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von Hans Böbs, SY “Snowball”, info@mareschmuck.de
Es sind ja erst 2 Jahre vergangen, 2011 war ich in Grönland und auf Neufundland. Aber schon beginnt die Erinnerung zu verblassen. War es wirklich dort und war das wirklich ich? Vielleicht doch mal alles in Ruhe aufschreiben und festhalten.
Mai, Juni und Juli habe ich frei. Und ich will nach Grönland. Warum ? Man glaubt es kaum, aber das Wort gefällt mir so gut ! Man kann es so schön rollen und dieses ööööö so schön tief aus der Kehle holen. Na ja, und dann auch all’ diese Geschichten, die man als Junge gelesen hat…
Wenn man nicht gegenan knüppeln will, führen 2 Wege dorthin: Entweder nach Norden, um nördlich der atlantischen Tiefs mit dem Ostwind zu segeln, der ist aber Anfang Mai noch eisig kalt; oder erst mal nach Südwesten, zu den Azoren, um von dort mit den Westwinden nach Nordwest zu gehen. Für diesen zweiten Weg entscheide ich mich. Auch weil ich die Azoren so mag.
Bis Plymouth ist mein Freund Jürgen mit an Bord, danach geht es einhand weiter.
Geburtstagstisch auf See
Ich fühle mich wohl an Bord , feiere meinen Geburtstag zwar allein, aber kein bisschen einsam.
Dafür sorgen schon die vielen interessanten Päckchen, die ich aus der Hundekoje fische.
10 Tage nach Plymouth laufe ich an einem Sonntag in Angra do Heroismo auf Terceira ein. Ein kleiner netter Hafen, sehr tranquilo, die kleine Kirche bimmelt regelmäßig, die Sonne scheint, ich sitze im Cockpit und bin einfach nur glücklich.
Neben Snowball liegt ein interessantes Alu-Boot, die „Lua“, Heimathafen hier in Angra. Dino, der Eigner ist ein junger Einheimischer, er hat sich sein Boot als Schale in Frankreich bauen lassen, den Rest selbst gemacht. 8 Jahre gespart, Haus verkauft, alles für den Traum, auf große Fahrt zu gehen. Erstes Traumziel soll Island sein, irgendwann. Frühmorgens frickelt er schon vor der Arbeit an seinem Boot herum, nach Feierabend findet man Dino gleich wieder an Bord.
Zum Abschied steht er mit 2 Salatköpfen aus seinem Garten für mich am Steg. Schöne Geste, Südseefeeling. Es müssen nicht immer Kokosnüsse sein.
SY „Lua“ in Angra
Vorschau:
2 Jahre später, ich habe gerade Irland hinter mir gelassen, bekomme ich eine mail von Dino. Er hat seine Traumreise angetreten, Richtung Island. Am 6. Tag auf See hat er Ruderschaden und sich nach vielen Versuchen mit Notruder schließlich von einem deutschen Frachter abbergen lassen. 8 Tage später wird er in New York abgesetzt, fliegt nach Lissabon und versucht nun, seine Lua, die nach den Berechnungen irgendwo bei Irland oder Schottland treiben müsste, zurück zu bekommen. Dino braucht Rat und Hilfe. Ich mache ihm zwar nicht viel Hoffnung, leite aber seine mail an einen Freund in Irland weiter, der die Coast Guard von Irland und Schottland informiert, die wiederum die Fischer in der Gegend anfunkt. Man glaubt es kaum, aber Lua wird nach etwa 3 Wochen Drift von einem Angelkutter geborgen und nach Irland eingeschleppt. Die Bergeprämie bleibt sehr moderat und Dino hat sein Schiff wieder. Mein irischer Freund und Dino überführen das leicht beschädigte Boot zu einer Werft, alles wird gut. Ich bin sehr glücklich, dazu beigetragen zu haben. In den nächsten Tagen male ich mir aus, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich selbst das treibende Boot gefunden und auch gleich noch gewusst hätte, wem es gehört. Schade, so viel Zufall gibt es wohl nur im Film.
Manchmal hört man kritische Stimmen über Horta. Ich kann da nicht mit einstimmen. Für mich ist Horta noch immer ein Mekka der Hochseesegler, alle Segler, die sich hier treffen, haben mindestens einen halben Ozean überquert und sind deshalb gut drauf. Entsprechend ist die Stimmung. Man kommt leicht in Kontakt und auch die Einheimischen sind freundlich und aufgeschlossen. Allein dieses Scenario: Du segelst in den Hafen, wirfst Anker, klarierst ein und gehst dann zu Peter ins Cafe Sport und fragst nach deiner Post. Und Peter hat Post für dich ! Einfach großartig. So ähnlich steht’s in den Büchern der frühen Weltumsegler, die ich als Junge verschlungen habe – also, die Bücher.
Wunderbare Nachtfahrt, hoch am leichten und warmen Wind nach Flores, der Azore ganz im Nordwesten des Archipels. Am VHF höre ich viele andere Segler, die meisten kommen von Bermuda oder USA. Hauptthema: wie viel Diesel habt ihr verbraucht, wie viel ist noch in euren Kanistern an Deck etc. War wohl viel Flaute.
Der Hafen von Lajes auf Flores ist noch im Bau, macht nix. Blöder ist, dass das Angebot an frischen Lebensmitteln nicht so doll ist, wo ich hier doch für den langen Schlag nach Grönland verproviantieren will. Eine Monstertour mit meinem Bordfahrrad nach Santa Cruz bringt zwar ordentlich Training für die Beine, aber da gibt’s auch nicht wesentlich mehr Gemüse.
Meine eigene Analyse der Großwetterlage stimmt recht genau mit der vom DWD überein, das versetzt mich in Hochstimmung und füllt mich mit Zuversicht für meine morgige Abreise.
Frühmorgens am 1.Juni laufe ich aus. Weil ich weiss, dass die Frischs mit ihrer „Heimkehr“ in der Nähe sind, rufe ich einfach mal auf UKW und habe sofort Bert an der Strippe. Somit habe ich die Ehre, die Heimkehr als erster wieder in Europa begrüßt zu haben.
Wir passieren Corvo
Erst mal 2 Tage Kurs Nordost, um auf der Vorderseite eines heranrückenden Tiefs zu bleiben, dann Kurs NW, nach Grönland. So kurve ich noch mehrmals zwischen den Druckgebilden herum und erreiche mit Hilfe der über das Iridium empfangenen Wetterdaten wahrhaftig, dass der Wind durchgehend günstig bleibt. Wenn ich mich an die 14 Tage auf See erinnere, fällt mir hauptsächlich eines ein: Urlaub auf See !
Ich habe meine Bordroutine, meinen Schlafrhythmus, meine kleinen Rituale und es geht mir einfach gut. Hatte ich westliche Winde erwartet und mich darauf vorbereitet, auch mal gegen Nordwest kämpfen zu müssen, evtl. sogar nach Neufundland auszuweichen, werde ich in Wirklichkeit mit Südost- bis Ostwind beschenkt.
Noch bin ich 800 sm von Grönland entfernt und rechne mit mindestens 6 Tagen bis Kap Farvel. Aber eine erste Kontaktaufnahme mit der grönländischen Ice Patrol kann nicht schaden. Prompt erhalte ich eine E-Mail zurück. Sehr freundlich wird mir erläutert, dass der Eisgürtel an der Westküste Grönlands zur Zeit noch bis Paamiut/Frederikshab hinaufreicht, ein Landfall südlich davon also nicht möglich sei.
Das bedeutet, dass z. B. die Häfen von Quaqartoq und Nanortalik für mich nicht erreichbar sind. Es bedeutet auch, dass ich so ca. 200sm mehr absegeln muss bis zum ersten Hafen auf Grönland. Macht aber nichts. Unter diesen Bedingungen könnte ich ewig weiter segeln.
Täglich wird es etwas kühler bis - schon auf der Breite von Kap Farvel - der Wind zulegt auf 8 Bft. und dabei so richtig eisig ist. 2° C und dann der Chill Faktor. Würde ja eigentlich nichts ausmachen, denn die Richtung stimmt noch immer. Allerdings gibt es da diese blaue Linie in der Seekarte, die ich schon längst überfahren habe. Nördlich davon ist mit Eisbergen zu rechnen und vor denen habe ich gehörig Respekt. Das Radar zeigt mir wohl die großen, so hoffe ich, aber bei den Growlern ? Zumindest nachts keine Chance. Restrisiko.
Jedenfalls bin ich froh über das Tageslicht. Der Wind legt sich, der Himmel wird blau und die eisbedeckten Berge Grönlands sind klar auszumachen.
Meine Stimmung ist ein Mix aus Freude und Respekt . Als die ersten Eisberge und in deren Lee Treibeisfelder auftauchen, kehrt sich die Reihenfolge meiner Gefühle um. Auf deutsch: Ich hab ein bisschen Schiss. Mit Eis habe ich keine Erfahrung. Kreuze den ganzen Tag Richtung Paamiut, na gut, Gegenwind war lange nicht mehr. Spätabends brist es auf, dazu kommt Nebel, jetzt wird’s also interessant. Die letzten 15 sm will ich jetzt motoren, aber Seegang baut sich auf, Boot stampft sich fest, ich setze die Selbstwendefock dazu und falle etwas ab, sonst kriege ich keine Fahrt ins Schiff. Gleichzeitig muss ich scharf Ausschau halten, das Radar beobachten und natürlich navigieren. Sind das da die beiden Inseln, zwischen denen ich durch muss, oder doch Eisberge ? Schemenhaft tauchen Eismassen und kleinere Brocken auf. Jetzt eine 2. Person an Bord wäre nicht schlecht, als Einhandsegler kommt man hier schnell an seine Grenzen. Immerhin: es wird nicht mehr richtig dunkel und vor lauter Aktion spürt man die Kälte kaum.
Wrack in der Einfahrt nach Paamiut
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Snowball ist zwar gut isoliert und auch komplett dicht. Dennoch ist es jetzt auch unter Deck eiskalt und alles fühlt sich klamm an. Das ist die Sternstunde für Fräulein Refleks aus Dänemark, die in meinem Salon einen Ehrenplatz hat. Dummerweise kommt der Wind von Backbord, das mag sie nicht und erst als ich noch mal ab- und andersherum wieder angelegt habe, kann sie sich für mich erwärmen und das Leben an Bord wird wieder schön.
Kurzer Rundgang durch den Ort, große Körperwäsche im jetzt warmen Schiff und erst mal pennen. Ein paar Stunden später Höllengelärm, der Kutter ist der Abenteuerspielplatz der Dorfkinder, Schlaf wird schwierig… OK, Grönland wartet. Na ja, eigentlich scheint Grönland nicht wirklich zu warten, jedenfalls nicht auf mich. Nach Willy Ker’s guide book soll hier Folgendes sein: ein helpful tourist office, eine Dusche im Sportzentrum, eine Münzwäscherei. Das tourist office ist gleichzeitig Museum und zur Zeit geschlossen. Das Sportzentrum ist für gut geschlossen. Die Münzwäscherei kann ich nicht finden. Ich sehe in eher verschlossene Gesichter, niemand spricht Englisch. Einen Hafenmeister kann ich mit Mühe ausfindig machen, er spricht auch kein Englisch und interessiert sich nicht dafür wo ich festgemacht habe. Hafengeld ist unbekannt, einklarieren kennt man auch nicht. Mit den beiden letzten Punkten kann ich gut leben. Aber dänische Kronen einwechseln tät’ ich schon ganz gern, dann könnte ich wenigstens einkaufen, 2 Supermärkte sind da, ein Brugsen und ein Pilersuissoq. Keine Kronen, aber Kartenzahlung geht. Der Nebel will nicht weichen und hängt schwer über Fjord und Ort.
Mein Liegeplatz in Paamiut
Komisch, an Bord war ich zwar allein, aber nicht einsam, hier geht es mir umgekehrt.
Ich will hier nicht bleiben. Lege ab und motore den ganzen Tag bei meist pottendickem Nebel durch das Schärenfahrwasser nach Norden. Ankere in Ravns Storoe, geschützte Bucht mit einigen verfallenen Fischerbuden, völlig verlassen. Zum ersten Mal frage ich mich „Was machst du hier eigentlich ?“ Meine Antwort darauf besteht erst mal in einem Landgang, aber richtig befriedigen kann das nicht, denn ich stolpere im Nebel zwischen Brettertrümmern, Schneefeldern und sumpfigen Hochwiesen herum, mache ein paar Fotos und kehre dann an Bord zurück. Zum Glück ist auf einem Boot immer etwas zu tun und wie bestellt geht auch was an meiner bescheidenen Elektronik kaputt und hält mich vom Grübeln ab.
Am nächsten Tag in Queqertarsuatsiaq (Fiskenaesset) sieht alles schon wieder viel besser aus. Mit Jacob, einem freundlichen Inuk freunde ich mich an, er spricht ganz gut englisch und erzählt mir zum Beispiel von den Rubinvorkommen in der Nähe und ich erfahre von ihm, dass heute Abend in der kleinen Turnhalle eine Band ! spielt. Klar, dass ich da hin muss. Und die Post geht ab wie verrückt. Die Inuit geraten ganz außer Rand und Band. Zu vornehmer Zurückhaltung gibt es keine Gelegenheit, ich werde auf die Tanzfläche gezogen und kann mich erst um 04.00 morgens loseisen. Jacob besteht darauf, dass ich noch sein Haus besuche, da trinken wir noch was, er schenkt mir 2 Rubine und eine in Silber gefasste Eisbärenkralle. Seine hübsche Frau kommt auch nach Hause, und sitzt bald darauf im Nachthemd mit am Tisch und raucht einen Joint zum Abchillen.
Langsam gewöhne ich mich an die Eisberge. Bei klarer Sicht bieten sie ja auch wirklich einen prachtvollen Anblick. Je näher man heransegelt, desto bedrohlicher wirken sie aber. In diesem Seegebiet haben sie ja schon eine weite Reise hinter sich, von der grönländischen Ostküste um Kap Farvel herum und hier wieder die Küste nordwärts. Deshalb hat jeder Eisberg eine ausgespülte Hohlkehle knapp über der Wasserlinie. In diese Hohlkehle prallt die Dünung und verursacht ein dumpfes Grollen.
Spät abends erreiche ich Faeringehavn. Früher waren hier Fischer von den Färöern angesiedelt. Der Ort ist aber verlassen, bis auf 2 Häuser, in denen aber jetzt niemand ist. Tief in der Bucht liegt die Hulk eines Großseglers. Willy Ker schreibt was von government pier, hospital, summer camp. Ich finde davon gar nichts vor. Es gibt eigentlich keine Anlegemöglichkeit. Taste mich in einen geschützten Seitenarm, bringe den Heckanker aus und eine Leine an Land. Dann noch kochen und essen, darüber wird es 02.00. Nicht gerade eine Erholungsreise. Morgens Landgang:
Tiefhängende Wolken, ab und zu krächzt ein Rabe, ein kalter Wind pfeift durch den Geisterort. In manchen Häusern stehen noch die Kaffeetassen und Ascher auf dem Tisch, Türen schlagen im Wind quietschend hin und her. Gut, dass ich eine stabile Psyche habe. Ein Kamerad, mit dem ich das tolle Abenteuer „Geisterstadt“ zusammen erleben könnte, wäre trotzdem gut.
Weiter nach Norden. Heute erreiche ich Nuuk, Grönlands Hauptstadt. Hier geht man irgendwo längsseits an einen Kutter. Als braver Ostseesegler denke ich immer noch, dass hier doch ein Hafenmeister walten müsste. Stimmt auch, aber der ist ein hoher Verwaltungsbeamter, der nur für die Großschifffahrt zuständig ist. Für mich interessiert sich nach wie vor niemand. Auch gut. Im Seemannsheim freundlicher Empfang, hier kriege ich für 50 Kronen 2 Handtücher und eine endlose und perfekte heiße Dusche, die erste seit Horta vor wie viel Wochen ?
Gewissensbefragung in Nuuk: Soll ich weitersegeln zur Diskobucht, zu den richtig vielen Eisbergen oder wird mir der Dauerstress zuviel ? Ich glaube, jetzt bin ich mal vernünftig, das nächste Mal - wenn es eins gibt – will ich es dann mit der richtigen Begleitung versuchen.
Im Godthabsfjord
Für ein paar Tage segele ich in den Godthabsfjord, das zweitgrößte Fjordsystem der Welt. Fantastisch ! Kann mich gar nicht satt knipsen an der Berg/Schnee/Eis/Wasser- Szenerie. Trotzdem bin ich immer wieder enttäuscht über die Bilder: die Wirklichkeit war immer viel schöner und großartiger. Tief im Fjord, vor dem Dorf Kapisigdlit ankere ich und versuche, zu Fuß den Isfjord zu erreichen. Aber der einzige Lachsfluß Grönlands versperrt mir den Weg. Außerdem kommen auch noch die Moskitos aus den Löchern und gehen zum Angriff über. Erschöpft und zerstochen bin ich Stunden später wieder an Bord. Aber so schnell gebe ich nicht auf, am nächsten Morgen taste ich mich langsam unter Motor durch unvermessene Gewässer tiefer in den Fjord hinein und finde einen sehr geschützten Ankerplatz hinter einer Insel. Von hier aus gelingt endlich der Fußmarsch an den Isfjord. Das Gelände sieht einfach aus, ist aber sehr anstrengend zu begehen, die Stiefel sinken tief in den dicken und feuchten Bewuchs aus Gras und Moos ein. Ich merke aber auch, dass meine Beine doch wenig Training hatten in den letzten Wochen. Man sagt ja auch: „Hein Seemann ist nicht gut zu Fuß“. An Bord ist es doch am Besten.
Der Himmel ist blau, der Wind weht, ich kreuze den Fjord zurück, aber bald wird es schwierig, der Strom setzt gegenan, der Wind geht mal hoch auf Bft. 6, dann wieder runter bis Bft. 3, Segelwechsel noch und noch. Schließlich weht es richtig heftig und ich kämpfe mich mit Motor und Fock auf einen Ankerplatz bei Quornoq. Unheimlich hier, der Wind heult an den Berghängen und übers Schiff. Aber der Anker hält, der Ofen brennt. Home sweet home. Die Idee, hier zu warten, war gut, denn am nächsten Morgen ist es absolut still und ich motore den ganzen Weg bis Nuuk zurück.
Hier ist „mein“ Liegeplatz inzwischen besetzt und ich staune, als ich „Morgans Cloud“ erkenne. Mit John und Phyllis (www.morganscloud.com) hatte ich die letzten 2 Jahre E-Mail-Kontakt und bin ganz begeistert, die beiden hier zufällig zu treffen. Zusammen mit der Crew der schweizer „Chamade“ haben wir ein sehr lebhaftes potluck dinner auf Morgans Cloud. John rät mir, Snowball entweder hier in Grönland oder noch besser in Neufundland überwintern zu lassen. ( „You will find friends for life and they will look after your boat better than yourself “) Die Idee sinkt bei mir ein.
Nach ein paar Tagen in Nuuk gehe ich auf Heimatkurs. Zunächst wieder an der Küste entlang, lande ich 3 Wochen nach meinem ersten Anlauf wieder in Paamiut und siehe da, es ist ein ganz anderer Ort: Die Sonne scheint, gerade war Zahltag, die Menschen zeigen freundliche Gesichter. Mit Paolo, dem Skipper der „Quicksilver“ gehe ich ins Rathaus, wir fragen uns durch bis wir bei Helga landen. Die attraktive Inuk spricht sehr gut englisch und ist die „tourist consultant“ des Ortes. Zusammen mit der Quicksilver sind wir jetzt immerhin 4 Touristen in Paamiut. Grund genug für Helga, aktiv zu werden. Als erstes organisiert sie eine Dusche für uns und geleitet uns dazu persönlich durch den Ort in die Fischfabrik am Hafen, schließt die Dusche auf, seift uns die Rücken ein (uhps, das letztere habe ich wohl nur geträumt).
Dann organisiert sie mangels Restaurant ein echt grönländisches Essen in einer Familie. Es gibt Fischsuppe, Moschusochse, grönländischen Tee, alles sehr gut, alle sehr nett. Schließlich führt sie uns zu ihrer Großmutter Tabitha, dort gibt’s Kaffee und Kuchen und grönländische Handarbeiten zu bestaunen. Als Helga für ein paar Tage nach Nuuk fliegen muss, ernennt sie mich zu ihrem Stellvertreter. Für die dann einlaufenden Norweger organisiere ich ein weiteres Essen bei der Familie Pedersen.
Abends geht es zum Tanzen in die „Nano Bari“, ein wilder Schuppen.
Kurz und gut, dieses Paamiut, das mir erst so abweisend erschien, zeigt jetzt ein ganz anderes Gesicht.
Von hier will ich nach Hause segeln. Es ist Anfang Juli und der Prins-Christian-Sund ist dicht mit Eis. Das Küsteneis reicht auch wieder fast bis Paamiut nach Norden. Ich muss also von hier erst mal raus auf See, westlich des Eisgürtels nach Süden, einen respektvollen Bogen um das berüchtigte Kap Farvel und dann nach Osten halten, Richtung Schottland . Leider gibt der Wind das nicht her, es weht stetig aus Südost.
Nach einer Woche warten tüftele ich einen Plan aus, der mich weit nach Südwest, durch den Tiefkern hindurch auf die Südseite des Tiefs in den dort wehenden Westwind führt.
Abschied von Paamiut
Von Anfang an ist das Wetter eklig, und ich werde nach den Tagen im Hafen leider wieder seekrank, das war lange nicht. Aber der Plan scheint zunächst zu funktionieren, ich lasse die letzten Eisberge und Treibeisfelder noch bei Tageslicht hinter mir und laufe hoch am Wind Kurs SW. Dummerweise wird der Wind viel stärker als vorhergesagt und nach 2 Tagen drehe ich zunächst unter ganz kleinen Segeln bei. Dann bauen sich die Seen bei bis zu 50 kn Wind derart auf, dass ich mich nicht mehr wirklich sicher fühle. Ich könnte wahrscheinlich Ablaufen, aber nach Baffin Island will ich ja nun wirklich nicht.
Jetzt ist also die Stunde gekommen für meinen Jordan Series Drogue, einen Schleppanker mit – bei mir – 115 kleinen Konen aus Stoff, aufgefädelt auf eine lange Trosse mit einem Gewicht am Ende. Den bringe ich vom Heck an einer Hahnepot aus, mache alle Luken dicht und gehe zu Bett. Haut hin ! Snowball liegt relativ ruhig in der See, nimmt gelegentlich eine See von achtern über und treibt mit 1,5 bis 2 kn nach Lee. Das Ruder ist mittschiffs gelascht ich peile nur ab und zu die Lage und päppele mich mit Wärmflasche, Cola, Knäckebrot und gesalzenen Erdnüssen ins Leben zurück.
Eiskarte mit Snowballs Kurs
12 Stunden später ist der Wind runter auf 25 kn. Nach einer halben Stunde Arbeit habe ich meine Drogue wieder an Bord. Eingehende Beratung durch den DWD lässt leider wenig Hoffnung auf ein Vorankommen Richtung Heimat in den nächsten Tagen. Jetzt fällt mir wieder Johns Vorschlag ein und ich nehme Kurs auf St. Anthony am NW-Zipfel Neufundlands. Das Problem bei der Durchquerung der Labradorsee ist das Eis. Die Eiskarte gibt für jedes Quadrat aus ganzen Längen-und Breitengraden die Anzahl der georteten Eisberge an. Ich muss durch Quadrate mit 1, 22, 116 und 162 Eisbergmeldungen segeln. Es kann also jederzeit Eis auf meinem Kurs auftauchen. Die Sicht ist gut, tagsüber kein Problem, aber es wird hier, weiter im Süden, schon wieder dunkel und im Radar sieht man die gefährlichen Growler nicht. Andererseits will ich ja den jetzt günstigen Wind nutzen und nicht nachts beidrehen. Schließe einen Kompromiss mit mir, kürze Segel bis der speed auf 3 kn sinkt. Eine Kollision bei der Geschwindigkeit kann mein Stahlschiff doch wohl überstehen, oder?
Zum Glück muss ich es nicht testen. Nach 6 Tagen auf See kommt ganz schwach die Labrador-Küste in Sicht, dann die Belle Ile und schließlich Neufundland, „The Rock“. Gleichzeitig aber auch jede Menge Eisberge, die hier mit dem kalten Labradorstrom nach Süden reisen. Hier sind mehr Eisberge unterwegs als ich vor Grönland gesehen habe. Der Wind dreht mir jetzt, kurz vor dem Ziel, auf die Nase und ich muss kreuzen. Bis St. Anthony werde ich es bei Tage nicht schaffen, bei dem vielen Eis geht nachts gar nichts. Stelle mich schon darauf ein, noch eine Nacht auf See zu verbringen, nur mit der Fock auf dem seewärtigen Bug joggend, da entdecke ich auf der Karte eine Bucht, die ich vielleicht noch erreichen kann. Jetzt aber flotto. Volle Segel, Motor dazu und es beginnt eine spannende Jagd im Slalom durch das Eis, aufpassen wie ein Schiesshund, die Sonne sinkt immer tiefer aber im allerletzten Licht passieren wir die Einfahrt in die Bucht von St. Lunaire. Und was für ein glücklicher Moment ! Es riecht nach Wald, viele Wochen nach dem letzten richtigen Grün empfinde ich das sehr intensiv. Hinzu kommt das Abfallen der Spannung und das Gefühl, nach Kanada gesegelt zu sein. Ich muss einfach laut losjubeln !
Die Pier von St. Lunaire
Als ich mich der Fischpier nähere, ruft mir einer der Fischer zu „Heh, skipper, tie up alongside here !“ Irgendwie passt einfach Alles. Ich bin müde, aber glücklich.
Jetzt noch die kanadische Immigration anrufen, ich bekomme eine Nummer diktiert, trage sie in mein Tagebuch ein und bin einklariert für Kanada !