütter dazu, rufen röhrend nach ihnen und unternehmen ausgedehntere Ausflüge mit dem Nachwuchs.
Die Fiordlands liegen im Südwesten von Neuseeland und sehen auf der Landkarte ganz schön wild aus, 15 Fjorde (oder Sounds im Englischen) sind es insgesamt. Über 12 000 Quadratkilometer umfasst der Fiordland-Nationalpark und ist immer noch ein schwer zugänglicher Teil des Landes, fast gänzlich unbewohnt. Zum Doubtful Sound und zum Milford Sound führt jeweils eine Straße, die anderen Sounds kann man nur mit dem Schiff erreichen.
Nach ein paar Tagen tuckern wir weiter nordwärts durch einen malerischen Kanal zum Breakwater Sound. Tags darauf geht es wieder raus aufs offene Meer mit dem Ziel Doubtful Sound. Draußen steht recht hoher Schwell und wenig Wind, aber aus jeder noch so kleinen Bucht pfeift der Wind mit einer solchen Wucht heraus, dass wir mit zweifach gerefftem Groß segeln. Als wir in den Doubtful Sound einfahren wollen, bläst es mit 45 Knoten aus dem Sound raus und wir kommen unter Motor einfach nicht gegen an. Die Muktuk dreht sich im Kreis. Wir können den Kurs nicht halten, so stark sind die Böen. Ja, warum sollte es uns anders ergehen als James Cook, der auch nicht in diesen Sound reinfahren konnte und ihn deshalb „doubtful“, also zweifelhaft, nannte.
Wir brauchen aber bald wieder Sprit und der nächste Fjord mit Tankstelle ist der Milford Sound. Also beschließen wir, dorthin zu segeln. Später erfuhren wir, dass dieser starke Wind der Ausläufer eines Zyklons war, der auf der Ostseite der Insel wütete und seine Kraft noch in den Fiordlands austobte.
Sandfliegen aus der Unterwelt
Die Berge, die wir von See aus sehen können, werden immer höher und vereinzelt haben sie ihre Gletscherkappen auf. Anfang April ist hier inzwischen der Herbst eingezogen. Der Milford Sound empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein! Hohe steile Felswände, Wasserfälle, Sonne und Schatten ergeben ständig neue Lichtspiele.
Ein Ausflugsboot nach dem anderen dreht im 20-Minuten-Takt seine Runde im Fjord, die Leute winken uns fröhlich zu. Flugzeuge fliegen an den Felsen entlang und zu den Gletschern hoch, Hubschrauber knattern. Es ist richtig was los, einer der seltenen Sonnentage muss ausgenutzt werden.
Wir tuckern in der Mitte des Fjordes und genießen die schöne Aussicht auf diese gewaltigen hohen Felsen. Später erfahren wir, dass wir uns nicht an die Verkehrsordnung gehalten hatten, die besagt, dass man den Fjord im Uhrzeigersinn befahren sollte. An der einen Seite raus, der anderen wieder rein.
Das war vor Urzeiten noch gänzlich unwichtig, als die Fiordlands – so eine Maori-Legende – vom Halbgott Tu-Te-Raki-Whanoa geschnitzt wurden. Er begann im Süden. Dort schuf er eine raue Küstenlandschaft mit mehreren Inseln. Nach und nach verbesserte er seine Technik und als er beim Piopiotahi, dem Milford Sound, angekommen war, gelang ihm der perfekte Fjord. Die Göttin der Unterwelt, Hine-Nui-Te-Po, fand den Sound auch wunderschön, fürchtete aber, dass die Menschen, die ihn einmal gesehen haben, für immer hierbleiben wollten. Um das zu verhindern ließ sie die Sandfliegen auf den Fjord los. So ganz ist ihr das nicht gelungen, denn der Milford-Sound ist eines der Highlights der Südinsel, mit Millionen von Besuchern jährlich.
In einer Lagune in der hintersten Ecke gibt es ein paar freie Bojen. Eine davon können wir zum Festmachen nutzen, denn zum Ankern ist es viel zu tief. Hier liegen wir ein gutes Stück abseits des Trubels. Von den Felsen und Gletschern kommt viel Süßwasser runter geflossen, das sich als obere Schicht auf das Salzwasser legt und noch mal zwei Grad kälter ist als das Salzwasser. Bei nur 8 Grad Celsius baden zu gehen, wird zur Herausforderung
Diesel war ist doch nicht so einfach zu bekommen. Wegen der Osterfeiertage ist ab Karfreitag das Büro im Fischereihafen nicht mehr besetzt. Wir beschließen deshalb, über Ostern da zu bleiben.
Am Ostermontag haben wir dann Glück, zwei junge Fischer werkeln an ihrem Boot und leihen uns ihre Tankkarte. Allerdings hat Milford nicht nur die teuerste Tankstelle für Autos, auch der Preis für Diesel ist hier direkt proportional zur Höhe der Berge. 100 Liter sind genug fürs Erste, auf halbem Weg nach Nelson soll es einen Fischereihafen geben, da werden wir Halt machen.
Greymouth
Wir erreichen Greymouth, einen kleinen Ort an der Westküste der Südinsel Neuseelands. Gegründet im Goldrausch Ende des 19. Jahrhunderts, liegen heute immer weniger Fischerboote im Hafen, die Hotels und Restaurants verfallen, trotzdem ist es der größte Ort der Westküste. Aber das Städtchen hat ungeheuren Charme, den Charakter eines norddeutschen Fischerdorfs und unglaublich nette und hilfsbereite Einwohner.
Befreundete neuseeländische Segler hatten uns eigentlich abgeraten, Greymouth anzulaufen. Auch in den Revierführern für Segler wird der Hafen nicht beschrieben. Grund dafür ist die Einfahrt in eine Flussmündung, die bereits bei Schwell von zwei bis drei Metern eine gefährliche Brandung an der Barre erzeugt. Ein Monument am Wellenbrecher erinnert an die Boote, die hier gestrandet sind, und die Fischer, die hier ihr Leben verloren haben. Aber bei ruhigen Bedingungen sind Ein- und Ausfahrt ungefährlich und weil wir Diesel bunkern müssen, versuchen wir es. Wir rufen vorab den Hafenmeister an, der uns grünes Licht gibt. Und es verläuft auch alles unproblematisch.
Hierher verirren sich so wenige Yachten, dass wir sogar von einem Reporter der Lokalzeitung um ein Interview gebeten werden und uns tags darauf auf Seite zwei mit einem großen Foto wiederfinden. Bei der Fischfabrik können wir Diesel tanken. Der Besitzer des Waschsalons bringt uns, nachdem er unseren Holzofen gesehen hat, einen großen Sack mit gesammeltem Treibholz, die Fischer nehmen uns mit dem Auto mit in den Ort mit und und und… Einfach total nett!
Alles in allem eine wunderschöne, erlebnisreiche Zeit in einem Ort, an den man normalerweise (mit dem Boot jedenfalls) nicht kommt. Und das alles nur, weil wir eben mal tanken mussten.
Tasman Bay, Nelson und zurück zur Nordinsel
Der Rest ist schnell erzählt. Wir machen noch einen Abstecher zu den Buchten in der Tasman Bay, eine touristisch sehr schöne und beliebte Ecke Neuseelands. Für uns aber ist sie nach den vielen abgeschiedenen Ankerbuchten erst einmal entschieden zu voll und zu laut. Die nächstgroße Stadt, Nelson, ist auch unbedingt einen Besuch wert. Hier bleiben wir ein paar Tage, genießen die Museen und Cafés, kaufen auf dem Farmers Market Vollkornbrot vom deutschen Bäcker und Leberwurst sowie Wiener Würstchen vom deutschen Metzger.
Mit dem nächsten Wetterfenster segeln wir von Nelson los, die Westküste der Nordinsel hoch. Die ersten zwei Tage sind nicht einfach, Wellenberge von drei bis vier Metern lassen die Seekrankheit nur langsam abklingen. Aber wir kommen gut voran und als wir nach drei Tagen die Nordspitze Neuseelands erreichen, ankeren wir erst einmal vor der berühmten Ninety-Miles Beach mit dem endlosen Sandstrand und den hohen Sanddünen. Wie vorhergesagt dreht der Wind am nächsten Tag, sodass wir problemlos das Nordkap und Cape Reinga umrunden und mit schönem Halbwind die letzte Strecke an der Ostküste runter segeln können, zurück in die Bay of Islands, in der wir knapp vier Monate vorher gestartet waren.
Wir werden den Süden Neuseelands mit der wilden und einsamen Landschaft und den unglaublich offenen, freundlichen und hilfsbereiten Menschen in bester Erinnerung behalten!
Birgit Fernengel und Andreas Neumann, SY Muktuk
Weitere Infos
In den Sommermonaten Neuseelands, von Dezember bis Februar, herrscht auf der Südinsel kühles und unbeständiges Wetter. Es ziehen noch viele Stürme durch. Spätsommer und Herbst sind eine gute Zeit, um mit dem Segelboot die Südinsel zu bereisen. Je später im Jahr umso stabiler das Wetter und zahlreicher die sonnigen Tage.
An der Ostküste der Nord- beziehungsweise der Südinsel gibt es viele Möglichkeiten, zwischendurch vor schlechtem Wetter Schutz zu suchen, und die Einkaufsmöglichkeiten sind überall sehr gut. Dunedin sollte man auf dem Weg nach Stewart Island auf keinen Fall auslassen und unbedingt auch ein paar Tage für Besichtigungen einplanen. Außerdem kann man hier hervorragend die Vorräte aufstocken, bevor es für die nächsten Wochen in die Wildnis geht. Wir hatten viele Gläser mit Fleischgerichten eingekocht, aber kaum etwas davon verbraucht, denn in Stewart Island und den Fiordlands gab es Fisch satt.
Im Doubtful-Sound in den Fiordlands gibt es die Möglichkeit, Diesel zu tanken, und die Besitzer der Lodge bestellen gerne frische Sachen vom Supermarkt im nächsten Ort.
2017 gab es nur noch in Oban, Stewart Island Funkmasten, weiter südlich und in den Fiordlands gab es keinen Empfang für Mobilfunk und somit auch kein Internet. Wetter haben wir über Paktor geholt beziehungsweise vom Bluff Fishermen Radio und Stewart Island Fishermen Radio. Bei letzterem hatten wir uns auch angemeldet und beim abendlichen „round call“, Rundruf, mitgemacht und unsere jeweilige Position durchgegeben.
Diese Revierführer sind unverzichtbar für Stewart Island und die Fiordlands:
- Beneath the Reflections. A User’s Guide ot the Fiordland. Marine Area. Publ. by Fiordland Marine Guardians u.a. Dunedin, 2008 ISBN: 978-0-478-33110-3 (print), 978-0.478-33111-0 (electronic)
- A Boaties’ Guide to Fiordlands. Mana Cruising Club New Zealand. Wellington, o.J. 112 Seiten
- Stewart Island Cruising Guide. Mana Cruising Club New Zealand. Wellington, o.J. 86 Seiten
Diese und weitere Revierführer zu den Küstengewässern Neuseelands können recherchiert und bestellt werden unter: www.boatbooks.co.nz. Die Bootsausrüster bestellen in der Regel gerne diese Revierführer für die Segler.