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Reisebericht




Patagonien–Der Canal de Beagle

10. Oktober 2011
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Reisebericht von Bernhard und Ruth Ulrich,

Küsnacht, Schweiz mit der Segeljacht „Ann-Kristin“

 

 

 

 

Wenn man mal 10 Jahre mit dem Segelschiff unterwegs war, d.h. um die Welt segelte, ist es schwierig, nochmals etwas neues zu entdecken. Wir vermuteten, dass uns das mit einer Exkursion nach Patagonien gelingen wird.

Nach der Umrundung Südafrikas erreichten wir die Insel St. Helena. Dort mussten wir uns definitiv entscheiden: mehr nach Nord-West, direkt nach Hause, was unserem Alter von 70 und 65 Jahren entsprochen hätte, oder nach Süd-West, wofür wir uns entschieden haben.

 

Im April 2010 erreichten wir Brasilien, Vitoria. Langsam ging’s südwärts, von Hafen zu Hafen, von Bucht zu Bucht über eher kurze Schläge. Dazwischen immer wieder warten auf Nordwind oder Landausflüge unternehmen. Überall trafen wir freundliche, hilfsbereite Leute und keine Kriminalität. Etwa ab Uruguay – Argentinien wurde das Wetter immer rauer und kälter, Regen, Starkwind, aber auch sonnige Tage. Wettervorhersagen werden je südlicher desto schwieriger. In Argentinien und später auch in Chile herrscht gegenüber der Prefectura (Custom) eine Meldepflicht. Wir sendeten täglich zwei Emails über allgemeinen Zustand, Position, Geschwindigkeit und Kurs. Dies ist keine Schikane, sondern dient in diesem rauen Gebiet mit wenig Häfen oder Ankerplätzen der eigenen Sicherheit. Im untersten Teil Argentiniens, ab Porto Deseado, begegneten wir allem: Flauten, guter Wind aus Norden oder meistens Winde gegen uns und starken, steilen Wellen. Letztere wirbelten den Dreck, mit Diesel gefasst in Uruguay, im Tank auf, so dass wir in kurzen Abständen die Filter wechseln oder reinigen mussten, und das eben bei Sturm. Zwischen dem südöstlichsten Teil der Insel Terra del Fuego und der anschliessenden Insel de los Estrados nahm die Windstärke zu und es herrschte Tidenstrom gegen uns. So retteten wir uns auf die Insel hinüber und warteten auf bessere Winde und mitlaufenden Tidenstrom. Das dauerte aber 5 Tage. Da wird einem bewusst, dass die Gegend ums Kap Horn das sturmreichste der Welt ist. Wir hatten hier Hagel, etwas Schnee und orkanartige Böen abzuwettern. Wieder auf See, dauerte es bei mässigem Wind noch zwei Tage bis Ushuaia, alles unter Motor, um möglichst vor dem nächsten Sturm, der jederzeit kurzfristig einsetzen kann, eine geschützte Bucht erreichen zu können. Warum so viele Strapazen?

Aber Ushuaia ist eine schöne Stadt. Sie liegt am Canal Beagle, noch argentinisch und ist umrahmt von Gebirgen, unten belegt mit einem Teil der Stadt, dann Wald, oberhalb teilweise schneebedeckt und natürlich die Segelschiffe im Vordergrund – bei Sonnenschein ein wirklich schöner Anblick.

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Bild 1 Ushuaia

Im Jachtclub wurden wir von der neuen Vertreterin des Trans-Ocean Clubs liebevoll und umfassend betreut. Die allgemeinen Einkaufsmöglichkeiten in Uchuaia sind gut, nur Jachtartikel müssen manchmal gesucht werden. Mit zum grösstem Teil früher Eingekauften waren wir bald für die Entdeckung des Neuen ausgerüstet: 2 Dingi, 2 Aussenborder, 2 mal 110 und 3 mal 50 m starke Festmacherleinen, dicke Overalls, gefütterte Stiefel etc, Seekarten für Chile, revidierte Heizung, Bücher. Vor allem das unentbehrliche Buch „Patagonien & Tierra del Fuego“, von Marionlina und Giorgio Ardrizzi. Zu unserer grossen Ehre stellten wir fest, dass diese Autoren ihr Segelschiff an unserem festmachten. Wir bekamen natürlich von diesen beiden und auch von den anwesenden Berufsskippern viele wertvolle Ratschläge.

Die im folgenden beschriebene Reise unternahmen wir zwei mal, zuerst mit jungen Leuten, Käthi und Michi.

An Weihnachten besuchte uns unsere Tochter Silvia mit ihren zwei Buben Patrick und Jan in Ushuaia, mit welchen wir die zweite Reise unternamen. Geschildert wird das aber im allgemeinen als ein Unternehmen.

 

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Zuerst muss man ca. 28 Seemeilen (sm) nach Osten ans Südufer des Beaglekanals nach Puerto Williams (Chile), um die Papiere für den Besuch der Gletscher zu bekommen. Nach der einfachen Erledigung der „Papierarbeit“ mit den sehr freundlichen Beamten ging’s nun los in das in den üblichen Reiseführern nicht beschriebene Gebiet. Dies ist dort unerwähnt, weil diese menschenleere, unerschlossene Gegend nur von Jachten besucht werden kann. Der westliche, ganz in Chile liegenden Teil des Beaglekanals umrahmt dort eine Insel namens Isla Gordon mit einem nördlichen und südlichen Ast von etwa 28 bis 30 sm. Fast der ganze Kanal und auch die abzweigenden Fjorde weisen steile Felswände auf, so dass ankern im Kanal unmöglich ist. Doch fndet man in den Seitenkanälen sehr schöne, windgeschützte Ankerbuchten, eine solche bei der Auftrennung des Canal Beagle in die zwei Äste.

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 Ankerplatz

Diese Bucht, die Calleta Olla, liefen wir an. Einen Tag später nach abwettern von starkem Wind legten wir die Leinen los für den Vorstoss ins neue Unbekannte. Nach ein par Meilen bekamen wir am Ufer eine kleine Gruppe Eismocken zu Gesicht. Sofort dort hin zum neuen. Hinter der nächsten Ecke präsentierte sich uns ein bis ins Wasser reichender mittelgrosser Gletscher, frei von Geröll. Unten bricht dieser ab, daher diese Eismocken. Sauberes Eis, etwas Sonne, windstill, ein wirklich grossartiges Landschaftserlebnis, welches in unseren Büchern gar nicht beschrieben ist. Ob das nicht der Rede wert ist?

 

imageGletscher

Nach kurzer Strecke nochmals das gleiche, wobei dort offenbar vor kurzer Zeit eine grosse Masse von Eis abbrach und im Wasser eine geschlossene Decke von Eismocken bildete. Weiter auf der Strecke zeigten sich nochmals 4 bis 5 Gletscher, welche aber nicht bis in den Kanal reichen. Nach 5 Stunden Fahrt abschwenken nach rechts in einen ca 4 sm langen Fjord, den Seno Pia, mit einem östlichen und westlichen Arm. Auf halber Strecke gibt’s einen kleinen Felseinschnitt, welcher ankern mit vierfacher Vertäuung erlaubt. Dort ergänzten wir an einem kleinen Wasserfall unseren Wasservorrat. Wieder einen Tag warten wegen Regen, dann ablegen zu unserem ersten Ziel, ans Fjordende des westlichen Armes. Unsere Erwartungen wurden massiv übertroffen: Nach kurzer Fahrt ans Fjordende präsentierten sich uns zwei ins Wasser fliessende, grosse und saubere Gletscher, welche unten abbrechen und dadurch einen zerklüfteten, rauen Gletscherabbruch bilden. Hier gab’s Whisky mit tausend jährigem Eis. Lange konnten wir uns nicht von diesem wunderähnlichen Panorama trennen, bis uns der Abend zur Rückkehr in eine grössere Bucht im Fjord zwang. Die bisherigen Strapazen bis Ushuaia – mehrfach gelohnt.

Am nächsten Tag Besuch des östlichen Arm des Fjordes mit dem nächsten Gletscher. Diesen konnten wir wegen Untiefen nur aus einer Distanz von einer halben Meile bewundern, aber ebenfalls ein überwältigender Anblick. Dann zurück und weiter gleich zum übernächsten Fjord, den Seno Garibaldi.

Gleich am Eintritt dieses ca 10 sm langen Fjordes überraschten uns ein paar Eismocken. Was das wohl bedeutet? Nach 6 Seemeilen erwartete uns eine extrem kleine Bucht zum ankern und vierfachen vertäuen. Hier herrschte zwei Tage unfreundliches Wetter. Doch am dritten Tag zum noch vier Seemeilen entfernten Fjordende mit zunehmend zahlreicher in Erscheinung tretenden Eismocken und zwar bis zu einer Dichte, dass die letzten zwei Seemeilen nur noch mit halbem Schritttempo zu durchpflügen waren, um den Unterwasseranstrich nicht allzu arg abzuschaben. Die Überraschung hier kann nicht mit Worten beschrieben werden: zwei Riesengletscher fliessen kurz vor dem Erreichen des Fjordes zusammen und gelangen auf einer grossen Breite von etwa 700 m gemeinsam ins Wasser. Wir konnten bis etwa eine halbe Seemeile an die bis über 5o m hohe Eiswand gelangen, bis die Eisschollen allzu dicht wurden und praktisch kein Wasser mehr sichtbar war. Alle paar Minuten kalbte der Gletscher recht laut und manchmal entliess er an seinem Ende eine Ladung Eisberge ins Wasser, was etwa zwei Minuten später unser völlig von Eismocken eingepacktes Schiff leicht schaukeln lies.

imageGletscher mit Schiff oder Schiffsteil

Auch das Wetter meinte es gut mit uns, zeitweise Sonnenschein und windstill. Die unbemerkt fortschreitende Zeit und aufkommender Wind zwangen uns zur Rückkehr, wieder mit halbem Schrittempo durchs Eis, hinaus in den Beaglekanal. Auf dem Schlag zum nächsten Ruheplatz begrüssten uns ein paar Seelöwen auf einem kleinen Stein. Wir ankerten und vertäuten uns am Westende der Insel Gordon in einer gut geschützten Bucht. Am nächsten Tag das gleiche in einer von hohen Bergen mit diversen Gletschern im oberen Bereich umgeben, maximal geschützter Bucht am Südarm des Beaglekanals, im Estero Coloane. Nochmals belohnte uns abschliessend ein atemberaubendes Panorama mit mehreren Gletschern um die Bucht. Am Abend suchte ein zweites Segelboot den gleichen Ankerplatz und machte neben uns fest. Es begann zu winden und nach Mitternacht so stark, dass konstant Wasserhosen aufgewirbelt wurden. Nasser Schnee legte sich auf unsere Ann-Kristin. Einmal flog unser Dingi aufs Schiff. Am Morgen stellten wir fest, dass die Leine des Dingis 12 mal um eine der Ann-Kristin gewickelt war. Man sagte uns später in Puerto Williams, dass dort eine Windstärke von 70 Knoten festgestellt wurde. Auch mussten wir mit grossem Schrecken erfahren, dass dieser Sturm am Kap Horn mit sicher noch grösserer Stärke ein Segelschiff arg verunglücken liess. Eben das sturmreichste Gebiet der Welt. Doch auch dieses Chaos beruhigte sich gegen Abend und wir konnten am nächsten Tag zielstrebig in mehreren Etappen durch den Beagle-Südkanal nach Porto Williams zurückkehren und nach der Papierarbeit dort wieder nach dem vertrauten Uchuaia ablegen. Unvergessliche Eindrücke, der Canal Beagle ist wirklich eine Reise um Südamerika herum wert.


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