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Holger, Liping & Aurora Ulani Jacobsen, krautholg@gmail.com
Es brauchte drei Anläufe, drei Mehrrumpfboote und 25 Jahre bis ich meinen Traum von einer Weltumseglung wahr machen konnte. DHARMA BUM schaffte es immerhin bis Französisch Guyana. DHARMA BUM II wurde zwischen Tahiti und Tonga vom Blitz getroffen, womit die Reise in Tonga zu Ende war. Erst mit DHARMA BUM III sollte es klappen.
Meine Frau aus Taiwan, Gloria, unsere Tochter Aurora Ulani und ich kauften das Boot auf Tortola, reparierten sechs Monate daran herum und segelten nach Trinidad, wo weitere sieben Monate Arbeit auf uns warteten. Im wunderschönen Bequia, wo sich die Hummer unter unserem Boot tummelten, beschlossen wir dann nicht nach Trinidad zurück zu kehren, sondern direkt nach Panama zu segeln.
Es folgte das schlechteste Wetter unserer Laufbahn. Kaum waren wir in der Gegend von Cartagena, da blies es drei Tage lang nie weniger als 50 Knoten. In den Böen kamen wir sogar auf unglaubliche 75 Knoten, wobei die Wellen die Höhe unserer 2. Saling erreichten. Dabei war der Wetterbericht ganz harmlos gewesen. Als wir in Colon ankamen fragte unser Freund Michael Herbst von der TANOA, ebenfalls ein Privilege Katamaran: “WAAAS?!? Bei diesem Wetter wart ihr da draußen?” Dann zeigte er uns Fotos von total zerstörten Schiffen, die bei der Gelegenheit auf den Strand geworfen worden und meinte, dass so gut wie alle Ankerlieger abgetrieben wären. Eine Yacht war sogar gesunken. Ich war ihm dankbar für die Bilder, denn ohne die hätte uns garantiert niemand geglaubt.
Weiter ging es ohne Autopilot nach Galapagos, was wochenlanges Steuern per Hand bedeutete. Nicht wirklich zu empfehlen, aber es war längst nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Nach einiger Zeit konnte ich prima mit den Füssen steuern und nebenbei sogar noch ein Buch lesen. Galapagos war natürlich wunderbar, zumal ich vorher gerade das Buch “Voyage to Galapagos” von W.A. Robinson gelesen hatte. Als ich nachts allerdings gleich fünf riesige Seelöwen in der Plicht vorfand, hatte ich langsam genug. Wir wollten zurück in die Südsee, um Freunde von dem Törn mit dem Trimaran DHARMA BUM II in 1995 als auch von meinem ersten Besuch in 1987 wiederzusehen. Wir hatten nicht vor, möglichst viele Inseln anzulaufen, sondern möglichst viel Zeit mit unseren polynesischen Freunden zu verbringen.
Das klappte auch vorzüglich, denn der “Coconut Telegraph” funktioniert besser denn je. Schon beim Einklarieren in Hiva Oa wusste die ganze Insel, dass wir “Koki” in Tahuata besuchen wollten. Dorthin war ich ursprünglich aufgrund eines Buches gesegelt, und zwar “Tagedieb und Taugenichts” von Hugo Wehner. Ein tolles Buch! Auch der Name unseres Bootes kommt von einem Buch, und zwar “The Dharma Bums” von Jack Kerouac (“Gammler, Zen und Hohe Berge”). Der Besuch der Bucht Hana Moe Noa war traumhaft, aber das Willkommen im Dorf Vaitahu übertraf alle unsere Erwartungen. Augustin “Koki” Vaha und seine Frau Titi ließen absolut nichts unversucht, unser Leben angenehm und interessant zu gestalten. An Bord essen wurde uns allerdings nicht erlaubt, da sich jedes entfernte Familienmitglied – und dazu gehört fast die ganze Insel – sehr um die Ehre bemüht war, uns zu einem Gelage einzuladen. Immer wieder wurde uns gesagt: “Ihr seid ja wirklich wiedergekommen!!!” Zum Abschied wurden wir mit einem Berg (im wahrsten Sinne des Wortes) von Abschiedsgeschenken überhäuft und weiter ging es zu Pita Temanaha in Takaroa auf den Tuamotus. Fast war ich zu traurig weiter zu fahren und eine Insel zu verlassen, wo man wilde Pferde noch komplett ohne Hilfsmittel und barfuß fängt, wo die Berge steil vom Palmenstrand bis in den Himmel stoßen und wo es von frischen Früchten und Gemüse nur so wimmelt.
Pita sagte uns gleich, dass wir in die Lagune rein fahren sollten, um auch dieses Mal direkt bei seiner Perlenfarm zu ankern. Er sprang mit unserem schweren Anker über Bord und rannte dann so lange auf dem Meeresgrund damit herum, bis er sicher war diesen auch gut vergraben zu haben. Natürlich alles ohne Luft zu holen. Bald kam auch “Lucky Luke” vorbei und zusammen mit Pita und noch ein paar anderen Leuten fingen sie an ihre Musik zu machen, wobei das einzige traditionelle Musikinstrument Pitas Gitarre war. “Lucky Luke” spielte auf zwei Löffeln, womit er ganz erstaunliche Töne hervorbringen konnte. Auch hier folgte ein Fest dem anderen, aber die Zeit drängte, denn irgendwann fängt ja immer wieder die Wirbelsturmsaison an.
In Tahiti verweigerten sie Gloria aufgrund ihres Taiwan-Passes eine Visumsverlängerung, so dass wir hastig Lebewohl sagten und weiter segelten nach American Samoa, Samoa und Fidschi. Hier trafen wir viele andere Yachties, die wir zum Teil in allen möglichen entlegenen Teilen der Erde wieder treffen sollten. Allerdings trennten sich unsere Wege erst einmal, denn wir hatten nicht vor nach Australien oder Neuseeland zu segeln, wie fast alle anderen Boote. Statt dessen lockte uns das Gebiet, das Wilfried Erdmann in seinem Buch “Gegenwird im Paradies” beschrieben hatte. Das Ziel war Tarawa in Kiribati (ausgesprochen Kiribas). Der Zöllner kam barfuß an Bord, was wir als angenehm empfanden. Auch sonst sind die Inseln nördlich des Äquators eher so wie die Südsee vor etwa 30 Jahren. Boote sind so gut wie gar keine da. Die Armut ist allerdings ganz ungeheuerlich. Trotzdem ist das Lächeln der I-Kiribati so unvergleichlich, dass man die Leute tatsächlich selbst im Ausland daran erkennen kann.
Wir erlebten viele tolle Abenteuer und lernten viele interessante Leute kennenlernen, aber all diese Geschichten würden ohne Zweifel ein Buch ganz alleine füllen. Weiter ging es zu den Marschallinseln, die für uns zu einem der Höhepunkte auf dieser Reise werden sollten. Der Grund dafür lag in zwei komplett voneinander getrennten Begebenheiten. Durch Zufall lernte ich eine Gruppe von Marschallesen, Leuten aus Nauru und anderen Mikronesiern kennen, die mich ganz schnell in ihren Freundeskreis aufnahmen. Anton de Brum war der beste Fischer den wir je gesehen hatten und bald war unsere Familie jeden Tag bei Johnny Willis zu Gast, der in einem Haus direkt am Wasser wohnte.
Und ebenfalls durch Zufall, lernten wir eine ganz andere Gruppe Leute kennen. Da Taiwan nur mit etwa 23 Ländern diplomatische Beziehungen hat, hatte wir es uns angewöhnt auf den Botschaften von Taiwan immer einen Anstandsbesuch zu machen. Diese wiederum waren immer sehr angetan und stellten uns den Entwicklungshelfern und anderen Leuten aus Taiwan vor die im Lande arbeiteten. Gloria war auch immer wieder froh, wenn sie sich auf Mandarin-Chinesisch mit jemandem anderen aus Taiwan unterhalten konnte. Bei Botschafter Bruce Linghu war es allerdings etwas ganz besonderes. Er und seine Gang lasen uns wirklich jeden Wunsch von den Augen ab und er wurde mit der Zeit zu einem wirklich guten Freund.
Da es uns nördlich des Äquators so gut gefiel, sind wir noch ein weiteres Mal nach Kiribati und wieder zurück auf die Marshall Islands. Doch irgendwann musste DHARMA BUM III aus dem Wasser, was dort oben nicht ganz so einfach ist. Folglich ging es runter nach Vanuatu und weiter nach Neuseeland. Wie in der Gegend üblich, gab es natürlich Starkwind, so dass wir in Opua Schutz suchen mussten. Das war eine glückliche Fügung, denn so traf ich auch mit dem 3. Boot wieder auf Roy Starkey von der SEALOONE, den ich schon seit 1989 kenne und auf jeder Reise wieder getroffen habe. Roy lebt seit 40 Jahren auf seinem selbst gebauten Boot, hat drei Mal die Welt umsegelt und erzählte uns bitterböse, dass er nicht mehr mit US$ 2000 im Jahr (!!!) auskomme, um die Bootskosten und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er riet uns unbedingt nach Madagaskar zu fahren, denn das wäre zusammen mit Chagos doch das Beste. Daraus wäre fast nichts geworden, denn Neuseeland gefiel uns dermaßen gut, dass wir fast da geblieben wären.
Doch wir hatten noch mal Glück und mitten im Winter – drei Tage lang Eis an Deck – ging es los direkt nach Norden, dann zwischen Vanuatu und Neukaledonien hindurch auf die Torresstraße zu, dort nonstop hindurch und weiter nach Darwin. Segeltörns von einem Monat gefallen uns ganz ausgezeichnet, bei längeren wird das Futter nach einiger Zeit etwas eintönig. Kurze Segeltörns lieben wir dagegen ganz und gar nicht, da man nie genug Zeit hat sich an den Rhythmus der Sechs-Stunden-Wache zu gewöhnen.
Darwin war mit 40°C fast schon ein wenig zu warm. Außerdem zogen sie im Jahr etwa 200 Salzwasserkrokodile aus dem Hafen und der Tidenhub war ganz enorm. Trotzdem besuchten wir den beeindruckenden NT Wildlife Park, bestaunten die riesigen Termitenbauten, streichelten die Wallabys (kleinere Känguruart) und hatten auch sonst eine Menge Spaß. Als wir Visa als auch das Cruising Permit (CAIT) für Indonesien hatten, ging es mit einer kleinen Unterbrechung weiter nach Bali. Ashmore Reef ist ein Naturschutzgebiet und wird von unzähligen Seevögeln bewohnt, während die Seeschildkröten dorthin zur Eiablage kommen. Wir können nur jedermann empfehlen, dort einen kurzen Zwischenstopp einzulegen.
In Bali stand eine sehr starke Gegenströmung, so dass wir kaum mehr voran kamen. Wir kamen erst richtig weiter, als die Tide kenterte. Und Bali selbst erschien uns auch ganz anders, als wir es von früheren Besuchen in Erinnerung hatten. Es war nicht nur, dass inzwischen einige Jahre vergangen waren, sondern es lag vielmehr daran, dass wir dieses Mal mit dem Boot da waren und nicht mit dem Flieger. Wir genossen die leckeren Suppen im “Warung” (Mini-Billig-Restaurant), aber wir mussten schon bald weiter, da wir laut unseren Papieren nur insgesamt 60 Tage Zeit hatten. Das ist nicht so furchtbar viel wenn man sich auf den Wind verlassen muss.
Wind war aber so gut wie gar keiner da. Nachts sahen wir riesige Flottillen von “Lichtfischern”, die mit ihren grellen Lampen die Tintenfische anzogen. Als wir mitten durch so eine Flotte hindurchsegelten, war DHARMA BUM III taghell erleuchtet. Da so gut wie gar kein Wind war und ich mich weigerte das “Röcheleisen” – auch eiserne Genua genannt – anzuwerfen, dauerte es 31 Tage bis wir in Batam gegenüber von Singapur ankamen. Da wurde mir allerdings von Gloria unmissverständlich erklärt, dass wir in Zukunft doch den Motor anwerfen würden, oder aber es würde Stress geben.
Singapur war für uns fast wie nach Hause kommen. Ich war 1982 nach Taiwan gegangen und Gloria war dort aufgewachsen. Es gab allerdings auch einige gravierende Unterschiede. Während in Taiwan die Bevölkerung so gut wie ausschließlich aus Chinesen besteht, so gab es in Singapur zusätzlich dazu noch Inder, Malaien und Kaukasier. Im Changi Sailing Club fühlten wir uns sofort wohl und durch Zufall bekam das Fernsehen Wind von uns. Sie machten einen halbstündigen Dokumentarfilm über unser Leben, der eine unser besten Souvenirs von dieser Reise ist.
Vor der Malakkastraße waren wir oft gewarnt worden und tatsächlich war der Schiffsverkehr enorm. Innerhalb des Fahrwassers fuhren Tanker und Containerschiffe mit einem Affenzahn durch die Gegend, während außerhalb Schlepper mit Lastkähnen in die andere Richtung fuhren. Zusätzlich gab es dann noch Fischer und unzählige Treibnetze. Diesen wichen wir unterwegs erfolgreich aus, wobei man höllisch auf der Hut sein musste. Doch eines Nachts trieb so ein Netz in unsere Ankerkette, worauf ein längeres Palaver mit den Fischern folgte. Fast hätte uns noch in einer Regenbö ein kleiner Frachter über den Haufen gefahren, bevor wir sicher in Kuah, Langkawi ankamen.
Dass wir uns dort so wohl fühlten, lag hauptsächlich an “Auntie”, einer älteren Chinesin, deren Familie dort einen Tiefkühl-Laden betrieb. Meine beiden Mädels verließen mich vorübergehend, um Familie in Taiwan zu besuchen, während ich mich mit RARE EARTH-Henry um unsere Motoren kümmerte. Bei der Hitze wahrlich kein Vergnügen, aber um die Welt segeln heißt eben nicht nur an Palmenstränden zu relaxen und kühle Drinks zu schlürfen. Nicht einmal die einzigartigen Seekühe (Dugongs) konnten uns verleiten, länger in Langkawi zu bleiben und das aus einem ganz einfachen Grund. Es gab viel zu tun an unserem Boot und der beste Platz dafür schien Thailand zu sein.
Nach einem kurzen Besuch auf den Inseln der Butang Gruppe kamen wir nach Phuket, beschlossen aber sofort, dass wir uns die Inseln noch einmal gründlicher ansehen und dann nach Langkawi zurück kehren wollten. Im Phuket Ship & Dockyard wurde DHARMA BUM III aus dem Wasser geholt und los ging’s mit der Arbeit. Diese zog sich so lange hin, dass wir einen Visa-Trip nach Singapur machen mussten. Abends saß ich oft direkt vor meinem Boot und bewunderte die neue Lackierung. Alles blitzte und funkelte! Mit einem alten Freund verbrachten wir dann noch einmal Zeit auf den Inseln, um danach zurück zu fahren nach Langkawi. Dort lud uns “Auntie” ein das Chinesische Neujahrsfest mit ihrer Familie zu verbringen. Wie so oft, sind die im Ausland lebenden Chinesen in vieler Hinsicht noch chinesischer als die in China oder Taiwan lebenden. So stellte dieses Fest alles in den Schatten, was wir bis jetzt kannten. Vom Essen natürlich ganz zu schweigen, denn die Chinesen sind Gourmets allererster Klasse.
Der nächste Stopp sollte einen unvergleichlichen Höhepunkt dieser Reise bilden. Mitten im Indischen Ozean liegt der Chagos Archipel, von dem nur eine einzige Insel bewohnt ist. Diese Insel darf man allerdings überhaupt gar nicht anlaufen. Alle anderen Inseln sind Naturschutzgebiet und dürfen nur mit besonderer Genehmigung angelaufen werden. Wir waren eigentlich auf dem Weg zu einem anderen Atoll, als wir eine Funk-Nachricht unseres Freundes Arne von der IEMANJA bekamen: “Hier am Strand tollen 14 Kinder herum!” Wie ein Hase auf der Flucht schlugen wir einen Haken und änderten den Kurs zum Peros-Banhos Atoll.
Wir wurden nicht enttäuscht. Im Gegenteil! Für alle Beteiligten hat sich aus der gemeinsamen Zeit in Chagos ein besonderes Band der Freundschaft ergeben und für die Kinder war es wie das Paradies auf Erden. Der Fischreichtum stellte selbst die Marschallinseln und Kiribati noch weit in den Schatten, das Wasser war so klar wie irgend möglich und die Atolle waren genau so, wie man sich es vorstellt. Einen Laden gab es dort natürlich nicht und so lebten alle außer von Fisch nur von mitgebrachten Vorräten. Auf fast jedem Boot gab es nach einiger Zeit zum Frühstück Fisch, zu Mittag Fisch, zum Abendessen Fisch und als “Snacks” ebenfalls Fisch. Wir tauschten Fischrezepte aller Arten aus, der Fisch wurde gedämpft, gedünstet, gekocht, gebraten, frittiert, luftgetrocknet, geräuchert, fermentiert und vieles andere mehr. Da Gloria aus Taiwan kommt und man dort besonders viel Fisch isst, konnte sie sogar die Kinder von ihren frittierten Bonitos a la Gloria überzeugen, die sich sonst strikt geweigert hatten Bonitos zu essen. Wie gut können wir Leute verstehen, die seit 10 Jahren mit dem Monsun immer wieder dorthin segeln!
Es folgte einer der besten Törns unserer Reise. Dazu muss man sagen, dass so etwas sehr vom Boot abhängt. Wir hatten die ganze Zeit 25 Knoten ziemlich genau von hinten und so rauschten wir wie auf Kufen nach Mauritius. OBERON war fast zur gleichen Zeit auf derselben Route unterwegs, hatte aber einen eher unangenehmen und nassen Trip. In Mauritius angekommen trafen wir BYAMEE, OBERON, TANOA und viele andere Boote, die wir schon von früher kannten. TANOA hatte eine Reise um Südaustralien hinter sich und wir verbrachten viel Zeit zusammen. Auch Elie, Marie-Laure und Jules von der OBERON wurden in der Zeit zu guten Freunden. Überhaupt vertieften sich alten Freundschaften auf eine Art und Weise, dass sie wohl ein Leben lang bestehen bleiben werden.
Für mich war erst einmal wieder Arbeit angesagt, aber dieses Mal nicht am Boot. Nachdem unser Buch über die Reise mit DHARMA BUM II “Destination Paradise” auf Chinesisch in Taiwan verlegt worden war, wollte ich nun endlich auch meinen Roman “Double Trouble at Sea” verlegt sehen, dieses Mal auf Englisch und in den USA. Es war zwar ziemlich viel Arbeit, aber als ich die “Proof” (Vorabdruck) zugeschickt bekam, war ich doch von einem tiefen Gefühl der Zufriedenheit erfüllt. Gloria schreibt schon an ihrem nächsten Buch und auch bei mir soll ein weiterer Roman folgen, dieses Mal hoffentlich auf Deutsch!
Seit Chagos war unser Leben auf einmal voll von Kindern. Für Aurora Ulani war es etwas ganz besonderes, dass sie sich nicht nur mit den Chinesenkinder unterhalten konnte, sondern auch mit den Bootskindern, welche entweder Deutsch oder Englisch sprachen. Oft waren die Kinder zusammen mit dem Strandkajak unterwegs oder rannten am Strand durch die Gegend. Trotzdem wurde die Schule nicht vernachlässigt, denn da war erstens die reguläre Calvert School auf Englisch, wozu noch Deutsch und Mandarin-Chinesisch kamen. Es gab einige Leute, die der Ansicht waren, dass wir es etwas übertrieben, aber wir ließen uns nicht irrig machen. Zum einen kommt Gloria ursprünglich aus einem Slum (gibt es dort heutzutage nicht mehr) und hat sich einzig und allein durch harte Arbeit zur besten Uni und Stipendien emporgearbeitet, so dass ihre Studienkolleginnen jetzt fast alle bei Goldmann-Sachs, McKinsey und ähnlichen Firmen in der Top Finanz Ebene arbeiten. Zum anderen ist Aurora Ulanis Muttersprache Mandarin-Chinesisch, während die Schule hauptsächlich auf Englisch statt findet.
Roy Starkey von der SEA LOONE hatte uns nicht nur Chagos, sondern auch Madagaskar ganz besonders ans Herz gelegt. Die Ecke war 2011 nicht so ganz ohne, denn die Piraten trieben im Norden ihr Unwesen, während man in Süden mit ernsthaft schlechtem Wetter rechnen musste. Keine leichte Entscheidung. Wir kennen sogar Leute, die wegen der Piraten Chagos aufgegeben und später sogar ihr Boot verkauft haben. Andere waren gekidnappt worden und lange in Somaliland in Gefangenschaft gewesen. Ein Freund von uns konnte den Piraten auf seinem schnellen Outre Mer Katamaran entfleuchen, da ihn die Behörden per Satellitentelefon gewarnt hatten. Noch ein anderer Freund hörte auf UKW-Sprechfunk den Hilferuf eines Frachters, obwohl er bei Mayotte hinter dem Riff vor Anker lag.
TANOA entschied sich für die südliche Route, während wir OBERON auf der nördlichen folgten. Wir verbrachten viel Zeit in Manumpana bei den französischen Entwicklungshelfern, fuhren nördlich mit einem Supertempo um Cap Ambre herum und verbrachten noch einmal viel Zeit in Crater Bay, Russian Bay und vielen anderen Buchten weiter südlich davon. Anfangs litten wir ernsthaft an Kulturschock. Jeder einzelne Beamte war korrupt, im Hochland hatten die Kinder Hungerödeme, der Urwald wurde systematisch zerstört, Diebstahl und andere Verbrechen waren an der Tagesordnung und auch sonst hatte man sich an so einiges zu gewöhnen. Andererseits war die Natur einfach nicht zu beschreiben. Viele Tiere und Pflanzen auf Madagaskar kommen nur dort vor und wenn man – wieder mal durch Zufall – auf einer einheimischen Hochzeit im Dschungel landet, fühlt man sich in die Steinzeit zurück versetzt. Die Dhaus sind heute noch genau so wie sie vor vielen Hundert Jahren von den Arabern dort eingeführt wurden. Alles sehr faszinierend, aber leider auch traurig. Mit gemischten Gefühlen segelten wir in Richtung Südafrika.
Gerade in Bazaruto (Mozambique) angekommen, erfuhren wir dass alle unsere Freunde gerade im Aufbruch begriffen waren, da ein gutes “Wetterfenster” sich aufgetan hatte. Also segelten wir mit SALSA-Kirk, LUNA-Lars, MERLIN-Palain und anderen Freunden gleich weiter nach Richards Bay. Das Wetter hielt nicht, was es versprach. Wir drehten ab nach Maputo, doch dann besserte sich das Wetter wieder und weiter ging’s nach Richards Bay. Natuerlich wurde das Wetter fast sofort wieder ruppig, wozu sich noch eine steile See aufbaute. Auf einmal rief Aurora Ulani: “Du Papa, was machen all die Drähte da am Want?” Als ich sah, was sie meinte wurde mir ganz anders. Wir waren gerade drauf und dran den Mast zu verlieren, denn eine Kardeele nach der anderen brach und ich konnte gerade noch das Schlimmste verhindern.
Die Einfahrt nach Richards Bay war ebenfalls dramatisch, denn auf einmal gab es richtig Wind und zwar gegen den Strom. Überhaupt war diese Ecke alles andere als einfach zu bewältigen. Mehrere Boote mussten rein geschleppt werden und bei zwei Booten gab es ernst zu nehmende Unfälle. Doch wie so oft hatten wir Glück, denn ohne Glück geht gar nichts. Mit TANOA und ARCTRACER sahen wir uns diverse Gameparks an, was besonders bei unserer Tochter einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Noch zwei Jahre später spricht sie andauernd davon.
Die “Wild Coast” war für uns eine Zitterpartie, wie überhaupt die ganze Südafrika-Tour nach Kapstadt. Die Wetterberichte mögen früher gut gewesen sein, aber bei uns waren sie durchweg falsch. TANOA und PSYCHE drehten um und kamen nach Durban zurück, nachdem sie insgesamt etwa 300 Seemeilen gesegelt waren. Für uns war in Richards Bay eine neue Want fällig, in Durban ein neuer Kurskomputer für den Autopiloten, während in Port Elisabeth gleichzeitig beide Steuerseile rissen. Wir mussten in Struisbaai ankern, da das Wetter umschlug und nach der Umrundung von Kap Agulhas in Hermanus Schutz suchen, was zwar wunderschön war, aber eigentlich für so etwas überhaupt nicht geeignet. Palain hätte fast sein Boot verloren, da er sich fast nicht von der Küste hätte freikreuzen können. Wir waren heilfroh als wir endlich im Hout Bay Yacht Club sicher am Steg lagen, denn ein Ankern war bei den Fallwinden dort von 60 Knoten einfach zu gefährlich. Später erlebten Freunde dort Winde von über 100 Knoten.
Endlich konnten wir nicht nur Seelöwen und Pinguine beobachten, sondern auch Albatrosse, als wir mit SALSA zusammen aufbrachen um ein letztes Mal den Atlantik zu überqueren. Es gab einen ungeplanten Zwischenstopp in St. Helena, da uns ein Stutzen an der Pumpe abgebrochen war und wir unbemerkt alles Süßwasser verloren. War aber weiter nicht tragisch, da wir von so gut wie allem Notreserven an Bord haben.
Auch hier hatten wir wieder viel Wind von hinten und das Segeln war einfach herrlich. Das ging so weiter bis Itaparica in Brasilien. Danach ging es langsam weiter bis nach Trinidad, wo ein weiterer Film gedreht wurde, dieses Mal von einer deutschen Kamerafrau. Wir segelten noch kurz hoch nach Martinique zu Karl und Libu auf der ROSINANTE, die schon seit 1989 zu meinen guten Freunden gehören.
Die Weltumsegelung war beendet und wir fingen langsam an uns auf “die Zeit danach” einzustellen. Aurora Ulani wird auf eine kleine Grundschule in Oeversee bei Flensburg in die 4. Klasse kommen, Gloria und ich wollen beide wieder schreiben und natürlich müssen wir wieder ernsthaft damit anfangen Geld zu verdienen. Zeit unseres Lebens werden wir an die Weltumsegelung zurückdenken und uns nach all den Freunden aus aller Herren Länder sehnen. Und vor unsere Augen wird ein Film ablaufen mit wunderschönen Naturlandschaften von überall her.