
von Gerhard Filgis E-Mail: filgis@yahoo.de
Es ist der 20. Nov. Bei der 32 Fuß Iroquous “Fun Too” mit sonst 2.5 t liegt der Wasserpass tiefer, denn 60 l Benzin für den 8 PS Yamaha, Trinkwasser und Lebensmittel für 1 Monat sind gebunkert, obwohl das an Land gehen sportl. Tätigkeiten erfordert.
Noch reißt das Boot bei 40 kn Fallwinden in Mindelo-Capverde am Ankergeschirr. "Draußen" sind 20 kn Wind und 4 m Wellen. Schweizer mit ihrer 17 m Yacht, Schweden und 2 deutsche Yachten verschieben seit 2 Tagen die Abreise. Auch wir sind soweit startklar, haben gerade problemlos ausklariert zum Preis von 7,- €. In Las Palmas Gran Canaria wird mittags die ARC mit über 250 Booten als Lemmelzug Richtung St.Lucia starten.Desshalb heißt es Leinen los, Destination Kl.Antillen. Auch wir rechnen mit ca 20 Tagen unter Segeln.
Als unser Jüngster von unserem Vorhaben erfährt, sagt er; "Pappa, Du weißt schon, daß Du keine 36 Jahre mehr bist, sondern Du bist 1936 geboren ?!" Darum also jetzt über den Atlantik, wann sonst?
Außerdem wird es kein waghalsiges Abenteuer, wie es Columbus und seinen 90 Mannen bevorstand, Dank dieser und späteren Seefahrer wissen wir, daß und wo uns Land erwartet. Außerdem zeigt der Zauberkasten GPS jederzeit auf der Welt unseren Standort an. Die Marina wird stündlich voller, ja voll, vorwiegend mit Megabooten. Der Tankstelle geht der Diesel aus.
Ganz Europa will über den Teich. Viele Ankommende entsorgen sackweise leere Flaschen. Außer 200 l Diesel in extra Kanistern werden an den Stegen Palletten voll Cola, Bier, Wasserflaschen und geistige Getränken gebunkert, auf daß die Abschiedsparty bis zur Ankunft in der Karibik weiter gehen kann. Wir bringen am Markt noch die restlichen Escudos unters Volk und verbringen die letzte Nacht gut schlafend vor Anker.
Am 24.11. früh Anker auf und ade ihr Schildkröten. 8.30 Uhr Segel hoch. Der engl Kat "Caracool" schießt ein Abschiedsfoto von Fun Too. Wir biegen in die 15/20 kn windige Passage zwischen den Inseln San Vicente und Santa Antao ein, die allmählich zum ungemütlichen Race wird. Der hohen Querwellen wegen wird von Hand gesteuert. Gut 2.000 SM liegen vor uns.
Plötzlich passiert alles wahnsinnig schnell und gleichzeitig. Fun Too schießt in den Wind. Als mein Magenkrampf, Luftanhalten und Adrenalinstoß vorbei sind, segelt der Kat wieder ausgeglichen. Für diese böige Gegend haben wir zu viel Segelfläche, tauschen zu Fock 2, nun ohne Druck auf den Rudern, doch mit derselben Geschwindigkeit, um die 6 kn. Das ist ok. Dann besehe ich mir im Inneren die Bescherung. Alles, was "fliegen" kann, flog vorhin vom Tisch, Ablage und Sitzbank: Taschenlampe-Kamera-Wecker-Werkzeug-Magazine-Schreibzeug-Wasserglas usw. Unten, im Küchenbereich, liegt der Schüsselinhalt mit reifen Tomaten ausgeschüttet am Boden. Eine der Dosen rollte aus dem Schap und klatschte in die rote Pracht und breitet sich als surrealistisches Stilleben spritzförmig auf Teppich und Wänden aus. Und das 2 Std. nach Auslaufen aus Mindelo. Na, das kann ja heiter werden.
Ab 13 Uhr bleiben die Kapverden, das Vorzimmer Afrikas, achteraus. Der angekündigte 10-15 kn Nordost Passat übernimmt unsere Segel. Der Atlantik atmet in weiten Wogen. Es ist schön!!
Gut ausgeschlafen, will ich Gerhard nach 2 Std. ablösen. "Deine Koje wartet". "Keine Zeit, Grieg" und zeigt auf seinen Knopf im Ohr. Und so sitzen wir ganz eng und lauschen "Peer Gynt", während wir durch die friedliche, finstere, mondlose Neumondnacht segeln. Eine Motoryacht fährt lange parallel mit uns. Schöne Nachtwachen unter funkelndem Sternenzelt.
Ein 6 m Wal leistet uns 30 Min. Gesellschaft. Er schwimmt vor-neben-hinter und unter uns hindurch. Anscheinend sucht er bei unseren Rümpfen Gesellschaft. Die nächste Schule Spiznasiger Delphine sehen wir erst 1.000 sm später. Auch ein weißer, zarter Ibis schwebt dort lange um uns, versucht vergeblich zu landen, findet das Platzangebot aber zu klein. Schade! Später, beim Landfall jagen pfeilschnelle Barakudas ihre Beute. Des nachts sehen wir oft Leuchtspuren: Thunfische, Schrecken der Meere für kleine Fische, die sich durch hohe Luftsprünge in Sicherheit bringen wollen.
Teller- bis teppichgroß driften asparagusartige hellgrüne flache Gewächse vorbei mit beerenartigen Kugeln, auf denen Kleinkrebse leben. Seltener schweben Seeschwalben über die Wellen oder einzelne Möwen vorbei. Dafür schnellen jede Menge Fliegende-Fische aus dem Meer, breiten ihre Brustflossen flügelhaft aus und gleiten, einem kl. Flugzeug gleich, über das Wasser. Sie fliegen bis zu 20 m weit und schimmern silbernlila im Sonnenschein.Hat einer Pech, landet er an Deck und zappelt sein kleines Leben aus, noch bevor wir ihm helfen können.
Die Abendsonne verschwindet plötzlich im Dunst, dann in Wolken. Der Mond hat Ruhepause, es ist Neumond. Im Finstern fahren an StB 4 Topplichter von Yacten vorbei, anscheinend die junge Franzosenclique von "unserem" Steg der Marina.
Bei meiner 2. Nachtwache spüre ich den Wind aus Westen im Gesicht. Wieso kommt ein NO Passat aus Westen??, klatschen die Wellen seitlich gegen den Rumpf? Und der GPS weicht ja auch stark ab. "Gerhaaaard". Er stellt fest, daß der "Toni" die Selbststeueranlage nach 1 1/2 Tagen außer Betrieb ist! Uns wird die Dimension der Bedeutung klar: alles in Zukunft von Hand steuern zu müssen!!! Vor und zurück, vor und zurück, bei jedem Atemzug vor und zurück. Jede Sekunde,Minute, Stunde, Tage-Nächte, Wochen. Es gibt Schöneres!
Mit unserer 38 j. Iroquois Mark 2 A wird die Überfahrt dank GPS und 2er Crew nicht ganz so nostalgisch wie z.Zt. der Pioniere, z.B. von Rudi Wagner oder Wolfgang Hausner, welche ihre Kats alleine auch über den Atlantik steuerten und sogar nebenbei noch mit dem Sextanten arbeiten mußten. Wir zollen all jenen großen Respekt.Wenn wir uns nun ablösen, das Auge focusiert auf den Kompaß gerichet, übergeben wir die Pinne nahtlos wie beim Staffettenlauf, haben später Schlafdefizite und schlechte Laune.
3 Nächte später. Ich sitze im Finstern. Die winzige Mondsichel, auf dem Rücken liegend, hat sich ins Meer verabschiedet.Das Heckwasser ruft monoton "schlaf ein, schlaf ein", der schaukelnde Kompass vor der Nase warnt "ja nicht, ja nicht" und das killende Segel mahnt "das war jetzt ein Sekundenschlaf" und erschrocken bringe ich Fun Too schnell wieder auf Sollkurs. Ein Himmelreich für ein Bett", Shakespeare, McBeth. Ach nein, der wollte ja ein Pferd. Man lernt mit der eigenen Unzulänglichkeit umzugehen. Das Etmal von 130 sm macht versönlich.
Am nördlichen Horizont qellen Wolken wie Alleebäume gen Himmel. Sie neigen sich zum Passat. Der haut ihnen nämlich die Füße weg und hält sie schräg. Komisch. Am Anfang der Reise waren schon 6 kn Geschwindigkeit ungewohnt. Nächte später, wenn der GPS 7-12 kn anzeigt, ist alles normal, das Rauschen am Heck und die Wellen, welche uns hochheben, alles nur Gewöhnung.
Heute gibt es schnelle Küche: Tomaten und Cornetbeef. Morgen dann zur Abwechslung Cornetbeef und Tomaten. Es muß schnell gehen. Schlafen ist wichtiger.
Wir Segeln parallel zu einem Gewitter mit Wetterleuchten. Die Wolkenwalze senkt sich herab wie in Gibraltar oder der Föhn von der Zugspitze.
Bei uns hat der Nordost-Passat überwiegend eine Nordkomponente, die besonders nachts bei durchziehenden Wolken schon für die eine oder andere Aktivität sorgt. Urplötzlich ist man bei einem sonst relativ glattem Wasser mit Wellenbergen und Tälern konfrontiert, die genau so plötzlich wieder verschwinden. Das gibt wellengebeutelte Gemüter, denn das überkommende Wasser ist eine salzige Angelegenheit für Kat und Crew und vor allem dem Rudergänger.
Wir durchfahren eine Strömung mit mächtigen Kreuzseen. Dazu laufen Passat und Windwellen nicht konform und es entstehen kleine spitze Pyramiden auf der Wasseroberfläche. Gerhard übersetzt "Trans Atlantic" in die Indianersprache und das heißt also jetzt "Großes hupfertes Wasser".
In Form einer riesigen Fledermaus schiebt sich nachts drohend eine schwarze Wolke über Fun Too. Zieht an einer unsichtbaren Leine und ergießt ihren ganzen Regeninhalt wie einen Wasserfall auf uns. Im Nu bin ich klitschnass. Gerhard sitzt dann 1 Stunde wie die Wacht am Rhein im Platzregen an der Pinne. Das war die Bekanntschaft mit dem ersten sogenannten Squall. Dazu rauscht ohrenbetäubend die Heckwelle. Dann folgen Perioden mit sehr hohen Wogen. Wenn in Augenhöhe etwas Weißes vorbeischwebt, ist es die Schaumkrone einer Welle, die hinter mir bricht: schschch. Es klingt, als ob ein LKW Kies ablädt, immer, immer wieder. Die Nacht deckt gnädig alles zu.
Überall dicke Wolken. Wo seid ihr Sterne, Abwechslung einsamer Wachen? Denn es gibt z.Zt weder Sonnenauf- noch -Untergänge. Es gibt nur tiefhängende Wolken, grau in grau. Bleifarben der Himmel und trostlos die Weite des Meeres, daher keine Sternenpracht. Dafür öfters mal Regen. Er kommt daher wie ein dichter Vorhang, steigert die Tristesse und drückt die Stimmung.