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Von Joan Bassols, SY "Trotamar III", E-Mail: joan@bassols.de
Es dämmert, hin und wieder bricht eine Welle am Bootsrumpf und der portugiesische Passatwind bläst uns mit 30 Knoten um die Ohren. Ich habe Wache und lasse meinen Blick prüfend über das Deck schweifen, als mich dunkle Augen aus dem Niedergang anfunkeln: „Papa, die Wellen sind doch gar nicht so hoch!“
Crew geht auf grosse Fahrt
Gestern haben wir die Straße von Gibraltar passiert. Fünf Stunden bei sachtem Ostwind gegen die starke Strömung. Als wir uns endlich durch die Meerenge gekämpft hatten, war es schon zu spät, um noch bei Tageslicht in Barbate einzulaufen, sodass wir uns spontan entschieden, direkt Kurs auf Madeira zu nehmen. Für uns alle war es der erste Kontakt mit dem Atlantik und seine Begrüßung war eindrucksvoll. Der portugiesische Passat wehte mit 25 bis 30 Knoten von Norden, vier bis fünf Meter hohe Wellen rollten von Steuerbord auf uns zu. Laia ist die Erste, die sich an das schaukelnde Auf und Ab gewöhnt. Der Rest der Crew versucht sich so wenig wie möglich zu bewegen und möglichst tapfer durchzuhalten.
Laia ist im Dezember 2011 sechs Jahre alt geworden, im Herbst 2012 soll sie eingeschult werden, also ist dieser Winter genau der richtige Zeitpunkt, um eine Auszeit zu nehmen. Schon vor Jahren haben wir unsere Familie, Freunde und Arbeitskollegen in unsere Pläne eingeweiht: gemeinsam mit unserer kleinen Tochter Laia möchten meine Frau und ich segelnd den Atlantik überqueren, uns in der Karibik treiben lassen und schließlich auf ähnlichem Weg die Rückreise antreten. Dass wir unseren Traum wirklich wahr werden lassen und uns auf dieses Abenteuer einlassen, haben uns die Meisten erst kurz vor unserer Abfahrt geglaubt.
Seit drei Jahren sind wir mit den Vorbereitungen beschäftigt, nun ist es endlich soweit. Im Juli 2011 sind wir von Barcelona aus mit der Trotamar III losgesegelt. Wir haben unsere Ketch gut gepflegt, neu aufgerüstet und vieles ausgebessert. Unser Juwel ist eine Amphitrite 43 aus dem Jahr 1982, im Kielwasser hat sie über 90.000 Seemeilen, die sie mit meinem Vater gesegelt ist. Als Gepäck bringt sie Erfahrungen von einer Weltumsegelung aus dem Jahr 1988 mit - bessere Voraussetzungen für das, was wir mit ihr vorhaben, kann man also gar nicht mitbringen.
Nach den ersten fünf Tagen auf See, kommen wir in Porto Santo an. Die kleine Insel liegt ca. 30 Meilen nordöstlich von Madeira, die erste Etappe von 550 Meilen haben wir geschafft. Wir umarmen uns und wissen das wir auch den großen Schlag über den Atlantik schaffen wagen werden.
Am nächsten Morgen wache ich in aller Frühe auf, die gesamte Crew schlummert noch friedlich vor sich hin. Nur Laias Koje ist leer. Ganz leise ist sie aufgestanden, hat sich an Deck geschlichen und alles ganz genau erkundet: die Boje an der wir nachts festgemacht hatten, das Tau und den Knoten, mit dem ich es befestigt habe, die Felsen, den Hafen. Wir schnuppern gemeinsam das erste Mal die Luft der Freiheit, die vor uns liegt – und spüren pures Glück.
Von Porto Santo aus führt uns unser Weg über Funchal nach Teneriffa. Hier werden die letzten Ausbesserungen an der Schiffselektronik vorgenommen und ein neuer Windpilot installiert. Kurz vor Neujahr ist die Trotamar III bereit und lässt sich vom Wind weiter über La Gomera nach Cabo Verde tragen.
Laia ist mein viertes Kind und eine echte kleine „Seeratte“, genau wie ihre Mutter. Wenn ich mich am Steuerrad festklammern muss und bei all dem Geschaukel um meine Haltung kämpfe, spielen meine beiden Matrosinnen unter Deck, kochen zusammen und essen – ganz so als stünden sie in der heimatlichen Küche und hätten nicht meilenweise Meer vor und hinter sich. Beneidenswert!
Logbucheintrag vom 09.01.2012:
142 Meilen in den letzten 24 Stunden, der Wind nimmt ab und die Geschwindigkeit sinkt auf 4 Knoten. Den ganzen Tag schon segeln wir nur wenige Meilen vom Alex v. Humbold II entfernt, einem deutschen Dreimaster. Er ist leider etwas schneller als wir, sodass wir den Abstand nur auf 2 Meilen verkürzen konnten und er mittlerweile 6 Meilen vor uns segelt.
Laia hat heute im Cockpit ihr Iglu Zelt aufgebaut und dort lange mit vielen Kuscheltieren gespielt. Ich bin auch kurz ins Zelt gekrochen, musste aber schnell wieder raus. Erstaunlich wie seefest diese kleine Dame ist! Zum Abendessen gibt es heute frische Dorade. Die Küche auf der Trotamar ist wie immer fantastisch.
Wir nehmen nun direkten Kurs auf Mindelo. Gross- und Besansegel haben wir eingeholt und segeln nun mit den zwei Vorsegeln an den zwei Spinnakerbäumen.
Mindelo ist die Hafenstadt von São Vicente, eine der kapverdischen Inseln, die uns mit offenen Armen empfängt. Noch bevor wir Ordnung an Deck geschaffen haben, freundet sich Laia mit Kindern eines brasilianischen Schiffers an und wir beschließen erst einmal zu bleiben. Wir genießen unser Glück und die Gewissheit, dass wir mitten auf dem Weg sind, mittendrin in unserer lang erträumten Reise.
Überschattet wird unser Aufenthalt in Mindelo durch den Tod meiner Schwiegermutter. Es ist unmöglich einen Flug nach Hause zu bekommen, um rechtzeitig bei der Beerdigung zu sein - wir verschieben unsere Weiterfahrt um einen Tag, nehmen in aller Stille und nur für uns Abschied von ihr und segeln schließlich mit schwerem Herzen weiter. Laia spendet ihrer Mutter auf ihre ganz eigene Weise Trost: sie malt ein wunderschönes Bild, auf dem wir Drei auf dem Boot zu sehen sind. Im Himmel fliegen die Herzen von Opa und Oma, die ihre Hände auf unserem Weg schützend über uns halten.
Der Passat begleitet uns auch am zweiten Tag und beschert uns mit bis zu 30 Knoten ordentliche Wellen. Für Laia kein Problem - dafür hat sie den Deckchen-Tag erfunden. Schaukelt unsere Trotamar III zu sehr, kuschelt sie sich in ihre Decke und beobachtet das Geschehen an Deck von hier aus.
Die Zeit des Sonnenaufgangs ist Laias Zeit, dann übernimmt sie die Wache an Deck. Sobald es am frühen Morgen dämmert, wacht sie auf und kontrolliert das Boot. Findet sie vielleicht ein paar fliegende Fische, die nachts aufs Deck geflogen sind und noch frisch genug sind, um später in der Pfanne gebraten zu werden? Für unsere Frühaufsteher an Bord gibt es einen kleinen Snack zum Wachwerden – später, wenn alle aus ihren Kojen gekrabbelt sind, frühstückt die gesamte Crew ausführlich zusammen.
Das Beste an der Reise ist die Zeit, die ich mit meinen beiden geliebten Frauen verbringen kann. Laia genießt vor Allem die langen Fahrten am Stück, an denen sie uneingeschränkt Zeit mit Mama und Papa verbringen kann. Auch wenn ich nicht immer Zeit zum Spielen oder Vorlesen hat, bin ich doch ständig in ihrer Nähe.
Logbucheintrag vom 03.02.2012, kurz vor Grenada:
Die Wellen schaukeln und wir gleiten mit 7 Knoten übers Meer. Heute früh fragt mich Laia: „Papa, wie viele Tage fehlen noch bis wir in Amerika ankommen?“ „Noch etwa vier Tage“, antworte ich meiner kleinen Piratentochter. Daraufhin guckt sie mich schon fast enttäuscht mit ihren großen braunen Augen an: „Oh! Können wir die Reise nicht um ein paar Tage verlängern?“ Alle mussten lachen: wo sie Recht hat, hat sie Recht.
Kreativität und Ideen sind an Bord keine Grenzen gesetzt. Laia funktioniert unsere Werkstatt in einen Laden um, in dem man alles einkaufen kann: selbst gebastelte Armbänder, Bilder, Nüsse, und vieles mehr. Ein anderes Mal bastelt sie Masken für all ihre Puppen. Laia hat sich den besten Schlafplatz an Bord ausgesucht, ihre Koje liegt direkt an einem Bullauge, von dem sie das Meer beobachten oder zum Cockpit schauen kann. So verspüre auch ich Sicherheit, denn wir haben Laia auch vom Cockpit aus immer im Blick..
Nach 16 Tagen fällt der Anker in Prickly Bay, Grenada. Wir sind mitten in der Karibik angekommen. Aus der Not wird die Tugend geboren, so heißt es in einem Sprichwort. Laia hat diese Wort schnell umgesetzt und der Tatsache, dass sie an Bord das einzige Kind ist, schnell getrotzt. Wenn auf Deinem Schiff keine Spielkameraden mehr zu finden sind, muss man einfach schnell Freunde auf anderen Yachten finden. Es dauert keinen Tag bis Laia auch mitten in der Karibik neue Freunde gefunden hat: Sofia und Benji von der Begonia, einer argentinisch-US-amerikanischen Yacht. Fast vier Monate sind wir in der Karibik unterwegs - immer mit Kindern an Bord.
Langstreckenseglern unter sich lernen einander sehr schnell kennen und der Kontakt miteinander ist meistens von hoher Intensität geprägt. „Eine erste Vorauswahl hat bereits vorab stattgefunden: man teilt dieselbe Leidenschaft, das Segeln – ins Gespräch zu kommen, ist so viel einfacher.“, erzählt mir einer der befreundeten Segler. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum auch wir uns mit den Eltern von Laias Freunden schnell gut verstanden haben und uns mit ihnen anfreunden konnten. Häufig haben wir dann weitere Pläne zusammen geschmiedet. Da wir meist ohne konkretes Ziel unterwegs gewesen sind, segeln wir oft wochenlag zusammen. Mal alle Kinder auf der Trotamar, dann sind wir plötzlich mal wieder allein. Manchmal wirft ein Schiff den Anker und bleibt zurück, während wir alle gemeinsam auf unserer Trotamar zur nächsten Insel segeln. Ein Boot mit zwei Kapitänen, zwei Köchinnen und vielen Kindern an Bord.
Was ist Eure schönste Reiseerfahrung gewesen? Das ist wohl die Frage, die man uns besonders oft stellt. Eines der prägendsten Erlebnisse war unser Fahrrad-Geschenk in Kumberland auf St. Vincent. Unser Anker war eben bei 20 m Tiefe auf Grund gestoßen, das Heck der Trotamar an einer Palme festgemacht, als zwei einheimische Kinder auf einem alten Surfbrett angerudert kommen und uns eine Papaya verkaufen wollen. Laia ist vollkommen fasziniert und fragt: „Papa, darf ich mit ihnen fahren?“ Die Jungs beantworten meinen fragenden Blick mit einem kecken Grinsen und einem knappen „Of course, Sir.“ Ich bitte sie noch: „Passt bitte auf sie auf, sie schwimmt noch nicht so lange.“ Auch das quittieren sie nur selbstbewusst mit „No problem, Sir“ und sind schon mit samt meiner Tochter verschwunden. Laia spricht Spanisch und Deutsch, aber kein Englisch. Für uns ist es faszinierend zu sehen, dass Kindern für ihre Verständigung einfache Gesten und Zeichen vollkommen genügen. An Deck zeigt sie ihren neuen Freunden sehr stolz ihr Kinderfahrrad, das uns zwar von Anfang an bei der Reise begleitet hat, seit Mindelo aber nicht mehr benutzt worden ist. Nach einer ausgiebigen Runde beinahe fassungslosem Staunen, kommt Laia zu uns und teilt uns mit, dass sie ihr Fahrrad an ihre neuen Freunde verschenken möchte. Die hätten noch nie ein eigens Fahrrad besessen und hätten sich so sehr über dieses Rad gefreut, dass unsere Tochter der festen Überzeugung ist, dass ihr kleines Heiligtum in Kumberland auf St. Vincent besser aufgehoben ist, als bei uns an Bord. Was war das ein Fest, als sie ihren Freunden dieses Geschenk überreicht.
In bester Erinnerung wird uns die „Schatzinsel“ bleiben, auf der Laia ihren ersten richtigen Schatz gehoben hat. Freunde von uns waren mit ihrem kleinen Sohn Gerard bereits 2011 auf derselben Route unterwegs und hatten uns von Barbuda vorgeschwärmt: menschenleer, meilenlanger weißer Strand, Palmen und wunderschöne Korallenriffe – genauso hatte ich mir die Karibik immer vorgestellt. Gerard hatte genau hier für Laia einen Schatz vergraben, den es nun zu suchen gilt. Trotz Schatzkarte müssen wir viele Löcher graben, bis wir den Schatz, der über ein Jahr lang auf uns gewartet hat, endlich heben können. Die Freude ist riesig! Um etwas von diesem Glücksgefühl an unsere Freunde weiterzugeben, haben auch wir einen Schatz für unsere Freunde vergraben – Luna und Sol finden ihn zwei Wochen später auf ihrem Weg nach New York. Die Beiden sind so begeistert von ihrem Schatz, dass auch sie für nachkommende Freunde vom Arroas eine Überraschung auf Barbuda vergraben haben. So schnell entstehen Traditionen und ganz ohne es geplant zu haben, ist Barbuda zu unserer Schatzinsel geworden.
Von Barbuda aus segeln wir schließlich zurück zu den Azoren. Nach einigen Tagen wird es deutlich kälter, das tropische Klima haben wir hinter uns gelassen und ehe wir wissen wie uns geschieht, sind wir auf dem Rückweg. Nach 22 Tagen wunderschöner Überfahrt, erreichen wir Faial und werfen den Anker im Schutz der Kaimauer von Horta.
Während der Zeit auf See ist Laia wieder voll in ihrem Element und genießt die Routine an Bord. Mit den ersten Sonnenstrahlen erwacht sie, springt aus ihrer Koje und bereitet sich auf einen neuen Tag vor. Läuft der Motor, legt sie ihre Wäsche für eine Weile in den Trockenschrank, um sie aufzuwärmen, bevor sie hineinschlüpft. An Deck prüft sie zuerst die Wetterlage, schaltet dann unsere Positionslampen aus und sucht sich dann eine gute Stellung für ihre Wache aus. Sind Delfine oder Wale zu sehen? Hängt ein Fisch an der Leine? Zusammen mit anderen Crewmitgliedern bereitet Laia das Frühstück zu: Maistortillas, frisch gebackenes Brot und manchmal auch einfach nur Schokoladenkekse. Für Laia sind die frühen Morgenstunden die schönste Tageszeit. Die Wache spielt mit ihr, liest ihr aus Jim Knopf oder Pipi Langstrumpf vor, erzählt ihr von Tante Nurias Seejungfrauen oder erfindet zusammen mit ihr ein neues spannendes Abenteuer. Jeden Tag markiert sie zusammen mit ihrem Vater die Position der Trotamar III auf der alten Karte vom Großvater, in der schon viele Reisen eingezeichnet sind. Mit dem Spitzenkompass werden die gesegelten Meilen gemessen, mit dem Bleistift trägt Laia die neue Position ein und zieht eine Verbindungslinie zur gestrigen Position.
Unsere kleine Tochter beschäftigt sich unglaublich gut mit sich selbst, spielt viel und malt jeden Tag ein Bild von dem was gestern geschehen ist in ihr Tagebuch. Ihr Erfindungsgeist und ihre Kreativität sind grenzenlos: von einem Kuscheltieraufzug an Bord bis zur eigenen Kollektion für ihre Kuscheltiermaus, bleibt nichts unversucht. Muschelketten, Ohrringe aus Kokosnuss, kleine Stofftaschen oder bunt angemalte Tetras-Bricks gestaltet sie als Geschenke für unsere Lieben Zuhause. Unser Cockpit wird ihre Werkstatt: hier sägt, bohrt, schmirgelt und malt sie, was das Zeug hält. Ist die See unruhig, kuschelt Laia sich in eine Decke, hörte Musik und beobachtet dabei in aller Seelenruhe die Wellen.
Küchenarbeit ist an Bord mit einem Mal eine spannende Angelegenheit: Kartoffeln schneiden, Eier schlagen oder Dosen suchen – alles Dinge, die auf einem schwankenden Schiff so viel mehr Spaß machen als Zuhause. Kartoffeln dürfen plötzlich nicht mehr alleine gelassen werden, sonst spazieren sie sofort eigenständig los und hält man sich selber nicht gut fest, fällt man einfach um. Kein Problem für Laia: sie bewegt sich immer absolut gewandt und sicher an Bord. Je doller es schaukelt, umso besser.
Wie jedes Crewmitglied, hat auch Laia als Matrosin ihre festen Aufgaben: sie ist zuständig für das Besansegel. Sie hisst es und sorgt dafür, dass es gut im Wind steht. Befehle vom Kapitän, wenn er am Bug ist wiederholt sie laut und klar, damit sie im Cockpit zu hören sind. Bei zu wenig Wind startet die den Motor und bei Segelmanövern reicht sei uns die Kurbel der Winsch an. Gesichert ist meine kleine Matrosin immer durch eine Sicherheitsleine, ohne die sie sich an Deck nicht bewegen darf. Bei turbulenterem Seegang oder schwierigen Manövern bleibt Laia alleine unter Deck. In solchen Situationen wird es lauter auf der Trotamar: die Schotten schlagen gegen das Boot, die Segeln flattern wild im Wind, Wellen schlagen gegen den Rumpf und das Schiff schaukelt wie verrückt. Die klare Stimme des Kapitäns tönt laut vom Bug bis zum Heck und gibt lautstark die nötigen Befehle durch. Laia bleibt mutig unter Deck und wartet ruhig bis wir das Manöver beendet haben. Sie erschrickt nicht, ist ganz still und ist zur Stelle, wenn sie jemandem behilflich sein kann.
Sie hat auf dieser Reise viel gelernt, meine kleine Matrosin. Freundschaften losgelöst von Hautfarbe oder sprachlicher Differenzen zu knüpfen, wie ein Rastafari zu grüßen und verschiedene Lebensformen zu akzeptieren. Barfuß, aber vorsichtig über Strand, Straßen oder steinige Wege zu laufen, sich wie ein Äffchen auf dem Schiff zu bewegen und mit den Wellen zu schwimmen. Algen oder bunte Fische durch ihre Taucherbrille zu beobachten, zu nähen wie ihr Sofia von der Begonia beigebracht hat, zu tanzen wie Aisea vom Geure Ametsa tanzt und den Baum zu klettern wie Odei, Aiseas Bruder. Den internationalen Kinderschrei, um Kontakt mit anderen Kindern auf Yachten aufzunehmen den ihr Sol und Luna vom Messager beigebracht haben, Fische mit Gräten zu essen, wie es Sol und Luna machten und viele neue tolle Menschen in ihr Herz zu schließen. Schiffe in allen Farben und Formen zu malen, sich im Dunklen zu bewegen, wenn unsere Batterien zu schwach sind und wir unter Deck die Hand vor Augen nicht sehen können. Sie hat gelernt, das zu essen, was wir haben, dass es Orte auf der Welt gibt, an denen es keine großen Supermärkten gibt und dass der Wert einer einfachen Plastiktüte, eines Bleistifts oder eines Fahrrads ein anderer für die Menschen sein kann, die sie sich nicht kaufen können. Sie hat herausgefunden, wie lecker Kokosnüsse, Bananen, Mangos oder Papayas dort schmecken, wo sie eigentlich wachsen und herkommen. Die wichtigste Erfahrung ist aber wohl, neue Menschen in unserem kleinen Wohnraum willkommen zu heißen, sich mit ihnen wohl zu fühlen und sie als Teil unserer Familie zu akzeptieren.
Laia liebt das Segeln, die langen Überfahrten und das Meer. Schon auf der Hinfahrt sagte sie eines Morgens: „Mama, wenn du willst, kannst Du gerne im Flugzeug zurückfliegen. Aber ich werde mit Papa zurücksegeln. Ich liebe die langen Fahrten! Es ist besser, wen Du auch mitkommst - sonst wirst Du Dir nur Sorgen machen und sehr leiden wenn wir in einen Sturm geraten und Du nicht bei uns sein kannst.“ Ursprünglich sollten Laia und ihre Mutter zurück zu den Azoren fliegen, da die Rückfahrt als schwierige und recht anspruchsvolle Segeltour bekannt ist. Aber nach vier Monaten Karibik war klar, wir bleiben zusammen. Wir haben es nicht bereut!
In Horta hat Laia eine große Trotamar auf einen Felsen der Kaimauer gemalt, bei der Einfahrt ist sie deutlich sichtbar. Jetzt ruht unser Schiffsjuwel in Terceira an Land, bis wir im nächsten Sommer die Azoren erkunden werden. Wir können es schon jetzt kaum erwarten bis es endlich wieder los geht!
Laia hat mit 6 Monaten ihre erste Segelfahrt gemacht: von Barcelona nach Menorca. Als Einjährige segelte sie mit uns bis nach Sardinien, mit sechs schließlich über den Atlantik. Ich selbst habe das Segeln mit 14 auf einer Vaurien-Jolle gelernt, bis mein Vater kurz darauf eine 7 m Yacht kaufte und wir gemeinsam lernten sie zu bedienen. Es folgte die Trotamar II und schließlich unsere Trotamar III. Seit ich denken kann, war mein Vater immer mit Kindern an Bord.
Das Gefühl von Harmonie und Sicherheit ist für Kinder wichtig, um sich wohl zu fühlen. Wenn es an Bord hektisch ist und bei Manövern geschrien wird, ist das für Kinder ein Zeichen von Gefahr, die sie nicht einschätzen können. Begegnet man aber auch außergewöhnlichen oder gefährlichen Situationen mit Ruhe und Gelassenheit, fühlen sich fast alle Kinder an Bord wohl, auch bei Sturm und hohen Wellen. Ein längerer Sturm kann sehr anstrengend sein und all unsere Kräfte fordern, bedeutet aber nicht unbedingt Gefahr. Ein Segel kann reißen, eine hohe Welle gegen den Rumpf schlagen - verglichen mit dem Risiko, das wir auf uns nehmen, wenn wir mit dem Auto auf einer Autobahn fahren, bleibt die Gefahr überschaubar. In diesem Bewusstsein ist es einfach, an Bord die Ruhe zu bewahren, die Kindern das nötige Vertrauen gibt.
Kinder fordern viel Zeit und Aufmerksamkeit. Unterwegs entspannen, Bücher lesen, oder schreiben ist mit Kindern schwer. Ich habe in Teneriffa damit begonnen ein Buch zu lesen, das ich erst kurz vor den Azoren beendet habe. Dafür haben wir alle Kinderbücher gelesen, die wir an Bord hatten. Wer an Bord Ruhe und Stille sucht, sollte ohne Kinder segeln. Wir haben das Segeln mit Kindern als etwas Wunderbares empfunden, was wir jedem empfehlen möchten und auf jeden Fall wiederholen werden.
Auf der Trotamar dürfen sich Kinder frei bewegen, sie dürfen auf den Mast klettern, am Baum schaukeln und all die tollen Ideen ausleben, die ihnen im Kopf herum spuken, aber wir sind für ihre Sicherheit verantwortlich. Wenn Laia nicht unter Deck ist, muss ein Erwachsener sie immer im Auge haben – klare Verantwortlichkeiten müssen vorab definiert werden. Sie darf nur unter Aufsicht und durch die Sicherheitsleine gesichert an Deck, nur auf den Baum oder den Mast, wenn der Kapitän dies für sicher hält (dies ist natürlich nur unter Anker und der Baum wird dann so fest getrimmt das er sich keinen Millimeter bewegen kann.). Nur so kann sie lernen, ihre Kräfte und ihr Gleichgewicht zu beherrschen und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Für das Leben gibt es keine bessere Schule, als das Leben an Bord. Zurück zu Hause, ist der Alltag eingekehrt und meine Matrosin freut sich auf die Schule. Aber manchmal, wenn wir abends bei Freunden sind und sie sehr müde ist, flüstert sie mir ins Ohr: „Papa, ich will zurück aufs Schiff.“ Ich sehe sie dann schon vor mir, wie sie in ein paar Jahren auf der Saling steht, uns durch Korallenriffe lenkt und mir Anweisungen zuruft.