BITTER END of ARIES DREAM on the B.V.I.‘s
Am 20.März 2015 starten wir um 0600 von der Karibikinsel Saint Martin zu den britischen Jungferninseln. An Bord ist der Skipper mit Ehefrau und einem Freund aus der Türkei, der seit Barbados aktiver Mitsegler und wirklicher Freund geworden ist.
Eine angenehme Raumschot – Brise treibt unsere Sun Odyseey 52.2 mit 6-8kn auf Anlieger-Kurs voran. Recht bald zieht ein Fisch die Angelleine aus und wir haben einen kleinen Bonito mit ca.3 kg am Haken. Gerade passend für unseren Gasgrill.
Gegen 16:30 stehen wir ca. 3 Meilen vor der Osthuk der Insel Virgin Gorda und wir bereiten den Landfall vor. Um 17:Uhr haben wir die Tonnen der Riffeinfahrt zur Oil Nut Bay eine halbe Meile voraus und ich vergleiche die Papierkarte mit der Plotter-Darstellung und dem „West Indies Pilot book“.
Optisch kann ich die Einfahrtsbetonnung sehen, aber die Richtung des Kanals ist unklar. Ich verlangsame die Fahrt und steuere auf die leeseitige Tonne (rot) zu, die in der Plotter-Ansicht in der Mitte des Kanals liegt. Die Sonne steht jetzt genau im Westen und meine Mitsegler im Bug können den Grund nur unklar ausmachen. Beim ersten schleif-Geräusch lege ich mit Vollgas, jedoch in langsamer Fahrt das Ruder sofort nach Backbord aber die nächste Welle schiebt uns schon,- nun auf die Breitseite des Rumpfes wirkend,- weiter auf das Riff. Mit voller Kraft versuche ich nun rückwärts auszubrechen, werde jedoch unmittelbar von jeder weiteren Welle auf das Riff geschoben und gehoben. Ich setze eine Pan-Pan Meldung ab und werde von der US-Coastguard empfangen, die sofort eine Bergungsfirma aus Tortola informiert. Ein in der Nähe kreuzendes Motorboot wird herbeigerufen und die Crew versucht nun alles Mögliche, uns aus der Situation zu befreien. Jedes Anheben und zurückfallen unseres Bootes verursacht mir körperliche und seelische Schmerzen. Das krachende und schleifende Geräusch geht mir durch Mark und Bein.
Seit über 35 Jahren mit über 80tsd. Seemeilen auf dem Buckel habe ich erstmalig eine massive Grundberührung. Davor nur 2 mal in Italien in einer versandeten Hafeneinfahrt ohne Kiel-Schaden und ohne Fremdhilfe freigekommen. Es ist für mich der 3. Toern zu den B.V.I.‘s und mir sind die Riff-Situationen in diesem Revier bekannt.
Wir pumpen alle Wassertanks im Schiff leer um das Gewicht zu reduzieren. Gegen 20:00 erscheint aus der Dunkelheit das Bergungsschiff der Fa. Husky von der Nanny Cay Marina bei Road Town/ Tortola und ohne zu zögern, beginnen 3 Fachleute das Schiff für die Bergung vorzubereiten. Inzwischen packen meine Mitsegler alle wichtigen Papiere und Utensilien zusammen und, obwohl noch immer kein Wasser eingedrungen ist, wir das Boot verlassen müssen. Die Bergungsfirma musste gegen 00:00 Uhr den Bergungsversuch abbrechen, weil inzwischen Niedrigwasser und zu wenig Schleppkraft vor Ort war. Da ein Schwimmen oder Waten in 60cm Wassertiefe mit unförmigen Korallenstöcken zu gefährlich ist, löse ich den Liferaft - Mechanismus aus und die Zodiac-Rettungsinsel bläst sich auf. Noch während wir die Rettungsinsel besteigen, löst Tim – (unser Hero und ein Seehund in Menschengestalt) die Schlepptrosse zum unserer ARIES DREAM und schleppt uns in der Rettungsinsel zu dem Bergeschiff. Unsere Freunde Melike und Nejat auf der SY“NORTH“ laden uns ein, die Nacht mit Ihnen auf Ihrer Halberg Rassy zu verbringen, die im BITTER END Yachtclub vor Boye liegt. Sie hatten bereits am Vortag einen Tisch im Restaurant und eine Boye für unsere ARIES DREAM reserviert. Eine tröstende Pasta und viel Rotwein halfen etwas Schlaf zu finden.
Inzwischen haben wir auch unsere Pantaenius Versicherung informiert und hier wurde mitten in der Nacht sofort gehandelt. Ein Gutachter wurde aus Tortola bestellt und alle relevanten Daten per E-Mail und SMS übermittelt.
Da unser Dinghi während der Bergungsversuche losgerissen ist, wurde am nächsten Morgen eine Suchaktion gestartet. Nejat und Melike von der „NORTH“ und Gökhan von der „ARIES DREAM“ fuhren mit dem Dingi hinaus in die mit Riffen durchsetzte Oil Nut Bay um unser verschollenes Dingi zu finden. Nach ca. 1,5 Stunden Suche kam auf UKW die Nachricht. „Dingi wohlauf gefunden“.
Gegen Mittag fuhren wir dann mit 2 Dingis zu der Havariestelle bei der inzwischen auch Bill von „Caribbean Marine Surveyors Ltd“ mit seinem Motorboot vor Anker lag. ARIES DREAM lag nun mit ca. 60° auf ihrer Backbordseite und eine Motorpumpe förderte armdick Seewasser aus dem Salon. Zwei Schiffe von „HUSKY“ waren mit einer schweren Trosse untereinander und mit ARIES DREAM verbunden und versuchten mit gemeinsamer Kraft das Schiff in verschiedene Richtungen freizubekommen. Wir machten mit unseren Dingis beim Gutachter-Boot fest, von wo aus die Zugwirkung am besten erkennbar war.
Die UKW-Kommunikation war nicht gerade aussichtsreich aber HUSKY entwickelte immer mehr Ehrgeiz. Irgendwann wurde der Begriff „schwerer Schlepper“ laut woraufhin die HUSKY Crew nochmals alle Kräfte bündelte, die Zugrichtung änderte und ARIES DREAM in Bewegung kam.
Mit jeder anlaufenden Welle wurde nun die Schleppkraft maximiert und das Schiff kam in kurzen Phasen frei und stand aufrecht über der Minimaltiefe. Daraufhin bereitete die HUSKY-Crew das Schiff zur Schleppfahrt nach Tortola vor und wir fuhren mit den Dingis zurück zum BITTER END Yachtclub.
Am nächsten Morgen brachte uns die NORTH – Crew mit Ihrer Yacht zur Nanny Cay Marina bei Road Town wo wir gleich nach unserem „Baby“ schauen mussten.
Ein angebrochenes Ruderblatt und eine stark zerkratzte Backbordseite mit Rissen im Laminat und ein abgebrochenes Kiel-Ende waren die ersten sichtbaren Schäden. Als wir dann eine Leiter fanden und über das Heck auf das Boot stiegen, der zweite Schock.
Im Schiff waren noch ca.30cm Seewasser und von der Backbord-Einrichtung war nichts mehr an ihrem Ort. Papier schwamm aufgelöst in der Brühe und der Inhalt von Kartentisch und Staufächern lag zwischen aufgetürmten Bodenplatten, Teppichboden, Wasserschläuchen, Büchern, Werkzeugen und Küchengerät. Die gesamte Bordelektrik-Schalttafel war bereits von Rost- und Salzspuren übersät. Unser AIS-Gerät, VHF, NAVTEX, IRIDIUM, Handfunke – alles war im Seewasser. Dazu der neue Küchenherd und der Kühlschrank, der Tiefkühl-Kompressor und die Autopilot-Steuerung – alles an Backbord und in Seewasser gebadet. In der Eigner Kabine im Vorschiff; die Steuerbordseite mit der Kleidung der Skipperin, alles wasserschwer vollgesogen. Bettwäsche, Handtücher, Alles nass.
Das Auspumpen des Wassers in der Bilge gestaltete sich sehr schwierig, da das aufgelöste Papier die Ansaugfilter sofort wieder verlegte und so musste es in schweißtreibender Arbeit auf Knien aus der Bilge geschöpft werden. Aufgelöste Lebensmittelreste und Papiere vermischten sich zu einem üblen Brei, der nur mit Bürste und Spachtel entfernt werden konnte.
Als das Schiff am Nachmittag auf dem Werftgelände aufgepallt wurde, begannen wir gleich mit den Aus-und Aufräumarbeiten. Alle Polster an Deck, was nass war, wurde mit Frischwasser gespült und zum Trocknen ausgebreitet. Die nasse Kleidung in Plastiktüten gepackt und zur Wäscherei gebracht. Was zu retten ist, wurde wieder eingesetzt, aber Vieles musste den Weg zum entsorgungs-Container gehen. Unsere NORTH Freunde halfen mit, alles zu versorgen und von der Marina wurde uns ein trockener Büroraum mit Klimagerät bereitgestellt, wo wir alles Bewegliche stauen konnten. Nach exakt 8 Tagen war das Schiff zur Reparatur vorbereitet und die ersten Reparatur-Angebote abgefragt.
Da in diesen Wochen die namhaftesten Regatten veranstaltet werden und die meisten Service – und Werftbetriebe Ferien machen, und darüberhinaus die Hotelpreise mal eben um 50% angehoben sind, entscheiden wir uns für eine kreative Denkpause in Deutschland und fliegen bereits am 03.04. Von Tortola über Antigua und Domenica nach Barbados. Hier werden wir von unserer Freundin Joy und ihrer Mutter Rita abgeholt, weil unser Flug erst am nächsten Morgen nach Frankfurt weitergeht.
In Deutschland werden wir am Vormittag von Manuel unserem Sohn abgeholt und wir fahren gemeinsam zu Ihm nach Hause in die Nähe von Baden-Baden.
In Deutschland angekommen führt uns unser erster Weg nach Hamburg zur Pantaenius Versicherung. Hie wird der gesamte Ablauf der Schadensregulierung aufgezeigt und wir legen unsere mit Fotos unterlegten Dokumente vor. Wir machen deutlich, alles getan zu haben um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Herr Schöning von Pantaenius versichert uns, dass wir in unendlicher Arbeit alles denkbare getan haben um eine Schadensregulierung zu erleichtern.
Am 27.04. sitze ich wieder im Flugzeug nach Barbados und verbringe die Nacht bei Rita, der Mutter von Joy unserer langjährigen „Wunschtochter“. Rita bringt mich auch am nächsten Morgen wieder zum Flughafen für den Anschlussflug über Antigua nach Tortola.
Pünktlich werde ich von einer Mitarbeiterin der Autovermietung am Tortola-Airport abgeholt und wir rumpeln über die Flughafen-Insel Beef Island zur Nanny Cay Marina, wo unsere ARIES DREAM liegt. Inzwischen wurde zur Schadens-Feststellung der gesamte STB-seitige Kabineneinbau entfernt und die Reparaturangebote eingeholt. Nur die Elektrik - Electronic – Firma CAY ELECTRONICS lässt sich Zeit mit dem Angebot, was den Spielraum zur nächsten Hurricane-Season extrem verkleinert. Mit viel Druck gelingt es, den Kostenvoranschlag für die Versicherung am 04.05. unverzüglich durch die Gutachter an die Pantaenius Versicherung in Hamburg weiterzuleiten. Bereits nach 4 Tagen haben wir die Bestätigung zur Auszahlung der veranschlagten Kosten vorliegen und können nun die Reparaturaufträge erteilen.
Hier nochmals danke an Herr Christian Schoening bei Pantaenius Hamburg.
Stand 12.05.2015
Fotos:
Beide Bojen waren in Wirklichkeit im gleichen Abstand westlich versetzt.
erfolgloser Krängungsversuch mit Schlepphilfe
Unsere Freunde von der SY NORTH (Mitte)
Pantaenius- Gutachter auf Tortola
Werkzeug und Ersatzteile werden gewaschen und in Dieselöl entsalzt.
Was abgespült und noch verwendbar scheint, wird getrocknet.
Die gesamte STB Saloneinrichtung ist um 3 cm in die Schiffsmitte gerückt.
Die gesamte Steuerbord-Einrichtung ist entfernt,
danach beginnen die Arbeiten Rumpf am von innen nach außen
und bereits nach 3 Wochen sieht der Rumpf von innen so aus:
Inzwischen wurde die Rettungsinsel gewaschen, getrocknet und für einen Wiedereinsatz vorbereitet. Leider haben wir von ZODIAC die Nachricht erhalten, dass eine Rettungsinsel nicht mehr wiederverwendbar ist, wenn sie für einen Notfall eingesetzt werden musste.
Nach insgesamt 15 Wochen sind die letzten Tage im Zeitraffer erfasst:
Der Salon Rückbau wird von der Fa. E&S (Eric & Sheryl) in millimetergenauer Arbeit durchgeführt.
Ein neuer Herd und Kühlschrank finden ihren original-Platz und die gesamte Bordelektrik wird von Floyd Clement mit viel Schweiß hergestellt.
Die Rumpf – Aussenhaut wurde sorgfältig von Tony’s Yacht-Maintenance aufgebaut, mehrfach geschliffen, grundiert und nochmals mit Filler gespritzt.
...bis die erste glänzende Oberfläche erkennbar wurde.
Am 07.07.2015 findet ARIES DREAM wiederhergestellt, den Weg zurück in Ihr Element.
Abschließend nochmals aufrichtigen Dank an alle beteiligten Freunde und beauftragten Firmen in Deutschland und auf den British Virgin Islands.
Renato und Juanita Fromme-Hertel