Ein Interview mit dem Vorsitzenden
Redaktion: Martin, Trans-Ocean will einen eigenen Mini an den Start bringen. Ist das nicht eine Nummer zu groß für den Verein? Und passt das überhaupt? Trans-Ocean ist doch der Verein der Fahrtensegler?
Birkhoff: Weder noch. Ich beantworte die zweite Frag mal zuerst, denn hier muss ich mit einem verbreiteten Missverständnis aufräumen, das auch unter unseren Mitgliedern immer wieder anzutreffen ist. Der heutige Trans-Ocean fördert das Hochseesegeln, und zwar in der ganzen Breite. Wir fördern das Fahrten- oder Blauwassersegeln, wir fördern jedoch genauso das Regatta-Segeln und bei Bedarf, auch wenn das seltener vorkommt, auch Extremtörns.
Redaktion: Aber was hat den Regattasport mit TO zu tun?
Birkhoff: Sehr viel. Betrachte doch nur die Historie des Vereins. TO wurde 1968 gegründet, um das Hochsee-Regatta-Segeln zu fördern. Genauer, es ging sogar gezielt um die Förderung der Teilnahme an Einhand-Regatten. Anlass war die erfolgreiche Bewältigung eines einhand Trans-Atlantik-Rennens durch Klaus Hehner. Namhafte deutsche Regatta-Aktivitäten fanden unter TO-Stander statt. Ich erwähne nur die Teilnahme der Peter von Danzig und des Walross III an den Whitbread Round the World Races. Die Ursprünge des TO liegen klar im Regattasport.
Redaktion: Das mag sein, Martin, heute bestimmen aber doch Fahrtensegler das Bild des TO…
Birkhoff: Richtig. Die Mehrheit unserer Mitglieder heute sind Fahrtensegler. Und der größte Teil unserer Aktivitäten dienen der Unterstützung des Fahrtensegelns im weitesten Sinne. Als auf der vergangenen Mitgliederversammlung eine Beschwerde aufkam, der Verein würde durch direkte Förderung nur das Regattasegeln unterstützen – wir hatten rund 9.350 für die Unterstützung von Regattaaktivitäten ausgegeben, davon den Löwenanteil für Lina und Andreas – hat ein anderes Mitglied schnell ausgerechnet, dass dies bei einem Haushalt von rund 300.000 Euro nur knapp 3% sind. Also fast nichts. Fast alle unsere Ausgaben dienen dem Fahrtensegeln, das wird nur leider kaum wahrgenommen.
Redaktion: Wenn Ihr einen solchen Haushalt habt, ist ein Mini für den Verein scheinbar kein Hexenwerk.
Birkhoff: So ist das nun auch wieder nicht. Unser Haushalt ist nicht ohne Grund so groß. Da können und wollen wir nicht einfach was abzwacken. Außerdem ist es mit dem Kauf eines Minis nicht getan. Da gehört noch eine Menge dazu. Daher sprechen wir intern auch von einer Kampagne. Wir rechnen mit einem Kostenrahmen von 180.000 bis 250.000 über 4 Jahre. Ich persönlich rechne vorsichtshalber mit der höheren Zahl. Bei den Mitteln wird es sich ausschließlich um Sponsorengelder handeln. Der Vereinshaushalt wird nicht belastet. Hinzu kommt, dass das Boot nach der Kampagne verkauft werden kann, ein Teil der Kosten käme wieder herein.
Redaktion: Wie seid Ihr denn überhaupt auf die Idee dieser Mini-Kammpagne gekommen?
Birkhoff: Wen meinst Du mit Ihr?
Redaktion: Na, den Vorstand. Du sagst doch, es sei ein Vorstandsprojekt.
Birkhoff: Die Idee stammt gar nicht von uns. Ich hole mal etwas aus. 2016 wurde dem TO das alte Wappen angeboten (Wappen von Bremen III, d. Red.), was ich zum Anlass nahm, auf der Mitgliedsversammlung das Thema „ein Boot für den TO“ zu platzieren. Ich wollte mal austesten, wie dieses Thema von den Mitgliedern angenommen wird. Ähnliche Ansätze gab es auch in der Vergangenheit, aber sie wurden stets wieder verworfen. Aber es hatte meines Wissens nie ein konkretes Angebot gegeben. Wie auch immer. Das Ergebnis war ein Arbeitskreis, die die Möglichkeiten und Optionen prüfen und bewerten sollte.
Redaktion: Stop mal, was hat ein Fahrtenboot mit dem Mini zu tun?
Birkhoff: Nicht viel. Das war nur der Anstoß. Aber auf dieser Versammlung kam von den Mitgliedern die Anregung, statt des Wappens doch ein Mini zu erwerben und für die Nachwuchsförderung zu nutzen. Nachwuchsförderung wird von unseren Mitgliedern immer wieder verlangt. Aber nur die wenigsten jungen Menschen kann man mit „langweiligem“ Fahrtensegeln ködern. Wie Jens Nickel mal sagte: Junge Leute wollen Action, Geschwindigkeit, Kräftemessen und Wettkampf. Ich muss zugeben, ich hielt die Mini-Idee zunächst für absurd. Aber nach ein paar Sitzungen des Arbeitskreises hatte sich gerade diese scheinbare Schnapsidee als die tragfähigste Option herauskristallisiert.
Redaktion: Was erwartet Ihr denn von dem Projekt? Was soll es dem Trans-Ocean bringen?
Birkhoff: Ich formuliere mal um: Was motiviert zu dem Projekt? Da gibt es einen Strauß von Antworten.
Wir machen das Segeln und den Verein für junge Leute interessant. Für mögliche Kandidaten, und für deren „Follower“. Wir schaffen eine Medienpräsenz, die wir anders nicht erreichen können. Das soll helfen, Mitglieder und fördernde Mitglieder zu werben. Wir betonen unsere Wurzeln, was ich für sehr wichtig halte: Die Förderung sportlichen Segelns und die des Einhand-Hochseesegelns, wobei ich hier vorsichtshalber betone, dass die Förderung des Fahrtensegelns darunter nicht leiden wird,
und wir hoffen, einen Beitrag zu leisten, in Deutschland das Segeln an sich populärer zu machen.
Redaktion: Für TO ist die Mini-Kampagne ein ungewöhnliches und auch ehrgeiziges Projekt. Gibt es nicht auch Widerstände und Kritik?
Birkhoff: Natürlich. Es wäre seltsam, wenn es das nicht gäbe. Das ist unvermeidlich, wenn man neue und ungewöhnliche Projekte anschiebt. Sehr interessant fand ich ein Gespräch, in dem mir die Risiken des Einhandsegelns vorgehalten wurden. Mein Gesprächspartner stellte die Frage nach der Verantwortung eines Vereins wie dem TO und dessen Vorbildcharakter und bewertete das Einhand-Regatta-Segeln als unverantwortlich. Ich kann diese Sichtweise durchaus nachvollziehen, teile sie jedoch nicht. Auch hier möchte ich zunächst den Blick zurückwerfen. Als der TO-Preis zum ersten Mal vergeben wurde, ging er an eine Reise, die gegen alle damals geltenden Regeln verstieß. Ausgezeichnet wurde die Atlantik-Querung von Ingeborg von Heister – und die erfolgte einhand, auf einem Trimaran und - wahrscheinlich das Ungeheuerlichste – war von einer Frau absolviert. Wir befinden uns also auch hier wieder bei den Traditionen des Vereins.
Redaktion: Aber die Risiken sind doch real!
Birkhoff: Sicher. Beim Einhandsegeln kommen zu den ich sag mal normalen Risiken noch andere Aspekte dazu. Vor allem die fehlende Wachablösung, man ist ja absolut auf sich gestellt. Damit verbunden ist stets der Vorbehalt des ausreichenden und sicheren Ausgucks, und natürlich der Schlafmangel. Auch wenn ich keine Regatten gesegelt bin, kann ich aus persönlicher Erfahrung sagen, dass diese Probleme zu bewältigen sind. Und zwar so, dass eine Einhandreise genauso sicher durchgeführt werden kann, wie mit einer mehrköpfigen Crew. Auch legt der Veranstalter sehr viel Wert auf Sicherheit, nicht nur was Boot und Ausrüstung betrifft. Nur ein Beispiel: Bei dem jüngsten Mini-Transat wurde der zu segelnde Kurs wegen eines heftigen Tiefdruckssystems kurzfristig abgeändert und über die Kapverden geführt. Man wollte vermeiden, dass allzu ehrgeizige Skipper bewusst in das Tief hineinsegeln.