CAGAYAN CILLO
Robert Winkler , der mt seinem Kat “Emma Peel” in Asien mitsamt Familie unterwegs ist, liess mir diesen schoenen Bericht zukommen.
Kurz nach Sonnenaufgang motoren wir aus den mangrovigen Gestaden von Bonbonon ins Licht des freien Horizont. Die Ein- bzw. Ausfahrt hier ist nix fuer navigatorische Ignoranten. Quer vor der Bucht versperrt ein tueckisches und zugleich gesegnetes Riff die geradlinige Verkehrsabwicklung mit “Draussen”. Ersteres, weil es dazu tendiert, nachlaessige Segler, speziell bei erstmaliger Nachtansteuerung, auflaufen zu lassen. Zweiteres, weil eben diese Barriere aller garstiger Welle einen Balken vorschiebt, was der Bucht von Bonbonon letztendlich den seglerischen Adelstitel eines Taifun holes verleiht.
Man faehrt also schoen brav noch ein Stueck den Strand entlang, bis man sicher ist, das Ende des Riffs hinter sich gelassen zu haben und schlaegt dann erst den Haken auf das Meer hinaus.
Kaum aus den schuetzenden Armen jener koralligen Barre entlassen, umschlaengelt sanfte Duenung den Katamaran, als wollte uns das Meer erst langsam an seine welligen Maechte gewoehnen. Eine Landbrise setzt ein, laesst Emma Peel gemaechlich gen Suedwesten plaetschern. Wir wollen weg vom Land, denn Siaton Point, der suedlichste Punkt von Negros liegt voraus. Nicht nur, dass dort meist jegliche Brise erschlafft und Boote zum Ping Pong Ball kabbeliger Wellenlaestigkeiten werden, ist die Gegend auch Tummelplatz unzaehliger Fischer, die mit ihren Schwimmnetzen das Segeln hier zum Parkour de la Labyrinth verkommen lassen.
Der noerdliche Wind bricht zusammen, ersteht aber gluecklicher Weise wieder aus entgegen gesetzter Richtung. Hin und wieder kommt ein Fischer in seiner Banca heran, wachelt von weitem mit seinem Paddel, eskortiert uns zum Ende seines Netzes. Wir segeln langsam, vier Knoten, die Stunden fliessen gemuetlich den Tag entlang. Am fruehen Nachmittag ist Schluss mit Segeln. Das Lueftlein seufzt seinen letzten Hauch in unsere Segel und bettet sich dann zur Ruhe. Selbige ist auf Emma Peel vorerst vorbei, Motor an, Segel herunter. Die Sonne versucht, uns auszubrueten, als waeren wir ihre Kueken. Vier Uhr nachmittags ist es am schlimmsten. Dann bieten die schattenspendenden Aufbauten Emma Peels nur mehr unzureichenden Schutz gegen die Attacken des tiefer sinkenden himmlischen Glutballs. Zudem reflektiert das Wasser die Strahlung und beschiesst uns so mit einer andauernden Breitseite.
17 Uhr 30. Endlich. Eine flach gedrueckte rote Scheibe flimmert sich hinter den westlichen Horizont. Die Welt um uns atmet auf. Emma Peel und Tes und ich atmen auf. Nur Sohnemann Luis ist es egal. Er bekommt gerade sein Abendessen geloeffelt, saut herum, als wollte er sich am liebsten in der Nudelsuppe suhlen. Danach haengt er, wie immer zum wohligen Entschlummern, an Mama’s Boobs und schmatzt sich wohlig weich in Sandmann’s unergruendliche Welten.
21 Uhr 15. Ein Windhauch kitzelt mein linkes Ohrlaeppchen. Grosssegel setzen, per Hand vorheissen, das letzte Drittel per Winsch. Ich stehe beim Mast, kurble, sehe dem Segel zu, wie es langsam in den Sternenhimmel emporwaechst. Keine Wolke, nur endloses Gefunkel ueber uns. Der Schlafhit Nr. 1 unseres Nachwuchskaeptns liegt mir in den Ohren…Twinkle twinkle little star. How I wonder where you are. Up above the world so high. Like a diamond in the sky… bitte jetzt aber nicht einschlafen. Die kleine Segelreise geht weiter, und immerhin liegt die Nacht vor uns, und irgendwer muss ja aufpassen, dass nix passiert. So ein Fischermann, der was auf sich haelt, faehrt ja nachts nicht heim zum Schlafen, sondern schaukelt lieber hier draussen herum, und weil man Fischer ist und hier schliesslich daheim, braucht man auch nicht unbedingt ein Lichtlein an. Strom sparen ist angesagt, und Batterien kosten schliesslich auch Geld, und wenn man in der Koje knotzt, will man es schoen heimelig dunkel haben. Auch ein paar Frachter druecken sich hier in der Gegend herum, wird sie doch als Durchzugsstrasse zwischen Ost- Asien und dem suedlichen Indonesien und Australien genutzt.
Vorsegel setzen. Das mag sie, die liebe Peelin. Das durchgelattete Gross ist zwar riesig im Vergleich zur nicht mal halb so grossen Fock, aber ohne kleine Schwester schiebt die grosse nur widerwillig an. Zu zweit sind sie ein unschlagbares Team. Die Kleine faengt jegliches Lueftchen schon mal auf und schiebt es der Grossen hinueber. Die verwandelt sich in einen gnadenlosen Beschleuniger und laesst den Kat ueber die Wellen tanzen.
Erst muessen wir noch zehn Grad vom Sollkurs abfallen, um den Segeln wohlig runde Fuelle zu verleihen. Doch bald koennen wir Cagayan Cillo wieder direkt anliegen.
Mit sanften Bewegungen schlaengelt Emma Peel durch sternenklare Dunkelheit. Sternschnuppen schiessen auf uns, als gaeb’s keine anderen Ziele. Wer noch nie durch eine ruhige Nacht gesegelt ist, Mast und Segel beobachtet hat, wie sie durch gold gesprenkeltes Firmament schneiden, dem Mond dabei zugesehen hat, wie er beim Aufgehen aus dunklem Wasser silbriges Wellengeglitzer zaubert, hat einen der grossen Fuenf versaeumt. Baeumchen pflanzen, Heim bauen, Kind zeugen, eine Nacht durchsegeln …. Was war schnell nochmal Nr. 5?
Ja, so romantisch kann es hergehen, ist es auch in jener Nacht. Abgesehen davon, dass ich mit dem Schlaf kaempfe, wie in guten alten Fernfahrertagen.
4 Uhr 30. Eine Idee von Helligkeit schiebt sich ueber die oestliche Dunkelheit. Noch 23 Seemeilen bis Cagayan. Timing ist gut. Bei unserer Ankunft sollte die Sonne so hoch stehen, dass man Riffe und Untiefen gut erkennen kann. Polarisationsbrillen sind fuer die Navigation in Riffgewaessern ein Muss. Sie heben den spiegelnden Schleier der Wasseroberflaeche und lassen verborgene Geheimnisse darunter entdecken.
Erste felsige Umrisse des Atolls entschluepfen dem Horizont wie ein aufbrechendes Ei. Aus zehn Seemeilen Entfernung koennen wir es auch riechen. Braunes Erdreich und gruenes Blattwerk defiliert durch die Nase.
Ueber Funk bespreche ich mich mit unseren Freunden Antje und Norbert von der Segelyacht “Antje”, die das Gebiet gut kennen. Die noerdliche Einfahrt wird gewaehlt.
Motor an, Segel herunter. Man muss nahe an die Insel heran, um das vorgelagerte Riff, das wie ein Finger die Kueste entlang zeigt, zu umfahren. Dann noch kurz um die Nordecke des Eilands. Die Farbe Tuerkis bemaechtigt sich unserer Wahrnehmung. Ein weitlaeufiges Sandplateau in vier Meter Tiefe wirkt wie der Gesang der Sirenen auf den unbedarften Seemann, zumal man meisst auch gar nich daran denkt, sicherheitshalber mal Wachs in die Oehrchen zu pfropfen. Vor einem kleinen Sandstrand faellt der Anker.
Kettengerassel, Motor aus, Badeleiter hinaus, ZISCH - AHHH! Niki Staikowitch seinerzeit haette diesen Sprung aus 1 m Bordhoehe jedem seiner 10 m Kapriolen vorgezogen.
Luis ist auch schon ganz zappelig. Er liebt Wasser in jeglicher Form. Koennte man unter Wasser atmen, wohnte er lieber dort. An der Badeleiter, in Papa’s schuetzenden Armen, ist einer seiner Lieblingsplaetze.
Spaeter am Nachmittag kommt Norbert vom ersten Fischzug zurueck. Vier Schuppentiere flattern an Bord. Abends stellen sie die Basis des Ankunftsdiner’s.
Am Tag danach. Familiaeres Kurzfruehstueck. Kajak zu Wasser bringen, Neoprenanzug an, Harpune geschnappt. Mit langen Zuegen paddle ich zum ersten Jagdausflug.
Unter mir fluechtet eine Schule grosser Kaninchenfische in tieferes Wasser. Weiter vorne stieben Wellen von Aehrenfischen ins vermeintlich Rettende der frischen Luft. Choreografisch organisiert fluechten sie in aufschaeumenden Wogen vor den pfeilfoermigen Hornhechten, welche ihnen dicht auf den Fersen sind.
Als ich selber in die 29 Grad warme Erfrischung tauche, geht Saemtliches, das groesser ist, als eine Fingerspanne, auf Sicherheitsdistanz. Vier Kiementiere kann ich trotzdem erbeuten, aber Stolz auf die Jagdtrophaeen will sich nicht richtig einstellen.
Nachmittags verholen wir uns quer ueber das Atoll in dessen westliche Gestade. Dort bieten Insel und Riffe wunderbare Abdeckung gegen suedwestliche Winde. Wir schreiben Mitte Oktober, bereits in der monsoon transition time, hat der SW-Monsun immer noch ein Woertchen mitzureden. Wir ankern im Umfeld schroffer Felsinselchen, zwischen denen an langen Leinen Algen gezuechtet werden, genauer gesagt Agar Agar, Biologen wohl bekannt als Fuellmedium von Petrischalen, in denen Bakterien ihrer wissenschaftlichen Verwertung harren. Hierzulande hauptsaechlich als Rohstoff allgegenwaertiger Flipflops und schwarzer Plastikbehaeltnisse, von Kanister ueber Eimer bis “Lavua”, verwendet, bietet die Braunalge zudem kulinarische Finesse, naemlich als Salat: Charlotten, Tomaten (gern auch noch gruen), Ingwer, Calamansi (Lemonen), Chili, Essig, Salz, Zucker kleinwuerfelig schneiden. Gereinigte Algen kurz blanchieren, bis sie schoen gruen sind. Abkuehelen lassen, alles mischen, fertig. Mit Reis (ohne dem geht ja gar nix hier) und gebratenem Fisch eine koestliche Kombi. Und weil wir gerade beim Essen sind. Da gibt es noch wass, ohne das in den Philippinen gar nix geht. Sawsawan, eine Sauce, in die Fisch- und Fleischstueckchen kurz getippt, bevor sie dem Verzehr zugefuehrt werden. Sojasauce, Essig, Calamansi, Chili, basta. In aufgeputschter Form koennen Schalotten, Tomaten, Gurken hinzugefuegt werden, alles niedlich klein gehackt.
Zurueck zum neuen Ankerplatz. Am spaeten Nachmittag unternehmen Norbert und ich noch eine Spritztour per Dingi zum Aussenriff. Natuerlich mit Harpune, schliesslich hab ich eine Familie zu ernaehren. Das Riff faellt in einem Steilabfall ins Dunkle. Wow, welch ein Eindruck. Beim ersten Mal Abtauchen laeuft mir ein Red Snapper genau vor den Lauf. Danach ein Fisch aus der Familie, die bei der Namensgebung aller Fische ganz hinten angestanden hat, als naemlich bloederweise schon alle akzeptablen Bezeichnungen vergeben waren, Strassenkehrer. Direkt vor ihnen in der Reihe duerften die Grunzer gestanden haben. Wie man einem Fisch mit den sinnlichen Lippen einer Brigitte Bardot diesen dermassen unguenstigen Namen verleihen kann, wird wohl niemals zurueck verfolgt werden koennen. Es draengt sich der Gedanke auf, dass die Tiernamenverteilungskommission stockbesoffen war, als die Flossentraeger an der Reihe waren, oder Fischhasser, waehrend Schmetterlinge bevorzugt wurden. Man denke nur an das Tagpfauenage. Nicht, dass ich Insekten nicht leiden kann, aber meine Fische stehen dem niedrigen Getier an Schoenheit um nix nach. Ich nehm mal an, bei den Fischen wurden erst die englischen Bezeichnungen ausgetueftelt, bei den deutschen war man dann schon abgebruehter und etwas wahllos bei der Wortfindung. Jedenfalls heissen die Strassenkehrer im Englischen stolz Emperor, und die Grunzer bezeichnender Weise Sweetlips.
Ok, ich schweife ab. Jedenfalls bring ich an jenem fruehen Abend drei stattliche Omega3-Fettsaeuretraeger zur Strecke. Die naechsten Tage sind gesichert.
Ein paar Tage spaeter setzt der Nordostmonsun ein und verdraengt uns von dem schoenen Ankerplatz, der bei Nordostwind zu sehr den Windwellen ausgesetzt ist. Wir ziehen uns in eine Lagune im suedlicheren Teil von Cagayan Cillo zurueck. Die Einfahrt dort ist flach, nur wenige Meter breit. Emma Peel hat 1,1 m Tiefgang. Das ist genau die Tiefe, welche das Echolot kurz anzeigt. Doch wir koennen nicht stoppen. Der starke Seitenwind wuerde uns sofort auf die Korallenbank neben uns druecken. Zum Glueck geht alles gut, doch ich aergere mich uber mich selbst, dass ich nicht auf den Hoechststand des Hochwassers gewartet habe.
Die Lagune ist ein super sicherer Platz, nur bei Suedwestwind koennte sich Duenung hereinschummeln, doch den sollte es im naechsten halben Jahr, bis zum Wiedereinsetzen des Suedwestmonsuns, eigentlich nicht geben.
An den Straenden sind grosse Trockengestelle fuer Agar agar aufgebaut. Darunter hocken Leute und bestuecken Leinen mit kleinen Stuecken der Alge fuer eine neue Wachstumsperiode. Daneben werden Fische ausgenommen und mit Salz eingerieben, bevor sie zum Trocknen aufgelegt werden. Wir wollen auf die westliche Aussenseite der Insel wandern, erfragen den Weg dorthin. Eine Horde Kids fuehrt uns hinueber.
Es ist Niedrigwasser. Wir spazieren bis zu einer Stelle, wo der Sandstrand von felsigen Ueberhaengen und Bueschen in wohligen Schatten getaucht wird. Tes und Luis betten sich zur Ruhe, waehrend mein Ziel die brechende Kante am Aussenriff ist. Erst kann ich noch gehen, dann ziehe ich Flossen an und versuche, ueber die Riffkrone zum aesseren Rand zu schwimmen. Ueber mir brechen die Wellen, verwandeln mein Sichtfeld in gurgelndes Geschaeume. Ein paar Mal sitze ich mit dem Bauch auf den Korallen auf. Der Neoprenanzug rettet mich vor laestigen Abschuerfungen. Dann bleibt der wellige Aufruhr hinter mir zurueck, macht Platz fuer abgrundtiefes Blau, dessen Raender von buntem Flossengetier umtanzt werden. Die Riffkante ist ein Buckel, der einen Ueberhang bildet. Darunter gibt es nur hin und wieder Vorspruenge, welche aus der senkrechten Wand herausragen. Auf einen solchen lasse ich mich hinuntergleiten, um dort eine Zeit lang zu verweilen. Fahnenbarsche flattern um mich herum. Grosse Gelbaugenschnapper glotzen mich an, bevor sich die silbrigen Laiber von Nashornfischen dazwischendraengen. Nie zuvor habe ich in Philippinien so viele grosse Fische auf einem Haufen gesehen. Eigentlich muessten sich auch Haie in ansehnlicher Zahl hier herumtreiben, aber die meisten von ihnen wurden brutalst ihrer Flossen beraubt, bevor sie ein schreckliches Ende als verkrueppelte Koerper am Meeresboden nahmen.
Eines Morgens sitzen wir in entspannter Plauderrunde mit den Fischern und Algenzuechtern am Strand. Gerade eben wird eine ansehnliche Garbe frischer Trinkkokosnuesse, hier Buko genannt, fuer uns von einer Palme gesaebelt. Bevor die Knaben hier laufen lernen, erfolgt die Ausbildung zum Kokospalmenkletterer. Mit fortgeschrittenem Alter klemmen dann die Jugendlichen vom theatralischen Typus auch noch ganz gerne das Buschmesser zwischen die Zaehne, waehrend sie im Eilzugstempo 15 m hohe Staemme hochkraxeln.
Zwei Maenner marschieren vorbei. Zwischen ihnen baumelt an einem Bambusstock, den sie auf ihren Schultern tragen, eine gewaltige Stachelmakrele. Ob wir wohl zwei Kilo kaufen koennten? “Klar, kommt doch bei unserem Haus vorbei. Dort zerlegen wir den Fisch.”
Verschlungene Pfade fuehren durch Casava-Pflanzungen. Bananenstauden und Papayabaeume umstehen Haeuser, wie Zinnsoldaten. Mangobaeume breiten weit ausladendes Astwerk schattig schuetzend ueber festgebundene Schweine und aufgeweckte Glucken mit piepsender Kuekenschar.
Die Zerschneidung der Stachelmakrele in familiengerechte Einheiten ist schon voll im Gange. Zwei Bananenblaetter sind die schoensten Praesentierteller. Auf ihnen werden Einkiloportionen fein saeuberlich aufgeschichtet. Daneben stehen zwei Teller mit laenglich aufgeschnittenem weisslich bis grauem Meeresgetier. Seegurken, werden wir aufgeklaert, eben frisch von dem trocken gefallenen Gezeitenbereich in unserer Lagune angeliefert. Meist sind es Kinder, die bei Niedrigwasser zwischen dem Seegras nach den Leckereien suchen. Tiere kurz abbruehen, Chili, Calamansi (nix geht ohne sie), Zwiebel, Essig dazu, fertig ist die Knabberei. Mit “beissfest” ist sie etwas sanft beschrieben, die Konsistenz laesst an rohe Schweinehaut denken, den aeusseren ledrigen Teil mein ich, nicht die vermeintlich zart fettige Unterhaut. Trotzdem, ich liebe so wildes Essen, je urtuemlicher, naturnaeher, einfacher, desto mehr zieht mich seine Exotik in ihren magischen Bann. Auf der kleinen Insel Pamilakan, suedlich von Bohol, war einmal ein Gutteil des Dorfes beim Fliegende Fische fischen. Bei ihrer Rueckkehr haben viele von ihnen bei uns am Boot angehalten, zum spaetmorgendlichen Schwaetzchen und um Schlecker fuer die Kids abzuholen. Die Hungrigen unter ihnen fanden es offensichtlich voellig normal, dem einen oder anderen eben erst erbeuteten Fischlein den Kopf abzureissen und den Koerper genuesslich zu vertilgen. Sushi a la brute. Der Reiz des Fremden laesst gruessen, wie Trommelschlaege im Urwald.
Aber ich verzettle mich schon wieder. So standen wir also da, kauften frische blutige Stachelmakrele und bissen herzhaft in marine Schuhsohlen. Das war fuer Tes Anregung genug, auch ihren Teil an Geschaeftstuechtigkeit in die Runde zu werfen. Selbst gefertigter Schmuck aus Perlen und Glasperlen. Was mit der lakonischen Frage ”Do you want to buy jeweleries?” beginnt, wird zum Inselrenner. Die Ohrringe werden ihr foermlich aus der Hand gerissen, letztendlich auch aus den Ohren, weil Tes sogar ihre eigenen abgeben muss, als das Angebot ausverkauft ist. Auch an Bord bekommen wir ein paar mal Besuch von kaufwilligen Schmuckliebhaberinnen. Die Erklaerung ist einfach, die naechste Stadt fern und schwer zu erreichen. Fliegende Haendler sind herzlich willkommen, noch dazu mit so spezieller Ware wie Halsketten, Armreifen und Ohrringen. Im Uebrigen eine auf den Philippinen allgegenwaertige Form des Handels. Je laendlicher die Gegend wird, desto weiter, muehsamer, teurer ist der Weg zum naechsten Supermarkt. Wandernde Besenverkaeufer gehoeren genau so zum Gesellschaftsbild, wie Leute, die Regale durch die Landschaft schleppen, um sie zum Verkauf anzubieten. Das bei uns Anruechige des Hausierers gibt es hier nicht.
Langsam wird das Gruenzeug an Bord alle. Wir fragen nach, ob wir nicht einen Buschen Bananen bekommen koennten. Am naechsten Morgen grinst uns Ban, ein neuer Bekannter, von weitem in seiner Banca entgegen. Er hebelt zwei riesige Buendel Bananen aus dem Boot und hievt sie bei uns an Bord. Dieses fuer die Welt unbedeutende Ereignis leitet auf Emma Peel eine neue Aera ein, main topic banana. Der Grossteil endet getrocknet und zu Bananenchips verbraten.
Irgendwann taucht eine dritte Segelyacht auf. Ein Stahlboot mit 1,8 m Tiefgang. Damit ist die seichte Einfahrt mit noch mehr Vorsicht zu geniessen, als mit einem Katamaran. Norbert lotst die Ankoemmlinge ins Innere der Lagune. Peter, schon wieder ein Deutscher (wieso ist die Weltsprache eigentlich englisch?), mit Freund und dessen Frau, leisten uns ein paar Tage Gesellschaft, bevor sie wieder in die Ferne schweifen. Aus irgendeinem unergruendlichen Grund haben sie es eilig. Das offenbart sich ziemlich krass, als bei ihrer fruehmorgendlichen Abfahrt anscheinend keine Zeit uebrig ist, das Hochwasser abzuwarten. Prompt sitzen sie auf der Engstelle der Ausfahrt auf. Schnell den Anker zur Seite ausbringen und versuchen, das Boot frei zu ziehen. Doch es dauert zu lange. Das Wasser ist am Fallen. Jede Minute, die verstreicht, ist eine verlorene Minute. Schon wird der Antifoulingstreifen, der ueber die Wasserlinie des Bootes reicht, breiter. Bergungsarbeiten einstellen, Ankergeschirr wieder an Bord, Kaffee aufsetzen. Ploetzlich ist wieder ganz viel Zeit vorhanden. Erst am fruehen Nachmittag wird der Wasserstand hoch genug sein, dass sie frei kommen werden.
Nach dreieinhalb Wochen in Cagayan Cillo schlaegt die Keule des Wetterberichts unbarmherzig zu. Ein Tiefdruckgebiet rueckt vom Pazifik heran. Seine vorhergesagte Laufbahn fuehrt schnurstraks ueber unser geliebtes Atoll hinweg. Tiefdruckgebiete in den Philippinen haben die laestige Eigenschaft, gern mal zum Taifun zu entgleisen. Welch unromantische Vorstellung, einen solchen hier abwettern zu muessen. Flucht nach vorne ist angesagt. In ein paar Tagen wollten wir sowieso wieder nach Bonbonon zuruecksegeln, um dort eine Tour mit Gaesten Anfang Dezember vorzubereiten.
7. November 14 Uhr 30. Das Wasser ist hoch genug gestiegen, der Lagune durch die seichte Ausfahrt zu entgleiten. Eine halbe Stunde zuckeln wir noch ueber flache Areale des Atolls. Mein Blick schweift ueber die Inseln, das tuerkise Wasser um uns herum, Algenfelder, Bancas, bleibt beim mehrere Meilen langen Ostriff haengen, wo ich gestern noch ein paar Beschuppte ins kulinarische Programm Emma Peel’s aufgenommen habe.
Kaum ueber den aeusseren Sockel des Atolls gestolpert, greift holprige Meereswelle nach uns und speziell nach Tes’ Magen. Segel gestzt, etwas abgefallen, der Direktkurs nach Bonbonon bleibt zwanzig Grad noerdlich von uns zurueck. Der Katamaran bockt, Tes ist’s sauschlecht, Luis will bespielt werden. Ich bin zerrissen zwischen Boots- und Segeltrimm, Navigation und Kleinkindbetreuung. Zwei Stunden spaeter hat der Zustaendige vom Wetteramt Erbarmen mit uns. Der Wind dreht zusehends noerdlicher, die erwuenschten 108 Grad koennen wieder genau angelegt werden, mehr noch. Schoten werden gefiert. Die Wellen schuetteln ihre Laestigkeit von sich, als waers ihnen selber unangenehm, uns so zu bedraengen.
Das Cockpit ist unsere Lebenszentrale. Fuenfundneunzig Prozent unserer Tag- und Nachtzeiten an Bord, von Fruehstueck bis Schlafen, verbringen wir genau hier. Unter unerem Cockpitdach (der Anglophile nennt es dodger) haben wir eine Art Reisedoppelbett installiert, in das sich bei naechtlichen Fahrten Mama Tes und Sohn Luis zur Ruhe betten koennen, mit optimaler Frischluftzufuhr.
Emma Peel ist eine flotte Seglerin. Acht Knoten sind ihre Lieblingsgeschwindigkeit, mit der sie wonnig ihre beiden Spuren durch die Meere zieht. Wenn sie schneller wird, fragt sie gerne nach einem Reff im Gross. So segelt sie dann weiterhin trocken, und das Leben im Cockpit wird nur ausnahmsweise mal, bei garstiger Welle, von einem Wasserfall in amphibische Zustaende gestuerzt.
Hundert Seemeilen noerdlich von uns oeffnet sich die Meerenge zwischen den grossen Inseln Panay und Negros. Ein beruechtigtes Gebiet, wo sich der Nordostmonsun schon mal um ein paar Windstaerken hochschaukelt. Diese Trichterwirkung ist noch weit in die Sulusee hinaus zu spueren. Ja, und dort eben segeln wir gerade.
Eben erst hat sich das seidige Tuch der Dunkelheit auf das Meer hernieder gesenkt. Es frischt auf. Das Segeln wird schlagartig ruppiger, spritziger, die Luft salzhaltiger, die Bewegungen des Bootes fordernder. Reffen ist angesagt. Tes meint, das zweite sei gut. Ich lasse es trotzdem beim ersten bewenden.Das kleine Vorsegel bleibt sowieso immer in voller Groesse stehen. Grossschot wieder dicht. Noch immer ueber neun Knoten. Ich ducke mich vor einer Gischtfahne weg. Ok, Ok, ich mach ja schon. Also doch das zweite Reff. Missachte niemals den sechsten Sinn der Frau. Cooles Machogehabe kann man ja dann wieder daheim auf der Autobahn heraushaengen lassen – wenn man schon so bescheuert drauf ist. Ein paar Minuten spaeter bin ich zurueck im Cockpit. Segel dicht. Speed acht bis neun Knoten. Emma Peel schaltet wieder auf Genuss um. Wir machen es ihr nach.
Die Welle bleibt niedrig, schiebt sich sogar zusehends von mehr achterlich unter uns hindurch. Wetterleuchten, soweit das muede Auge reicht. Aber eigentlich fuehl ich mich top fit, berausche mich am naechtlichen Flug ueber ozeanische Weiten. Die Unwetter spielen sich in der Ferne ab, gehoeren zur tropischen Nacht, wie Jeepneys zu den Philippinen.
00 Uhr 25 blinzelt der Halbmond schuechtern ueber den Wasserrand, beleuchtet von hinten die Wolkenschatten, aus denen die Blitze zucken. Fruehmorgens beginnt der Wind zu schwaecheln. Reffs ausschuetteln. Knapp vier Knoten bleiben uebrig, mit denen wir an einem Bulk von Fischerbooten vorbeischaukeln, die in Gaensereihe aufgefaedelt an einer Boje haengen. “Hey Joe!”, der philippinische Standardgruss fuer Langnasen, schallt aus der Dunkelheit. Irgendwie skuril, hier am offenen Meer dieser doofen Floskel zu begegnen. Aber was soll’s. “Hey Phil”, gebe ich zurueck und leuchte per Scheinwerfer in schlaftrunkene Gesichter, keine dreissig Meter von mir enfernt.
Die Brise bleibt bis in die Morgenstunden. Vor der Bucht von Bayawan bricht sie dann aber endgueltig zusammen, wie ein uebernaechtigter Trunkenbold. Flaute mit mistiger Welle, wie immer hier. Eine halbe Stunde Motoren, ploetzlich brist es wieder auf, aus Ostsuedost! Wind auf Nase, welch ein zweifelhaftes Vergnuegen als Abschluss einer genialen Segelnacht. Die Stroemung setzt zwar mit uns, macht das Segeln aber auch nicht schoener. Im Gegenteil, der gegen die Windrichtung stehende Strom laesst eine haessliche, steile Welle entstehen. Wieder zweites Reff ins Gross, diesmal weiss ich es auch ohne Tes’ Rat. Acht erbaermliche Stunden brauchen wir fuer die letzten fuenfundzwanzig Seemeilen.
Um 14 Uhr stehen wir endlich vor der Einfahrt nach Bonbonon. Motor an, Segel herunter, kennt man ja schon. Riff umrunden. Langsam tuckern wir ins tiefe Innere dieses ruhigen, flussartigen Einschnittes. Unsere Mooringboje schaukelt im spielerischen Wellengekraeusel, das durch den Wind, welcher aus den gruenen Huegeln ringsherum auf’s Wasser fliesst, erzeugt wird.
Hier hat sich nichts veraendert. Immer noch dieselben Boote liegen vor Anker. Immer noch dieselben Palmen, die sich aus den Mangrovebestaenden in die frische Brise emporrecken, immer noch dieselbe Gruppe von Fischern, die Tag und Nacht ihr Netz in einem Bogen ausbringt und dann gemeinsam zum Ufer zieht. Immer noch dieselben Segler, die vor Jahren hier mal kurz vorbeischauen wollten und nie wieder weg gekommen sind. Nur wir haben uns bewegt, veraendert, sind um herrliche Erfahrungen reicher geworden, haben ein Atoll kennen gelernt, auf dem Leute leben, die uns mit ihrer Freundlichkeit tief beeindruckt haben, wo Felsen und Inseln eine Landschaft bilden, die den Vergleich mit weltbekannten Gebieten wie Palau nicht scheuen muss, wo Korallenriffe so schroff in die Abyss abfallen, als seien sie rein dazu gemacht worden, unbedarfte Taucher zu faszinieren, wo Fische in dichter Vielfalt die Riffe besiedeln, wie selten in den Philippinen, wo Emma Peel in tuerkiser Klarheit ueber feinstem Sand geankert hat, als schwebe sie ueber dem Wasser, wo wir uns so wohl gefuehlt haben und das Leben so fuehren konnten, wie wir es lieben, wild, urspruenglich, kompromisslos. Jetzt einmal abgesehen vom taeglichen Brummen des Wassermachers….
Anm. d. Red : Robert Winkler lebt mit und auf dem Schiff. Er hat auch ne eigene Website: http://www.jetsetvideo.com/sailandsee/index.htm