Das Mittelmeer kann ganz schön voll sein - und auch ziemlich teuer. Viele Küstenstriche sind außerdem aus politischen Gründen Seglern nicht mehr als sicher zu empfehlen. Da freut man sich, wenn einer sein Entdeckungsgen aktiviert und sich aufmacht, ein noch unerschlossenes, quasi neues Segelrevier zu entdecken.
Pit Dörnfeld war in Albanien unterwegs:
Im Jahre 1986 überführte ich meine Trintel im Winter von Lignano nach Nizza. Schon die Einreise ins damalige Jugoslawien war mehr als umständlich – in jedem Hafen ein- und ausklarieren etc. Dann wollte ich von Split nach Korfu…halt dich bloß ganz weit von Albanien fern – ein Freund touchierte versehentlich die albanischen Gewässer, wurde abgeschleppt, an die Kette gelegt, eingesperrt und kam erst nach Intervention von Politik und Geld da wieder raus…..
Also ging es weiter über Brindisi direkt um den Stiefel herum und danach hatte ich kaum mehr etwas über dieses Land gehört.
2015 postete ich im TO-Forum, ob jemand Erfahrungen bezüglich Albanien hätte – nur eine einzige, liebe Antwort!
Heute kenne ich die albanischen Gewässer bis ins Detail, jeden Meter der unglaublich interessanten Küste, die wenigen Häfen und insbesondere die Menschen dort.
Einen allerersten TO-Stützpunkt habe ich dort initiiert – Edmond Zhupani ist einer der wenigen aktiven Segler in Albanien und sogar ehemaliger Admiral – er versorgt uns mit allen notwendigen Informationen und wird für die TO-Segler auch in die vier Häfen kommen. Edmond spricht übrigens Deutsch, was sicherlich für manchen auch ganz hilfrech ist.
Gut – kann man jetzt denken, aber warum schreibt Pit gerade über dieses Land einen Beitrag? Warum versucht er, uns allen bisher völlig unbekannte Hintergründe zu erklären und auch noch dieses Land ans Seglerherz zu legen? Ja sicher, die praktischen Infos wie, wo und was gibt es selbstverständlich auch noch.
Im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojektes wurden wir beauftragt, die albanische Küste hinsichtlich der Entwicklung des maritimen Tourismus zu untersuchen und Standorte für Marinas zu qualifizieren bis hin zur Masterplanung. Schock: Das Internet war voll mit schrecklichen Dingen, wie fürchterlicher Kriminalität, absoluter Armut, Islamismus, Drogen, Menschenhandel, Geldwäsche…. Die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ließen uns noch mehr schaudern.
Ich mache es kurz: In Albanien leben die für mich freundlichsten und hilfsbereitesten Menschen, die ich bisher auf meinen Reisen kennengelernt habe. Man kann auch als Frau des Nachts ohne Probleme alleine durch die Hauptstadt Tirana schlendern – im Gegensatz zu Berlin und Köln. Wir haben keine verschleierten Frauen gesehen – die Albanerinnen laufen besser angezogen und aufgebretzelter herum als die unseren. Zwar hört man oft den Muezzin von den Minaretten tönen – der wird aber zu vollen Stunden von den Glocken der anderen Konfessionen daran erinnert, dass hier Religionstoleranz gelebt wird.
Kroatien platzt vor überfüllter und überteuerter Marinas aus allen Nähten – das kleine Montenegro bemüht sich schon erfolgreich, Griechenland ist ebenfalls bestens maritim-touristisch entwickelt und vom gegenüber liegenden Italien ganz zu schweigen.
Nun liegt mittenmang das kleine Land Albanien, welches bis vor wenigen Jahren völlig abgeschottet eine Sonderform des Steinzeitsozialismus praktizieret hat und nun seit etwa 2005 eine Art parlamentarische Demokratie versucht – mit in den letzten Jahren immer größerem Erfolg.
Das Land wird derzeit von einem Investitions- und Entwicklungsboom überzogen – alle interessierten Länder fördern Projekte.
Da über Jahrhunderte immer wieder von fremden Mächten okkupiert, blieb man der Küste fern und siedelte im Gebirge. Daher gab es kaum eine Beziehung zum Meer - die Albaner sind kein Seefahrervolk.
Yachten kannte man bisher überhaupt nicht – die Fischerei kann als unterentwickelt bezeichnet werden, Schiffbau marginal und die wenigen Häfen sind mit Fähren und Frachtern heillos überfüllt.
So nun aber zu den Häfen an der albanischen Küste, deren Luftlinie nur etwa 130 Seemeilen in nahezu Nord-Süd-Richtung beträgt. Bitte keine falschen Vorstellungen hegen – die albanischen Häfen sind bisher nicht auf Yachties eingestellt, es gibt kaum gute Liegeplätze und alles ist noch im Aufbau. Jedoch bemühen sich die lokalen Akteure; die Menschen sind überaus freundlich und hilfsbereit und das Land hat viel zu bieten – Abenteuer.
Generell muss man in den vier Häfen jeweils einklarieren – hierfür meldet man sich beim Hafenbüro auf UKW vorher an - und sollte sich den empfohlenen Agenten leisten. Dieser sucht alle möglichen Institutionen auf, besorgt Papiere mit Stempel und wird niemanden übers Ohr hauen. Diese “Leistung“ kostet zwischen 50 und 80 Euro und beinhaltet auch das Liegegeld.
Wir starten im Norden an der montenegrinischen Küste und hangeln uns nach Süden bis hin zur griechischen Grenze und Korfu.
1. Shengjin (port of entry): in einer flachen Bucht, gelegen zwischen den Flüssen Bojana und Drin. Die Ansteuerung ist einfach (außer bei starken südlichen Winden).
Dann geht es weiter nach Süden einem recht flachen Küstenverlauf folgend (Schwemmlandebenen). Vorsicht an den wenigen Kaps – da sind oft größere Untiefen vorgelagert!
2. Durres (port of entry): Der größte Hafen Albaniens mit regem Schiffsverkehr, Fähren und auch schon Kreuzfahrtschiffen. Die Einfahrt ist gut betonnt – der Hafenmeister wird den Liegeplatz anzeigen (unmittelbar westlich der Einfahrt gibt es einen nagelneuen, mit vielen EU-Millionen erbauten Fischereihafen, den jedoch die örtlichen Fischer ablehnen und der - zwar nicht ganz offiziell - von Yachten genutzt wird. Tolle Schwimmstege und das fast mitten in der Stadt).
Etwa 12 Seemeilen südlich von Durres beginnt eine völlig andere Küstenformation, die sich dann bis nach Griechenland hinzieht. Dieser Abschnitt ist gebirgig, mit zahlreichen nur vom Wasser aus zugänglichen Buchten. Noch weiter südlich wird die Küste zu Recht Albanische Riviera genannt. Sie gehört schon nicht mehr am Adriatischen Meer, sondern zählt zur Ionischen See.
3. Vlore (port of entry): An der gleichnamigen, riesigen und traumhaften Bucht gelegen, bietet kaum adäquate Liegeplätze (derzeit werden die Molen und Quais völlig umgebaut) – für eine Nacht und zum Einklarieren wird’s dennoch ein Plätzchen geben.
Im Südteil der Bucht mit zum Teil traumhaften Stränden sollte man die bis dato einzige “Marina“ des Landes ansteuern.
4. Marina Orikum: Vorsicht bei der Einfahrt bei nördlichen Winden! Damals als Luxusmarina im italienischen Stil von Italienern mit nicht eindeutigen eigentumsrechtlichen Grundlagen erbaut, wurde sie schnell für zwielichtige Geschäfte genutzt, mit der Folge, dass die Investoren außer Landes gejagt wurden. Nun wird sie derzeit von der Gemeinde Orikum betrieben und Sicherheitskräfte sollen wohl dafür sorgen, dass nur noch “saubere“ Yachties diesen Hafen anlaufen.
Weiter geht es erst einmal wieder gen Norden, die einzigartige, kaum besiedelte und fast schon hochgebirgige Halbinsel Karaburun entlang, bis man die vorgelagert Insel Sazan ausmacht. Hier gibt es einen kleinen Hafen – bis dato darf man da wohl nicht anlegen.
Nun wieder auf Südkurs parallel zum Gebirge mit herrlichen, unberührten, kleinen Ankerbuchten, die jedoch meist gegen West offen sind. Ab etwa halber Strecke nach Himare klingen die Buchten abenteuerlich: Bristani Bay, Gramma Bay, Jale Beach Dalgas Beach, Gjipie’s Beach.
Himare ist gegen Süd offen und kann nicht als Hafen bezeichnet werden. Hier ankert man vor herrlichem Sandstrand und kann bei gutem Wetter die Lokale besuchen.
Porto Palermo liegt wenige Meile südlich und ist kein Hafen, sondern eine riesige, recht gut geschützte Bucht, mit einigen alten Piers zum kurzzeitigen Anlegen. Neben der inneren Halbinsel, die von einer verfallenen Festungsanlage bestimmt wird, liegt man an einer alten Betonpier recht passabel und sollte das einzige, sehr einfache aber schmackhafte Lokal besuchen.
Rund 15 Seemeilen südlich liegt meine albanische “Traumbucht“: Kakomea Bay – nach Nordwesten offen, mit den Rudimenten einer begonnen, jedoch nie fertiggestellten Club Med-Anlage. Die wenigen Bauruinen im Tal stören kaum – man kann vor Buganker an einer alten Betonpier festmachen.
Nun nähern wir uns auch schon dem südlichsten albanischen Hafen: Sarande. Auf dem Weg dorthin gibt es unzählige, kaum zugängliche Felsbuchten und glasklares, tiefes Wasser.
Die Insel Korfu liegt in Sichtweite Steuerbord voraus – wir drehen nach Ost parallel zur Küste und laufen mit gehörigem Abstand bis in die innere Bucht (Vorsicht: Schnellfähren).
5. Sarande (port of entry): auch hier gibt es keine guten Liegeplätze, offen gegen Süd (unangenehmer Schwell). Jedoch sollte man diese Hafenstadt besuchen und von hier aus gegebenenfalls Ausflüge in das gebirgige Inland unternehmen.
Weiter nach Süden durch die Straße von Korfu gibt es noch gute Ankerplätze zwischen den Ksamil Islets. Sehenswert und mit navigatorischem Geschick sollte man den historischen Butrinto Kanal ansteuern (nur nicht bei südwestlichen Winden!) und vor der Archäologischen Zone Butrint ankern.
Zurück in der Straße von Korfu ist man sofort in griechischen Gewässern und wird dort wieder in eine uns gewohnte maritime Welt eintauchen können.
Also das waren in Kürze meine albanischen Eindrücke und Informationen. Wer perfekte Marinas und Häfen mit jeglichem Komfort sucht, der sollte weiterhin einen ganz großen Bogen fahren. Wer jedoch inmitten Europas das Einfache, Freundliche und Abenteuerliche sucht, der sollte Albanien wagen. Dieses Land hat noch so viel an Gastfreundschaft und Naturschönheiten zu bieten, dass es für uns Segler angeraten ist, jetzt dorthin zu segeln – und nicht zu warten, bis auch diese Küste so überentwickelt ist, wie die seiner Anrainerstaaten.
Keine Angst, es gibt gute Seekarten und Nautische Bücher – und fragt insbesondere unseren Stützpunktleiter Edmond – er wird sich freuen und Euch allen behilflich sein.
Welche Seekarten und Literatur?
„777 harbours & anchorages“, Edizioni Magnamare: Von Slovenien über Albanien bis Griechenland – ein super Hafenhandbuch!
„Hafenguide Griechenland 1“, Edition Maritim (Skagerrak Forlag): Ionisches Meer über Albanien bis Montenegro – toll mit Luftbildern und guten nautischen Informationen
Navionics: Beste Kartengrundlagen – jedoch Vorsicht ist geboten bei den Ansteuerungen, Untiefen, Hafeneinfahrten
„Reiseführer Albanien“, Renate Ndarurinze, Trescher Verlag: der gehört bei einem Albanienbesuch unbedingt mit an Bord!
Was ich noch loswerden muss:
Während des Kosovokrieges hat Albanien (ärmstes Land Europas) mit seinen rund 3 Millionen Einwohnern über 500 000 Kosovarische Flüchtlinge über mehrere Jahre aufgenommen. Diese wurden nicht in Zelten und Kasernen wie bei uns untergebracht, sondern nahezu jede Familie hat privat Flüchtlinge aufgenommen! Davon haben wir bei uns kaum etwas mitbekommen.
Schon unter Hoxa wurde Selbstversorgung und Autarkie angestrebt. So konnte sich Albanien mit Nahrungsmitteln nahezu selbst versorgen (tolles Obst und Gemüse). Auch im Bereich Energieversorgung ist Albanien ein super Beispiel für nachhaltige Vorsorge: über 90 Prozent der Energie wurde und wird über Wasserkraftwerke generiert (große Stauseen im Gebirge). Nun hat die Türkei den Albanern die Kraftwerke modernisiert (für lau) – dafür dürfen die Türken nun für 20 Jahre den Albanern ihren eigenen Strom verkaufen, der nun jedes Jahr teurer wird.
Die albanischen Erdbeeren sind legendär und wurden schon seit jeher auf unzähligen Feldern angebaut. Nun haben die Italiener den Albanern modernste Treibhäuser verkauft – auf riesigen Flächen sieht man diese Glasmonster stehen. Jedoch funktionierte die Technik nicht so recht und daher gibt’s dieses Jahr kaum Erdbeeren.
Wir versuchen dazu beizutragen, dass sich dieses wunderbare Land mit seinen gastfreundlichen Menschen nachhaltig entwickelt und nicht dieselben Fehler gemacht werden, wie in anderen Entwicklungsländern. Also, die Megamarinas werden noch etwas Zeit brauchen.
Pit Dörnfeld doernfeld@mediamare.de
SY Malouine